Bernhard Peter
Kamakura (Präf. Kanagawa), Zeniarai-Benzaiten-Ugafuku-Jinja


Der in den dicht bewaldeten Hügeln im nordwestlichen Kamakura liegende Zeniarai-Benzaiten-Ugafuku-Schrein befindet sich im Stadtteil Sasuke (2 Chome-25-16 Sasuke, Kamakura, Kanagawa 248-0017, Japan) und ist entweder über den Daibutsu-Hiking-Trail oder über die östlich verlaufende Straße aus dem Tal heraus zu erreichen, wobei der Zugang durch einen mit einem grauen Stein-Torii markierten Felsentunnel erfolgt. Wer vom Bahnhof JR Kamakura dorthin möchte, wählt den Westausgang und folgt der Hauptstraße senkrecht zu den Gleisen, vorbei an Rathaus, Einkaufszentrum Kinokuniya und Starbucks und noch durch den Straßentunnel. Kurz hinter dem Bun Bun Tea Shop (rechts) und dem Finanzamt (links) biegt man nach rechts ab, ca. 700 m ab Bahnhof. Der neuen Straße folgt man 450 m durch ein hübsches Wohngebiet, dann geht es an der dritten Kreuzung links ab zum Schrein, noch einmal 170 m der Straße steil bergauf folgen bis zum Tunneleingang. Der Weg ist dreisprachig ausgeschildert. Wie bei den meisten Schreinen ist das Gelände frei zugänglich. Trotz seiner Abgelegenheit ist dieser am Waldrand abseits üblicher Touristenpfade in einem Felsenkessel versteckte Schrein wegen seiner speziellen Sehenswürdigkeit des Geldwaschens gut besucht; er ist einer der beliebstesten Schreine der Stadt, zahlenmäßig gleich nach dem Tsurugaoka Hachimanguu. Am meisten wird er um die Neujahrszeit besucht, wenn man um Wohlstand für das folgende Jahr bittet.

Zerlegen wir erst einmal den langen Namen dieses Schreins. Jinja bedeutet Schrein. Benzaiten bedeutet, daß hier die Göttin Benzaiten (Benten, Skr. Sarasvati) verehrt wird, eine der sieben Glücksgötter (Shichi-fuku-jin). Typischerweise liegen ihre Schreine auf Inseln in Seen, hier hiegt der Schrein in einer Höhle an einer Bergquelle mit mehreren Teichen. Die Wohlstandsgöttin Benzaiten ist eigentlich eine buddhistische Gottheit, aber es wird angenommen, daß sie identisch sei mit der shintoistischen Wassergottheit Ichi-kishima-hime-no-mikoto, ein weiteres Beispiel für den Synkretismus zwischen Shintoismus und Buddhismus. Zeni-arai bedeutet Geldwäsche, aber nicht die Straftat, welche man als Shikin-senjou bezeichnen würde. Zeni bezeichnet kleine Münzen, und arai kommt vom Verb arau, das bedeutet waschen, spülen, auch sich waschen. In der Höflichkeitsform wird daraus araimasu. Arai ist also einerseits der Stamm bestimmter Verbformen oder das zugehörige Nomen "Wäsche". Bleibt der Teil Ugafuku: Das Kanji für fuku bedeutet Glück, günstiges Schicksal, Wohlstand, Segnung, und zusammen mit "Uga" = Ernte, Nahrung wird daraus eine für das Ernten, also das Bekommen bzw. Erhalten von Glück zuständige Gottheit: Ugafuku-jin = Uga-jin = Uga-no-kami. Ugafuku-jin war zuerst ein der Gott der Ernte, dann des Wohlstands und schließlich des Reichtums. Er hat also eine Wandlung durchgemacht wie Benzaiten auch. Das Symbol des Ugafuku-jin ist eine weiße Schlange, und er hat eine Verbindung zu Wasser. Genau das Gleiche läßt sich über Benzaiten sagen, denn auch sie hat eine Verbindung zu Wasser und zu Schlangen, und so flossen beide Kulte ineinander. Der Name des Schreins bedeutet also, daß es sich um einen der Glücksgottheit Benzaiten geweihten Quellschrein handelt, in dem man durch das Waschen von Geld Glück und Wohlstand erhalten kann.

