Bernhard
Peter
Sprache:
Verben (6): transitive und intransitive Verben
Gehen wir zunächst vom gewohnten Deutschen
aus, um dann die Unterschiede im Japanischen besser zu sehen. Was
sind transitive und intransitive Verben?
- transitive Verben sind solche, die auf
jemanden oder etwas einwirken. Sie benötigen ein Objekt,
um einen vollständigen Satz zu bilden. Ein Satz ohne
Objekt ist unvollständig. Beispiele: etwas beobachten,
etwas transportieren, etwas machen, jemanden setzen,
etwas legen, etwas bringen.
- intransitive Verben sind solche, die
auf das Subjekt selber wirken und kein Objekt benötigen.
Ein Satz ohne Objekt ist vollständig. Beispiele: sein,
sich erholen, schlafen, sterben, arbeiten, sitzen,
liegen, schwimmen.
- transitive Verben können ein Passiv
bilden. Das Akkusativobjekt wird dann zum Subjekt.
Intransitive Verben können kein Passiv bilden (außer
ein unpersönliches Passiv im Sinne von "es wurde
hart gearbeitet", oder "jetzt wird aber
geschlafen!"). Sitzen -> "ich wurde
gesitzt" geht nicht.
- es gibt Verben, die transitiv und
intransitiv sein können. Beispiele: schreiben / etwas
schreiben, lesen / etwas lesen, essen / Pfannkuchen
essen, trinken / Bier trinken, fahren / jemanden fahren.
- man kann ein intransitives Verb durch
Zusätze in ein transitives Verb überführen. Beispiel:
brechen -> etwas zerbrechen, heiraten -> jemanden
verheiraten, fahren - etwas ausfahren. Man kann ein
transitives Verb analog durch Veränderungen in ein
intransitives Verb verwandeln.
Jetzt zum Japanischen: Wie sieht es mit
jedem dieser einzelnen Punkte aus?
- transitive Verben sind solche, die auf
jemanden oder etwas einwirken. Sie werden als tadoushi
bezeichnet (ta = anderer, doushi = Verb). Sie benötigen
ein Objekt, um einen vollständigen Satz zu
bilden. Ein Satz ohne Objekt ist unvollständig. Das
Objekt wird vorangestellt und mit dem
Objektpartikel "o" angeschlossen.
- intransitive Verben sind solche, die auf
das Subjekt selber wirken und kein Objekt benötigen.
Sie werden als jidoushi bezeichnet (ji =
selbst, doushi = Verb). Ein Satz ohne Objekt ist
vollständig und besteht in Minimalform aus Subjekt,
Subjektpartikel und Verb.
- Alle Verben können ein Passiv
bilden. Es gibt also von intransitiven und von
transitiven Verben ein korrektes grammatikalisches
Passiv.
- Verben können nicht einmal transitiv
und einmal intransitiv benutzt werden. Es gibt diese
Doppelfunktion nicht. Ein Verb ist immer entweder
transitiv oder intransitiv. Deshalb brauchen wir
für eine Tätigkeit bzw. zwei Aspekte einer Tätigkeit
oft zwei verschiedene Verben, ein transitives und
ein intransitives. Beide bilden ein Paar,
weil sie dieselbe Bedeutung haben, nur einmal transitiv,
einmal intransitiv.
- Es gibt keine Möglichkeit,
transitive und intransitive Verben durch Zusätze oder
Anhängsel ineinander zu überführen. Beide
Typen werden bei gleichem Stamm streng alternativ durch
die Endung unterschieden, so daß es zu Paarbildung
kommt. Eine gegenseitige Umwandlung ist nicht möglich.
Beide Typen sind nicht voneinander ableitbar, weil jeder
Typ seine eigene Endung am Stamm bekommt. Dieses
Phänomen nennt man in der Sprachwissenschaft Äquipollenz
(von lateinisch aequipollens = gleichviel geltend), das
bedeutet die logische Gleichberechtigung zweier Teile
eines Begriffspaares, die nicht nur die gegenseitige
Negation sind, hier eines Verbpaares, das sich
hinsichtlich der Transitivität der beiden Einzelverben
unterscheidet. Von den relevanten Sprachen dieser Welt
gibt es das nur im Japanischen.
Ein Beispiel: Für das doppelverwendbare
Verb "anfangen, beginnen" behelfen wir uns im Deutschen
mit Zusätzen, das Japanische benutzt zwei unterschiedliche
Verben.
- intransitiv: anfangen = selber
beginnen = hajimaru. Die Musik beginnt =
Ongaku ga hajimaru. Höflich: Ongaku ga hajimarimasu
(5stufig).
- transitiv: anfangen = mit etwas
beginnen = hajimeru. Ich beginne mit der
Arbeit = Watashi wa shigoto o hajimeru. Höflich: Watashi
wa shigoto o hajimemasu (1stufig).
Zweites Beispiel für eine solche
Paarbildung, im Deutschen ununterscheidbar "aufhören":
- intransitiv: yamu =
selber aufhören. Der Regen hört auf = Ame ga yamu.
Höflich: Ame ga yamimasu (5stufig).
