Bernhard
Peter
Kamakura
(Präf. Kanagawa), Sasuke-Inari-Jinja
Der in den dicht bewaldeten Hügeln liegende Shinto-Schrein Sasuke-Inari-Jinja befindet sich im nordwestlichen Stadtteil Sasuke (Adresse: 2 Chome-29 Sasuke, Kamakura, Kanagawa 248-0017, Japan) und ist entweder über den Daibutsu-Hiking-Trail oder über die kleine Seitenstraße im Tal zu erreichen. Wer vom Bahnhof JR Kamakura dorthin möchte, wählt den Westausgang und folgt der Hauptstraße senkrecht zu den Gleisen, vorbei an Rathaus, Einkaufszentrum Kinokuniya und Starbucks und noch durch den Straßentunnel. Kurz hinter dem Bun Bun Tea Shop (rechts) und dem Finanzamt (links) biegt man nach rechts ab, ca. 700 m ab Bahnhof. Der neuen Straße folgt man 300 m durch ein hübsches Wohngebiet, dann geht es an der zweiten Kreuzung links ab zum Schrein, noch einmal 200 m der Straße folgen. Der Weg ist dreisprachig ausgeschildert. Am Ende der Sackgasse stehen bereits die ersten roten Torii, und unter dem Dach immer weiterer Torii gehrt es auf den Stufen bergan. Das Ganze wirkt wie eine Miniaturausgabe des berühmten Fushimi-Inari-Schreines in Kyoto, auch wenn es hier nur 49 zinnoberrote Torii gibt. Jedes einzelne markiert eine Grenzlinie (Kekkai) zwischen säkular und heilig. Wie bei den meisten Schreinen ist das Gelände frei zugänglich, und aufgrund seiner Abgelegenheit ist dieser im Wald versteckte Schrein völlig untouristisch.
Um den Ort des Schreines ranken sich Legenden. Hier soll in der Nähe einst ein geheimes Kriegerdorf (Kakurezato) gelegen haben, deswegen wird der Wald auch Ninja-Wald genannt. Das beruht auf einer Beschreibung des Historikers Shimizu Ginzou, der hier ein solches Dorf lokalisiert, abgelegen vom Rest der Stadt und leicht zu verteidigen, und im Zweifelsfall waren die Bewohner als Kämpfer zu mobilisieren, sind quasi Vorläufer der späteren Ninja gewesen. Der Wahrheitsgehalt dieser Legende ist äußerst strittig, zumal es keinerlei Belege in den offiziellen geschichtlichen Akten gibt. Aber mystische Orte werden eben durch solche Erzählungen als noch mystischer empfunden, auch wenn bei näherem Hinsehen nichts Wahres dran ist.
Der Weg zum Schrein wird überdacht von unzähligen zinnoberrot gestrichenen Torii und roten Bannern. An den Pfostensockeln begegnen uns bereits die ersten Porzellan-Füchse. Die Anlage ist dem Kami namens Inari gewidmet bzw. der mythologischen Gottheit Uka-no-Mitama. Damit gehört er zu einer der häufigsten Gattungen von Shinto-Schreinen, denn mit ca. 32000 Schreinen bildet der Inari-Kult ein Netzwerk über ganz Japan. Bei Inari handelt es sich um einen der populärsten Kulte Japans. Die Gottheit Inari als alte Reisgottheit stand früher für guten landwirtschaftlichen Erfolg und erfolgreiche Ernte, für Lebensunterhalt und Sicherung des Überlebens; übertragen auf die heutige Welt steht Inari-daimyo-jin für gute Geschäfte und gutes Einkommen und wird deshalb auch in der heutigen Welt verehrt und geschätzt. Aus einem Fruchtbarkeits-Kami hat sich ein Gott entwickelt, der nicht nur für Landwirtschaft, Reis, Tee, Sake zuständig ist, sondern auch für Industrie, Wohlstand, wirtschaftlichen und geschäftlichen Erfolg. Es gibt verschiedene Erklärungen des Namens: a) Inari = Kurzform von "Ine ni naru" = Reis ernten, b) Inari = Kurzform von "Ine ga narimashita" = es ist Reis gewachsen. Wie auch immer, zentraler Begriff ist "Reis".
Typisch für diese Inari-Schreine ist das Vorkommen der Fuchsstatuen (Fuchs = Kitsune), denn die Gottheit Inari hat Füchse als Botentiere (Shinshi, Kenzoku). Diese Füchse in Form kleiner Keramiken aus bemaltem Porzellan sind auf dem Gelände allgegenwärtig, es gibt nicht nur Hunderte, sondern Tausende davon, in Gruppen auf kleinen Lichtungen zusammengestellt. Als Shinshi sind die Inari-Füchse in der Vorstellung der Gläubigen nicht rostrot wie natürliche Füchse, sondern weiß, denn es sind ja keine weltlichen Füchse, sondern solche in göttlichem Auftrag, und solche sind weiß oder transparent und damit unsichtbar. Und diese Darstellungen haben alle eine Schwanzspitze, die zu einem Wunschjuwel geformt ist. Die eine Vorderpfote ist meist erhoben, die andere hält ein Wunschjuwel. Ein solches Wunschjuwel ist übrigens auch auf den roten Bannern abgebildet. Manchmal tragen die größeren Füchse aus Stein ein rotes Lätzchen; das hat eine gewisse Parallelität zu den populären Jizo-Figuren. Der Fuchs als intelligentes Tier mit einer Portion Schläue und Gewitztheit paßt nicht schlecht zu einem Schrein, in dem eine Göttin des Wohlstands und in moderner Interpretation geschäftlichen Erfolgs verehrt wird.