Und genau das ist die Besonderheit hier: Man kann sich für 200 Yen kleine flache Körbchen aus geflochtenem Bambus ausleihen und geht damit in eine geräumige Höhle (Oku-guu mit dem Okumiya), in der man mit den typischen Kellen, die auf einer Ablage aus Bambusrohren liegen und die man von Reinigungsbecken kennt, Quellwasser über die Münzen und Scheine gießt. Der Glaube will, daß sich das so behandelte Geld magisch vervielfachen wird. Entsprechend beliebt ist der Schrein - kein rational denkender Mensch glaubt wirklich, daß das funktioniert, aber es könnte ja etwas dran sein? Die Grenze zwischen Wissen und Glauben, zwischen Spiel und Hoffnung ist fließend, und wenn es nicht klappt, hat man es wenigstens versucht. Und wenn es klappt, wer weiß, ob es vielleicht doch daran lag? Jedenfalls ist das hier der einzige Ort in Japan, an dem man legal Geldwäsche betreiben kann, und wo man nicht zur Yakusa gehören muß, um Geld zu waschen. Nun, so ganz ausschließlich gilt das nicht, denn man kann im ganzen Land kleine Benten-Schreine mit Wasserbecken entdecken, in denen man seine Münzen waschen kann. Nur hier ist der Kult perfektioniert. Der Zugang durch den Felsentunnel, hinter dem man noch eine Reihe eng gestellter hölzerner Torii durchschreitet, verstärkt das Gefühl, hier eine ganz besondere, magische Stätte aufzusuchen. Es sei aber gesagt, daß es freilich noch einen anderen Weg zum Schrein gibt, denn der Tunnel wurde erst 1958 gegraben. Der andere Weg wird Ura-Sandou genannt und führt von Süden her zum Schreingelände. Man findet den Zugang auf der Rückseite des Schreins, wo in der Südwestecke einige Torii zu einem Felsenpfad führen, der hinter dem Teehaus entlangführt und dann ins Tal Sasuke-ga-yatsu. Dennoch ist die Lage des Schreins in diesem kleinen Felsenkessel einzigartig, denn ringsum ragen die Felswände empor, und überall rinnt Wasser herab. Diese so hervorragend naturräumlich verborgene Stelle inspiriert die Phantasie, daß genau so ein Ort ideal wäre für die Anlage eines Kakurezato, eines verborgenen Dorfes. Denn von keiner Seite her kann man von außen sehen, was sich hier im Felsenkessel befindet.

Wie beim in der Nähe liegenden Sasuki-Inari-jinja gibt es auch hier eine verwandte Gründungslegende, die keinen Geringeren als Minamoto no Yoritomo (1147-1199), den Begründer des Kamakura-Shogunats, bemüht. Natürlich ist das mehr eine symbolische, mystische Legitimation, als daß es auf belegten Tatsachen beruht. Aber das Waschen von Geld zur Vermehrung desselben ist ja auch nicht durch Beweise des Erfolgs belegt und wird mit Hingabe praktiziert. Also, die Gründungslegende geht wie folgt: Am Tag Mi-getsu-mi-no-hi, dem Tag der Schlange im Monat der Schlange im Jahr der Schlange 1185 nach dem chinesischen Kalender sah Minamoto no Yoritomo einen alten Mann, der ihm eine aus dem Felsen entspringende Quelle in den Bergen nordwestlich von Kamakura empfahl, um dort zu den Göttern zu beten. Er solle dort eine Münze in der Quelle waschen, damit sie sich vervielfältige. Besagter alter Mann war niemand anderes als der wohltätige Gott Ugafuku, der zwar den Kopf eines Menschen, aber den Körper einer Schlange hat. 1185 (Bunji 1) wird daher als Gründungsjahr des Schreins angegeben. Und wenn Minamoto no Yoritomo das versucht hat, spricht doch nichts dagegen, es wider besseres Wissen ein wenig verschämt an diesem himmlischen Geldautomaten wenigstens zu probieren, oder? Und damit der "Beweis" noch gewichtiger wird: Houjou Tokiyori soll angeblich im Jahr 1257 ebenfalls Münzen mit diesem spirituellen Wasser gewaschen haben - und seitdem begann der Stern der Familie Houjou zu steigen. Zufall? Der Zugang vermittelt je schon den Eindruck, in einen gut geschützten Tresor voller Geheimnisse einzudringen. Für die Schreinverwaltung ist das jedenfalls ein hervorragendes und lukratives Geschäftsmodell mit landesweiter Alleinstellung.