- transitiv: yameru =
mit etwas aufhören. Ich höre mit der Arbeit auf =
Watashi wa shigoto o yameru. Höflich: Watashi wa shigoto
o yamemasu (1stufig).
Drittes Beispiel für eine solche
Paarbildung, im Deutschen mit zwei ganz unterschiedlichen Verben
gelöst. Auch wenn in Romaji nur das Anfangs-"o" gleich
ist, werden beide Verben mit dem gleichen Kanji für den Stamm
geschrieben:
- intransitiv: okiru =
aufwachen, aufstehen. Ich stehe morgens um 5 Uhr auf =
Watashi wa asa go-ji ni okiru. Höflich: Watashi wa asa
go-ji ni okimasu (1stufig)
- transitiv: okosu =
jemanden aufwecken, aufrichten. Meine Mutter weckt mich
um 5 Uhr auf = Watashi no haha wa gozen go-ji ni watashi
o okosu. Höflich: Watashi no haha wa gozen go-ji ni
watashi o okoshimasu (5stufig)
Gibt es eine Regel? Ein typischer
Mechanismus der Paarbildung ist der Wechsel von der Endung -aru
(intransitiv) zur Endung "-eru" + "o". Für
sich alleine gilt das nicht: Nicht jedes -aru-Verb ist
intransitiv, und nicht jedes -eru-Verb ist transitiv! Aber wenn
es diese Paarbildung gibt, dann ist das -aru-Verb das
intransitive, und das -eru-Verb ist das transitive.
Genauso kann man erkennen, daß, wenn es eine Paarbildung
gibt, bei der ein Teil des Pärchens auf -su endet, dieses das
transitive ist. Aber das gilt nur für Paare, nicht
jedes auf -su endende Verb ist automatisch transitiv. Daß eine
in diversen Grammatikbüchern praktizierte Gruppenbildung nicht
zielführend ist, sieht man an folgendem Beispiel: Es gibt Paare,
bei denen die auf -u endende Form die intransitive, die auf -eru
endende Form die transitive ist. Beispiel: aku = aufgehen, sich
öffnen, akeru = aufmachen, etwas öffnen. Aaaaber Gegenbeispiel:
waru = etwas zerbrechen (transitiv), wareru = zerbrechen
(intransitiv), also umgekehrt! Daraus folgt, daß es am
sinnvollsten ist, bei jedem Verb gleich mitzulernen, ob es
transitiv oder intransitiv ist. Das ist besser, als sich
Gruppenbildungen zu konstruieren, die durch Gegenbeispiele
widerlegt werden können. Denn außer den beiden formulierten
Faustregeln gibt es keine allgemeingültigen, übergreifenden
Patterns, die zu lernen es sich lohnen würde. Beispiele für
solche Paarungen:
| transitiv |
intransitiv |
| hajimeru = mit
etwas anfangen |
hajimaru =
anfangen |
| waru = etwas
zerbrechen |
wareru = selber
zerbrechen |
| nuku = etwas
herausziehen, entfernen |
nukeru =
hinausgehen, fehlen |
| akeru = etwas
öffnen |
aku = aufgehen,
sich öffnen |
| kesu = etwas
löschen |
kieru =
erlöschen, verschwinden (selbes Kanji für den Stamm!) |
| atsumeru = etwas
sammeln |
atsumaru = sich
sammeln, sich versammeln |
| shimeru = etwas
schließen |
shimaru = sich
schließen |
| atatameru = etwas
erhitzen, etwas warm machen |
atamamaru = warm
werden |
| kaeru = etwas
ändern |
kawaru = sich
ändern |
| tsukeru = etwas
anmachen, z. B. Licht |
tsuku = angehen,
z. B. Licht |
| tokasu = etwas
schmelzen |
tokeru = selber
schmelzen |
| kowasu = etwas
zerstören, kaputt machen |
kowareru = sich
zerstören, kaputt gehen |
| mawasu = etwas
drehen |
mawaru = sich
drehen |
| tateru = etwas
stellen |
tatsu = sich
hinstellen, sich aufstellen |
| ireru = etwas
hineintun |
hairu =
hineingehen (selbes Kanji für den Stamm!) |
| tomeru = jemanden
anhalten, stoppen |
tomaru = selber
anhalten, stoppen |
| todokeru =
liefern, ausliefern (ware) |
todoku = ankommen
(Ware) |
| yameru = mit
etwas aufhören |
yamu = aufhören,
pausieren |
| mageru = etwas
biegen |
magaru = sich
biegen |
Literatur,
Links und Quellen:
Transitive und intransitive
Verben: Video-Sprachkurs von Dominik Wallner: https://www.youtube.com/watch?v=1fA611j-KG0
Transitive und intransitive Verben: https://www.guidetojapanese.org/german/transtype.html
Transitive und intransitive Verben: https://www.japandigest.de/alltag/sprache/japanischlernen/transitive-und-intransitive-verben/
Transitive und intransitive Verben: https://www.japanisch-grund-und-intensivkurs.de/grammar/sem1/lesson12/intransitive_und_transitive_v
Andere Artikel über Japan lesen
Andere Länder-Essays lesen
Home
©
Copyright bzw. Urheberrecht an Text, Graphik und Photos: Bernhard
Peter 2022
Impressum