Bernhard Peter
Sprache: Familie und Verwandtschaft


Die Familie "nach oben":
Grundlegende Begriffe:
Personen: otoko = Mann -> otoko no hito, onna = Frau -> onna no hito, männliches Kind -> otoko-no-ko, weibliches Kind -> onna-no-ko
Das geht mit allen näheren Beschreibungen von Personen: Studentin = onna no gakusei, Student = otoko no gakusei'
Familie = kazoku, die Verwandten = shinseki. Die Ahnen werden senzo genannt. Die Nachkommen sind shison.

eigener Vater = chichi
eigene Mutter = haha

Eltern = ryoushin
Elternteil = oya
Vater und Mutter = fubo

Großvater = sofu
Großmutter = sobo

Großeltern = sofubo

Großvater = ojii
Großmutter = obaa

Urgroßvater = sou-sofu
Urgroßmutter = sou-sobo

Urgroßvater = hi-ojii
Urgroßmutter = hi-obaa

Ururgroßvater = kou-sofu
Ururgroßmutter = kou-sobo

Urururgroßvater = kousofu no chichi
Ururururgroßvater = kousofu no sofu

Die Begriffe oben beziehen sich auf die eigenen Eltern ("ryoushin"). Die Mütter anderer oder dritter Personen heißen "okaa-san" bzw. "okaa-sama" und die Väter anderer oder dritter Personen heißen "otou-san" bzw. "otou-sama". Eltern untereinander reden sich gegenseitig mit "okaa-san" und "otou-san" an. Unter westlichem Einfluß haben aber alternativ auch "Papa" und "Mama" Einzug gehalten.
Die oberen Begriffe für Großeltern und Urgroßeltern sind Wörter japanischen, die unteren sino-japanischen Ursprungs.

In der eigenen Familie heißt der Ehemann "otto", die Ehefrau "tsuma". In einer fremden Familie heißt der Ehemann "goshujin", die Ehefrau "okusan".

Die eigenen Großeltern ("sofubo") werden mit Großvater = "sofu" und Großmutter = "sobo" bezeichnet, die Großeltern in fremden Familien mit Großvater = "ojii-san" und Großmutter = "obaa-san".

Verwandtschaftsbezeichnungen in einer eigenen Familie nach oben und zur Seite

Verwandtschaftsbezeichnungen in einer fremden Familie, z. B. der eines Freundes


Die Familie "nach unten":
Es gibt einen eigenen Begriff für den/die jeweils erstgeborenen Sohn/Tochter. Die früher gebräuchliche Endung "-an" kennzeichnet ältere Geschwister. Das kennzeichnete eine Gesellschaft, in der die Abfolge der Geschwister bedeutungsvoller war als ihr Geschlecht, "-i" = männlich, "-e" = weiblich. Heute verwendet man allgemein die Endung "-ko" für Kind.

Kind, Kinder = kodomo
Sohn, Söhne = musuko
Tochter, Töchter = musume
erstgeborener Sohn = chounan
erstgeborene Tochter = choujo
Enkel = mago Urenkel = hi-mago Adoptivkind = youshi

In der eigenen Familie heißt der Sohn musuko, die Tochter musume. In einer fremden Familie heißt der Sohn musuko-san, die Tochter musume-san.


Die Familie "zur Seite":
Unterschiede zur deutschen Sichtweise: Es wird zwischen älteren und jüngeren Geschwistern in der Bezeichnung unterschieden, es gibt zwei verschiedene Begriffe dafür. Das entspricht dem japanischen Sinn für Erstgeburt und Seniorität.
Cousinen und Cousins haben denselben Begriff vom Klang her, das wird nur im Schriftlichen unterschieden, weil der selbe Wortlaut mit unterschiedlichen Schriftzeichen geschrieben wird, wenn es sich um männliche oder weibliche Elterngeschwisterkinder handelt.
Achtung: Onkel und Tante klingen ähnlich wie Großvater und Großmutter, haben aber einen kurzen Endvokal.

ältere Brüder = ani
jüngere Brüder = otouto
ältere Schwestern = ane
jüngere Schwestern = imouto
alle Brüder von jmd. = kyoudai
alle Schwestern von jmd. = shimai
alle Geschwister von jmd. = kyoudai
Onkel = oji
Tante = oba

Großonkel = ou-oji
Großtante = ou-oba

Cousins = itoko
Cousinen = itoko

Kinder von Cousins = mata-itoko
Kinder von Großonkeln = mata-itoko

Neffen = oi
Nichten = mei

Das sind alles Begriffe für die eigene Familie, und die Verwandtschaft bezieht sich auf den Sprecher/Schreiber selbst. Bei Onkel und Tante gibt es noch eine Unterscheidung, ob sie älter oder jünger als der eigene Vater sind. Beide Begriffe werden mit unterschiedlichen Kanji geschrieben, aber gleich ausgesprochen. Handelt es sich um eine fremde Familie, spricht man also von der Verwandtschaftsbeziehung eines Dritten, gibt es wiederum teilweise andere Begriffe. Merke: Bei einer fremden Familie hängt man grundsätzlich an alles -san dran. Also werden aus Onkel und Tante "oji-san" und "oba-san".