Im Fall dieses Schreines gibt es eine spezielle, unbelegte Gründungslegende: Minamoto no Yoritomo hatte während seiner Zeit im Exil auf der Insel Hirugako-jima in Izu einen Traum, in dem ihm ein weißer Fuchs als Botentier dieses Inari erschien und ihm die beste Zeit für einen Angriff auf den Gegenspieler-Clan, die Heike (Taira), mitteilte. In einer anderen Version war es ein alter Mann namens Okina, der aus jenem geheimen Dorf kam und Yoritomo in drei aufeinanderfolgenden Nächten im Traum erschien und ihn ermunterte, eine Armee aufzustellen und die Heike auszuschalten. Der Träumer folgte diesem Rat, siegte über die Heike und gründete das Kamakura-Shogunat. Zum Dank ließ er im Jahre 1195 den Sasuke-Inari-Schrein errichten. Dieser Legende nach soll der Name des Schreins entstanden sein aus den Kanji Sa = Hilfe und Suke-dono, seinem Kindheitsnamen. Auch das ist vermutlich eine nachträglich konstruierte Erklärung. Denn daß der Schrein tatsächlich so alt sein soll, darf angezweifelt werden. Eine gute Legende ist schon immer eine gesunde Basis für ein Geschäftsmodell gewesen. Tatsache ist hingegen, daß der Schrein 1418-1909 unter der Oberhoheit des Tsurugaoka Hachimangu stand und danach selbständig wurde.
Jeder, der sich Erfolg bei einer Aktion oder einem Vorhaben wünscht, betet hier unter Hinterlassung eines neuen Porzellan-Fuchses. Sie stehen überall, an Steinlaternen, an den Sockeln der großen steinernen Füchs, in Höhlungen des Hanges, in den Zwischenräumen steinerner Brüstungen, an den Fundamenten der Torii, an steinernen Miniatur-Schreinen (Hokora) oder einfach im Laub etc. Die Schreingebäude selbst, also der Haiden für die Gebete und der dahinterliegende, 1895 errichtete Honden mit ein paar schönen Schnitzereien, sowie das relativ neue Schreinbüro (Shamusho) mit dem Devotionalienverkauf, sind wenig spektakulär, visuell beeindruckend ist die Fülle an Torii und Fuchs-Statuetten im Wald, in Kombination mit der feuchten Atmosphäre und den bemoosten Steinen und Steinlaternen. Und die leuchtend weißen Porzellanfigürchen, mal säuberlich aufgereiht, mal einfach wild durcheinander geschüttet, und die knallroten Banner kontrastieren auf surreale Weise mit der feucht-modrigen, von Braun- und Grüntönen geprägten Atmosphäre des Ortes. Glänzende Neuware kontrastiert mit dem Holzbauten in feuchter Umgebung immer innewohnenden Verfall. Hier gibt es auch eine heilige Quelle (Reiko-sen) in einer Höhle hinter dem Schreinbüro. Davor ist eine kleine Holzhütte gebaut worden, in deren Regalböden sich weitere Hundertschaften von Füchsen aufreihen. Besucher nehmen eine kleine Menge dieses Wassers mit nach Hause, um es dort als Opfer darzubringen, um Glück und Erfolg zu erlangen. Ema, Omamori und Omikuji gibt es freilich auch am Schreinbüro, und die Ema bilden natürlich ebenfalls weiße Füchse und rote Torii ab, andere wiederum kleine niedliche Haustiere. Interessanterweise gibt es in einem am Eingang gelegenen hölzernen Schrein auch eine Edo-zeitliche Figur einer elfgesichtigen Kannon, die jedes Jahr am 18. Mai öffentlich gezeigt wird. Sie wird verehrt, um gute Beziehungen aufzubauen, also Partnerschaften herbeizuführen. Manchmal hängen Besucher den aufgestellten Füchsen auch einen Zettel mit ihrem Wunsch um.
Literatur,
Links und Quellen
Lokalisierung auf Google maps:
https://www.google.de/maps/@35.3243563,139.5392833,19z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@35.3243309,139.5392492,112m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
der Schrein auf Wikipedia: https://en.wikipedia.org/wiki/Sasuke_Inari_Shrine
auf Kamakura-Guide: https://kamakuraguide.com/en/kamakura-station-west/sasuke-inari-jinja-kamakura/
auf Kanpai-Japan: https://www.kanpai-japan.com/kamakura/sasuke-inari
Sasuke-Inari-Jinja: https://web.archive.org/web/20120304155122/http://www.asahi-net.or.jp/~qm9t-kndu/sasuke.htm
Mariko Miki, Sae Yamane: Kamakura & Enoshima: A Japan Guide
to Nature, Culture, and Community, LOCAL FOCUS Vol. 1, Verlag:
The Blue Co. Ltd, 2. Auflage 2019, 212 S., ISBN-10: 4991060516,
ISBN-13: 978-4991060519 S. 101
auf Kamakura Today: https://kamakuratoday.com/e/spot_sasukeinari.html
Webseite des Schreins: https://www.sasukeinari.jp/
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