Bernhard Peter
Shinto-Schreine: Kyoto, Hirano jinja


Der Hirano-Schrein liegt im nördlichen Stadtbezirk Kita-ku, im Stadtteil Hirano. Seine Adresse lautet: 1 Hirano-Miyamoto-Cho, Kita-Ku, Kyoto-shi 603-8322. Er liegt nordwestlich der nahen, aber wesentlich größeren Schreinanlage des Kitano Tenman-gu, durch den Fluß Tenjin und einen Wohnstraßenblock von letzterem getrennt. Im Westen der Schreinanlage verläuft die Straße Nishi-oji Dori, wo Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel besteht, z. B. im Süden die Haltestelle Kitano Hakubai-Cho der Keifuku Kitano Line. Alternativ kekommt man im Norden des Schreines den Raku 101-Bus nahe des Kinkaku-ji. Ab Bahnhof fahren auch die Busse 205 und 50 bis Kinugasa Komae. Vom Kitaoji Bus Terminal (U-Bahn-Anbindung) kann man den Bus Nr. 204 bis zur Haltestelle Kinugasa Komae nehmen.

Der Schrein beginnt seine Geschichte zeitgleich mit Kyoto als Hauptstadt, denn auf Veranlassung des Kaisers Kammu (737-806, regierte 781-806, 50. Tenno), welcher die Residenz von Nara nach Kyoto verlegte und dieses zur neuen Hauptstadt machte, wurde der Hirano-Schrein nach Kyoto, damals Heian-Kyou, gebracht. Zuvor befand er sich seit 782 in Tamura, zum Schutz des kaiserlichen Palastes von Nara. Für das Kaiserhaus hatte der Schrein insofern eine Bedeutung, als die dort eingeschreinten Kami Götter des kaiserlichen Küchenofens waren. Von der Heian-zeitlichen Bebauung ist nichts mehr vorhanden; die heutigen Gebäude stammen aus der Edo-Zeit (17. Jh.) und sind als wichtiges Kulturgut klassifiziert.

Der Schrein hat eine Beziehung zum Kaiserhaus und wurde oft von Mitgliedern der kaiserlichen Familie besucht. Deshalb finden wir auch an den aufgehängten Tüchern (Moncho) das Chrysanthemen-Mon. Zwei der vier hier eingeschreinten Kami sind vermutlich identisch mit dem 12. und dem 16. Tenno, Keikou und Nintoku, wobei nicht sicher ist, ob es sich bei diesen um historische oder mythologische Personen handelt. Der Schrein gehörte in der Heian-Zeit zu den sogenannten "22 Schreinen", also den Schreinen höchster Bedeutung, wobei die meisten sich in oder in der Nähe der Hauptstadt befanden. Da diese noch einmal in obere, mittlere und untere Schreine unterteilt wurden, kann sich der Hirano-Schrein geschmeichelt fühlen, unter den oberen Schreinen geführt worden zu sein, in einem Atemzug mit z. B. dem Ise-jingu in Ise, dem Fushimi Inari-Taisha in Kyoto oder dem Kasuga-Taisha in Nara. Der Schrein verwaiste im 15. Jh. und verfiel. 1628 wurde er von Nishinotoin Tokiyoshi aus der Familie Heishi wiederaufgebaut. Von 1871 bis zur Abschaffung des Shakaku-Systems (ausführlicher: Kindai Shakaku Seido) 1946 stand der Hirano-Schrein im Range eines Kanpei-taisha, also eines kaiserlichen Schreinen ersten Ranges, von denen es insgesamt nur 67 gab und unter denen sich auch viele der "22 Schreine" befinden.

In der Mitte der Heian-Zeit war der Hirano-Schrein so hoch angesehen, daß nur der Ise jingu, der Kamogamo und Shimogamo jinja, der Iwashimizu-hachimangu-Schrein und der Matsuno-o-taisha über ihm standen.

Die Hauptachse des Schreines verläuft von Osten nach Westen. Im Osten steht ein Torii, dann führt ein laternengesäumter Weg (Sando, Sandou) zum einfachen, einstöckigen Tor (Shin-mon = Göttertor). In der Hauptachse steht frei im Zentrum der Anlage die allseits offene Halle (Maidono). Ganz im Westen liegen die heiligsten Bereiche; hinter einer H-förmigen Struktur mit einem Kara-mon (chinesisches Tor) in der Mitte stehen insgesamt vier Honden in Reihe, jeweils zwei miteinander durch ein Ai-no-ma (Zwischenstruktur) verbunden, die große Besonderheit dieses Schreines. Jeder der vier Schreine ist einem Kami gewidmet, das sind Imaki-no-kami (Gott der Vitalität und Lebenskraft), Kudo-no-kami (ein Ofen- und Küchenherdgott), Furuaki-no-kami und Hime-no-kami. Alle vier Honden haben schräggekreuzte, oben horizontal verstutzte Giebelbretter (Chigi) über beiden Stirnseiten des Daches und jeweils nur einen Querbalken auf dem Dachfirst in unmittelbarer Nähe zu den Chigi, vorne und hinten jeweils. Der Baustil, bei dem zwei Paare von Schreinen im Kasuga jinja-Stil kombiniert werden, wird als "Hirano zukuri" oder "Hiyoku kasuga zukuri" bezeichnet. Das Tor war einst ein Tor des kaiserlichen Palastes, welches dem Schrein im Jahre 1651 geschenkt wurde. 1943 wurde es an den heutigen Standort versetzt.