Auch wenn die Quelle selbst schon lange bezeugt ist und während der Edo-Zeit zu den wichtigsten und reinsten Quellen der Stadt gerechnet wurde, und auch wenn die Praxis des Geldwaschens schon lange dort geübt wurde, entstand ein entsprechender Schrein wohl baulich erst im 19. Jh. Es werden ein äußerer und ein innerer Schrein unterschieden. Am äußeren Hauptschrein im Westen des Felsenkessels direkt vor der Höhle wird Ichi-kishima-hime-no-mikoto verehrt, und in der Höhle, in der die Quelle mit dem Geldwaschwasser = Zeni-arai-mizu entspringt, werden die Gottheiten Uga-no-mitama und Benzaiten verehrt. Der Besucher geht zunächst zum Devotionalienverkauf am Shamusho und kauft eine Kerze und Räucherstäbchen und leiht ein Bambusflechtkörbchen aus. Dann geht er zum Handwaschbacken (Chozuya) und reinigt Hände und Mund. So gereinigt geht man zum Hauptschrein (Zeniarai-benten-ugafuku-jinja-honden), wirft eine Münze in die Spendenbox, läutet die Glocke mit dem Seil (es gibt sogar drei Stück davon nebeneinander), klatscht zweimal in die Hände und entzündet dort an einer großen Kerze die eigene Kerze und die Räucherstäbchen und reinigt sich mit dem Rauch, nachdem man sie in das große Becken mit den anderen Stäbchen gesteckt hat. Ja, auch das ist unüblich für einen Schrein, denn Räucherstäbchen gehören in die buddhistischen Tempel, auch das ist ein Beispiel für den hier noch gepflegten Synkretismus. Die Kerze verbleibt hier oder in der Höhle auf einem Ständer. Danach erst geht man in die Höhle und reinigt seine Münzen oder Scheine durch dreimaliges Übergießen des Geldes im Körbchen mit Wasser mittels einer der bereitliegenden Schöpfkellen.

Aus Geld wird so Fuku-zeni, Glücks-Geld. Das Geld wird sich aber erst dann vermehren, wenn man das gewaschene Geld ausgegeben hat, das ist der Haken an der Sache und ein typisches Beispiel japanischer Geschäftstüchtigkeit. Es scheint aber ab und zu zu funktionieren, denn all die Torii auf dem Gelände sind Spenden von erfolgreichen Händlern, die überzeugt sind, daß ihr Erfolg das Ergebnis der hier geübten Geldwäsche war. Statistik ist das eine, Glaube das andere. Aber solange die, die statistisch auf der Erfolgsseite stehen, daran glauben, daß der Erfolg am Geldwaschen liegt, funktioniert das System. In der Höhe hängen weitere Opfergaben von der Decke, darunter Senbazuru, Girlanden aus unzähligen Origami-Kranichen (sen = 1000, ba = Zählwort für Vögel, tsuru = Kranich). Demjenigen, der 1000 Origami-Kraniche faltet, erfüllen die Götter einen Wunsch, so der Volksglaube. So ein Büschel enthält z. B. 40 Stränge à 25 Kraniche. Und um den Hauptschrein herum gibt es noch mehrere kleinere Schreine, z. B. den Shichifuku-jinja an der Ostseite nördlich des Tunnels und des Chozusha, den Kami-no-mizu-Schrein und den Shimo-no-mizu-Schrein an der Nordseite des Felsenkessels, wo die Wassergottheit Mizuhame-no-kami verehrt wird. Als Opfergaben sind rohe Eier üblich, weil Schlangen gerne Eier essen, und beide Gottheiten haben einen Bezug zu Schlangen. Man kann sie im Laden auf dem Gelände erwerben, in Einheiten zu 5 Stück, eines für jeden der fünf den Hauptschrein umgebenden Nebenschreine.