ältere Brüder = onii-san
jüngere Brüder = otouto-san
ältere Schwestern = onee-san
jüngere Schwestern = imouto-san

Verwandtschaftsbezeichnungen in der eigenen Familie: Neffen, Onkel, Tanten, Cousinen etc.


Ehepartner:
Wer noch Single ist, wird als "dokushin" bezeichnet. Ein verheiratetes Familienmitglied ist "kekkon" (von diesem Nomen ist auch das entsprechende suru-Verb für "heiraten" abgeleitet: kekkonsuru, konstruiert als "mit jemandem heiraten"). Ein verheiratetes Paar wird als "fuufu" bezeichnet. Die allgemeine Bezeichnung für einen angeheirateten Ehepartner ist "haiguusha". So wird der eigene Ehepartner genannt. Mit dem Genitiv-Partikel "no" kann das mit den anderen Verwandtschaftsbezeichnungen kombiniert werden: Die Eltern des Ehepartners sind "haiguusha no fubo", die Großeltern des Ehepartners sind "haiguusha no sofu" und "haiguusha no sobo". Analog geht das mit Geschwistern, Nichten, Neffen, Enkeln etc.

Verwandtschaftsbezeichnungen in einer eigenen Familie nach unten und angeheiratet

Eine Verschwägerung wird mit "giri no" angebaut. "giri no" bedeutet soviel wie: hat nichts mit dem eigenen Blut zu tun. Beispiele:

älterer Schwager = giri no ani
jüngerer Schwager = giri no otouto
Schwiegersohn = giri no musuko
Schwiegertochter = giri no musume


Anredeformen:
Hier gibt es einen wichtigen Gegensatz zu unseren Anreden, die sich immer relativ zum Sprecher definieren: Bei uns redet der Sohn seine Mutter als "Mutti" an, selbige Mutter ihre eigene Mutter auch als "Mutti", während ihr Sohn "Oma" zu ihr sagt. Die gleiche Person kann also von verschiedenen Personen mit verschiedenen Begriffen angeredet werden, weil es eine Relativanrede ist. In Japan ist das anders, denn der Bezugspunkt, an dem sich alle orientieren, ist der jüngste Sohn. Das heißt, mit der Geburt des Sohnes wird für dessen Mutter ihre eigene "Mutti" zur "Oma". Das ist ein absoluter Bezugspunkt, der in der jüngsten Generation verortet wird und mit jeder nachfolgenden Generation eins weiter versetzt wird. Mit jeder neu entstehenden Generation werden also alle Anreden innerhalb der Familie angepaßt. Wird einer Frau ein Sohn geboren, ist ihre eigene Mutter nicht länger "okaa-san", sondern "obaa-san". Die Mutter wechselt also zur angepaßten Wahrnehmung ihrer eigenen Verwandten in die Perspektive ihres Sohnes. Eltern, die sich untereinander gegenseitig mit "okaa-san" und "otou-san" anreden, werden auch so von ihren eigenen Eltern genannt. Das heißt aus unserer deutschen Sicht, die Mutter würde ihren eigenen Sohn "Vater" nennen, eine Umkehrung der tatsächlichen Verhältnisse, die nur möglich ist, weil alles aus der Perspektive des Hoffnungsträgers der Familie gesehen wird.

Analog gilt das für Geschwister: Da alles aus der Perspektive des jüngsten Kindes gesehen wird, gibt es nur ältere Brüder und Schwestern, die onii-san oder kurz nii-san bzw. onee-san oder kurz nee-san gerufen werden. Die Anreden otouto-san bzw. imouto-san sind nicht existent, weil das nicht dem Bezugspunkt des jüngsten Nachfahren entspricht. Wer nicht unter onii-san oder onee-san fällt, wird mit seinem Vornamen und angehängter Verniedlichungsbezeichung "-chan" angesprochen. Dementsprechend werden folgende Anreden von sämtlichen Familienmitgliedern gebraucht:

Anrede der Eltern-Generation des jüngsten Nachkommen

Vater = "otou-san" = "papa"
Mutter = "okaa-san" = "mama"
Onkel = "oji-san"
Tante = "oba-san"

Anrede der Großeltern des jüngsten Nachkommen

Großvater = "ojii-san"
Großmutter = "obaa-san"

Anrede der Geschwister des jüngsten Nachkommen

ältester Sohn = "onii-san"
älteste Tochter = "onee-san"
jüngere Kinder = Name-"chan"

Anreden in der Familie immer relativ zum jüngsten Familienmitglied


Literatur, Links und Quellen:
Martin und Maho Clauß: Japanisch Schritt für Schritt, Band 1, der Sprachkurs für Unterricht und Selbststudium, Book on Demands, 2014, ISBN: 978-3-7322-9974-4
Herbert Zachert: Japanische Umgangssprache, 4. Auflage, Otto Harrassowitz Verlag Wiesbaden, 1976, ISBN 3-447-01814-3
Florian Coulmas: Die Kultur Japans - Tradition und Moderne, 334 S., Verlag C. H. Beck, 2014, ISBN-10: 3406670970, ISBN-13: 978-3406670978, S. 52-66
Familienbezeichnungen:
https://www.japanisch-grund-und-intensivkurs.de/beginners/vocabulary/family
Anreden:
https://de.wikipedia.org/wiki/Japanische_Anrede


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