An diesem Schrein wird am 10.4. jeden Jahres das Kirschblütenfest (Sakura-matsuri) gefeiert, eine seit 985 bestehende Tradition. Denn in jenem Jahr gab Kaiser Kazan den Befehl, den Garten mit Kirschbäumen zu bepflanzen. Damit ist es das älteste immer noch regelmäßig begangene religiöse Fest von Kyoto, das mit einem Ritual am Hauptheiligtum beginnt, dann ein weiteres Ritual am Mausoleum des Kaisers Kazan durchführt und schließlich mit einer großen Prozession mit einem tragbaren Schrein (Omikoshi), mit Frauen in historischen Gewändern und berittenen Kriegern durch die Nachbarschaft endet. Heute stehen ca. 500 Kirschbäume (Sakura) verschiedenster Sorten auf dem Schreingelände, das zu den wichtigsten Kirschblüten-Betrachtungsplätzen der Stadt gehört. Das Schreingelände war anfangs wesentlich größer und umfaßte sogar auch den Bereich, auf dem heute der Kinkaku-ji steht, nur mit der Zeit verkleinerte sich das Gelände mit wachsendem Platzbedarf der Stadt immer mehr bis zur heutigen Grün-Insel in der Großstadt.

Beim verheerenden Taifun "Jebi" vom 4.9.2018 wurde die zentrale offene Halle (Maidono) zerstört, alle tragenden Balken knickten um, das Dach kam beschädigt halb auf, halb neben der Plattform zu liegen und zerschmetterte dabei Geländer und Veranda.

Sando (Sandou) mit fest installierten, zinnoberrot gestrichenen Laternen und zusätzlich aufgehängten weißen Papierlaternen.

Die Wege innerhalb des Areals werden von ovalen Papierlaternen gesäumt, die an Latten und Drähten aufgehängt sind.

Alle Papierlaternen sind mit elektrischem Licht bestückt. Im Hintergrund die vielen Kirschbäume, für die der Park des Schreines berühmt ist.

Die Aufschriften nennen die Spender.

Die hohe Anzahl der Papierlaternen in diesem Schrein ist augenfällig.

Hohe, alte Bäume bestimmen das Schreingelände. Die zentrale offene Halle (Maidono) wird von einem besonders malerischen Exemplar überragt, das unten auch von einem Kranz von Papierlaternen umgeben ist. Dahinter werden Losorakel-Papierstreifen an Drähte geknüpft.

 

Nahe dem 400jährigen Baum liegt ein großer Magnetit-Stein, Beitetsu bzw. Suehirogane genannt; der noch unbekannte Magnetismus galt als übernatürliche Kraft und Sitz von Kami.

Maidono: Zentral steht eine allseits offene Halle unter einem Fußwalmdach (Irimoya).

Das geschwungene Dach (Kara-hafu) befindet sich über dem Durchgang zum innersten Bereich. Hinter der Absperrung liegen die vier Honden, jeweils paarweise mit einem Querfirst verbunden.

Die Laternen vor dem Heiligtum tragen Kirschblütenmotive.

Späte Blütenpracht auf dem Schreingelände im September. Die vielen Bäume auf dem Schreingelände machen es zu einer Oase der Natur und der Entspannung in der Großstadt.

Der Schrein ist wenig touristisch und dafür um so stimmungsvoller: Lassen wir die Massen der Pauschal- und Kurztouristen zum nahen Kinkaku-ji ziehen und sich gegenseitig auf die Füße treten - hier im Hirano jinja haben wir unsere Ruhe und Besinnlichkeit und können die wunderbare Atmosphäre in schöner Natur genießen.


Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf google maps: https://www.google.de/maps/@35.0322378,135.732538,19z - https://www.google.de/maps/@35.0326425,135.7325722,110m/data=!3m1!1e3
Ernst Lokowandt: Shinto - Eine Einführung. Publikation der OAG Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens, Tokyo 2001, 117 S., Verlag Iudicium 2001, ISBN-10: 3891297270, ISBN-13: 978-3891297278
Joseph Cali, John Dougill: Shinto Shrines - a Guide to the Sacred Sites of Japan's Ancient Religion, 328 S., University of Hawaii Press 2012, ISBN-10: 0824837134, ISBN-13: 978-0824837136
Suzanne Sonnier: Shinto, Spirits, and Shrines - Religion in Japan, Lucent Books 2007, ASIN: B00FAWMA88
Kenji Kato: Shinto Shrine, Bilingual Guide to Japan, Nippan Verlag 2017, 128 S., ISBN-10: 4093884781, ISBN-13: 978-4093884785
Hirano-Schrein:
https://de.wikipedia.org/wiki/Hirano-Schrein - https://en.wikipedia.org/wiki/Hirano_Shrine
Eigene Webseiten des Schreines:
http://www.asahi-net.or.jp/~cr8y-httr/hirano/ - http://www.hiranojinja.com/home/english-page
22 Schreine:
https://de.wikipedia.org/wiki/22_Schreine - https://en.wikipedia.org/wiki/Twenty-Two_Shrines
System der Schrein-Klassifizierung:
https://en.wikipedia.org/wiki/Modern_system_of_ranked_Shinto_shrines
Kirschblütenfest:
https://www.discoverkyoto.com/event-calendar/april/oka-sai-hirano-shrine/
Hirano jinja:
https://www.japanhoppers.com/de/kansai/kyoto/kanko/1612/
Hirano jinja:
http://www.japanvisitor.com/japan-temples-shrines/hirano-shrine
Hirano jinja:
http://thekyotoproject.org/english/hirano-shrine/
Hirano jinja:
http://sharing-kyoto.com/see_Hirano-Shrine


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