Früher gehörte dieser Schrein als externer Massha zum Yasaka-Schrein im Ougi-Tal (Ougi-ga-yatsu Yazaka Dai-jin) südlich des Jufuku-ji im nördlichen Kamakura (770 m Luftlinie), ist aber seit 1970 unter dem heutigen Namen eigenständig und unabhängig. Natürlich waschen die meisten Besucher heute hier Geld einfach zum Spaß, aus Freude daran, die Tradition lebendig zu halten, oder aus Spieltrieb. Die Atmosphäre in diesem Schrein ist dennoch einzigartig. Das liegt daran, daß sich hier die Menschen mit ihren geheimen Wünschen offenbaren, daß hier die Sehnsüchte unter dem offiziellen Gesicht hervorkommen, und daß wir uns hier alle unausgesprochen mit dem im tiefsten Herzen verborgenen Sehnen nach ein bißchen Glück und Reichtum verbunden fühlen. Egal woher und wohin jeder einzelne Besucher kommt oder geht, hier eint uns Sehnsucht und Hoffnung. Ist dieses Gefühl essentieller Verbundenheit in Bezug auf unsere innersten Wünsche vielleicht der Reichtum, der in diesem Schrein erhalten wird?



Literatur, Links und Quellen
Lokalisierung auf Google maps: https://www.google.de/maps/@35.3256838,139.5422621,20.58z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@35.3257224,139.5423439,56m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
der Schrein auf Tourist in Japan:
https://www.touristinjapan.com/zeniarai-benten-kamakura/
der Schrein auf Matcha-JP:
https://matcha-jp.com/en/3974
der Schrein auf Navitime:
https://japantravel.navitime.com/en/area/jp/spot/02301-000763/
der Schrein auf  Japan-Journey-Guide:
https://japanjourneyguide.com/2024/02/03/discovering-the-charms-of-zeniarai-benten-in-kamakura/
der Schrein auf  Kanpai-Japan:
https://www.kanpai-japan.com/kamakura/zeniarai-benten
der Schrein auf Travel-Gaijinpot:
https://travel.gaijinpot.com/zeniarai-benten-shrine/
der Schrein auf Japan-Travel:
https://en.japantravel.com/kanagawa/zeniarai-benzaiten-ugafuku-shrine/62513 - https://en.japantravel.com/kanagawa/zeniarai-benzaiten-ugafuku-jinja0/1618 - https://en.japantravel.com/kanagawa/kamakura-camera-zeniarai-benten-shrine/69054
der Schrein auf Wanderweib:
https://wanderweib.de/zeniarai-benten-schrein/
der Schrein im Projekt Religion in Japan der Uni Wien, Bernhard Scheid:
https://religion-in-japan.univie.ac.at/Kamigraphie/Zeniarai_Benzai-ten_Ugafuku_Jinja
Benzaiten im Projekt Religion in Japan der Uni Wien, Bernhard Scheid:
https://religion-in-japan.univie.ac.at/Handbuch/Ikonographie/Gluecksgoetter/Benzaiten#g-zeniaraibenten
der Schrein auf Japan-Guide:
https://www.japan-guide.com/e/e3111.html
der Schrein in Wikipedia:
https://en.wikipedia.org/wiki/Zeniarai_Benzaiten_Ugafuku_Shrine
der Schrein auf Kamakura-Guide:
https://kamakuraguide.com/en/kamakura-station-west/zeniaraibenzaiten-kamakura/
der Schrein auf Japan Travel:
https://www.japan.travel/de/spot/1580/
der Schrein auf GLTJP:
https://www.gltjp.com/en/directory/item/12885/
Mariko Miki, Sae Yamane: Kamakura & Enoshima: A Japan Guide to Nature, Culture, and Community, LOCAL FOCUS Vol. 1, Verlag: The Blue Co. Ltd, 2. Auflage 2019, 212 S., ISBN-10: 4991060516, ISBN-13: 978-4991060519 S. 100
auf Kamakura Today:
https://kamakuratoday.com/e/spot_zeniarai.html
im Web-Archiv:
https://web.archive.org/web/20120118102144/http://www.asahi-net.or.jp/~qm9t-kndu/zeniarai.htm


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