Bernhard Peter
Shinto-Schreine: Kyoto, Ryozen Gokoku Jinja


Der Schrein Ryozen Gokoku jinja befindet sich in Higashiyama, im Stadtteil Seikanji. Die Adresse lautet: 1 Ryozen-cho, Seikanji, Higashiyama-Ku, Kyoto 605-0861. Von der Hauptverkehrsachse Higashi Oji Dori, wo auch die Bushaltestellen der Linien 206 und 207 sind, gelangt man über die Ishin-no-michi zum Schrein: Wo rechts der am Ende steil ansteigenden Straße Kodai-ji Minami Monzen-dori die große Baustelle für das Geschichts-Museum (Ryozen Rekishikan) liegt, geht es ein Stück weiter bergauf links zum Schrein, kurz bevor die Straße nach Süden abknickt. Der Schrein liegt am Hang oberhalb der riesigen und weithin sichtbaren Figur der Ryozen Kannon. Vom Schreingelände hat genießt man einen guten Blick über Kyoto mit Yasaka-Pagode im Vordergrund. Der Schrein selbst besteht aus Heiden (Opferhalle), Haiden (Andachtshalle) und dem für Besucher unzugänglichen Honden (Heiligtum für die Kami) hinter dem Zaun.

An diesem Schrein werden die Helden Japans verehrt, insbesondere die aus der Zeit des Bakumatsu (1853-1867, zwangsweise Öffnung Japans, Zeit innerer Unruhen) und der Meiji-Ishin (Meiji-Restauration 1868, Abschaffung des Shogunats). Der Friedhof des Higashiyama Ryosen enthält Gräber von 1356 Royalisten, die in den letzten 15 Jahren des Tokugawa-Shogunats den Tod fanden. Ganz besonders wird an diesem Schrein zweier Helden gedacht, die nebeneinander auf dem Schreingelände beerdigt sind:

Sakamoto Ryoma (Ryouma) war ein Wegbereiter der Meiji-Restauration und gilt als Nationalheld. Er stammte aus einer Goshi-Familie (Goushi, rangniedrige Landsamurai, unabhängige Bauernkrieger) und hieß eigentlich Naokage, später Naonari und war auch unter dem Namen Saidani Umetaro (Umetarou) bekannt. Er stammte aus Kochi, damals Teil des Fürstentums Tosa, und lebte vom 3.1.1836 bis zum 10.12.1867. Er wurde in seiner Jugend einer der besten Schwertkämpfer Japans, wurde aber formal zum Ronin. Zusammen mit Katsu Kaishu gründete er in Kobe eine Marineakademie und leitete sie. Politisch strebte er eine schnelle Modernisierung an, damit Japan nicht durch ungleiche Verträge zur Kolonie ausländischer Mächte wurde. Dafür gründete er 1866 eine militärische Allianz zum Sturz des Shogunats. Allerdings nahm er von einer militärischen Lösung wieder Abstand und entwickelte als Manifest der Bewegung das 8-Punkte-Programm (Senchu Hassaku), das eine Abschaffung des Shogunats, die Einführung eines Parlamentes und eines Rätesystems vorsah. Auch wenn Sakamoto Ryoma am 15.11.1867 in Kyoto im Alter von 31 Jahren ermordet wurde, war seine Forderungsliste von großem Einfluß auf die letztlich durch den Boshin-Krieg erst ausgelöste Meiji-Restauration. Nach ihm wurde 2003 der Flughafen von Kochi in Kochi-Ryoma-Flughafen umbenannt.

Nakaoka Shintaro (Shintarou) war ein enger Vertrauter und Mitstreiter des vorerwähnten Sakamoto Ryoma. Er stammte wie dieser aus dem Fürstentum Tosa, wurde am 6.5.1838 in Kochi geboren und wurde ebenso ein bedeutender Schwertkämpfer. Er gründete einige paramilitärische Einheiten, war Mitglied im Tosa Kinno-to und war an der militärischen Allianz zum Sturz des Shogunats beteiligt und wurde 1867 zusammen mit Sakamoto Ryoma im Kawaramachi-Bezirk von Kyoto in einem Gasthaus ermordet, erst 29 Jahre alt. Weitere auf dem angrenzenden Friedhofsgelände begrabene Patrioten jener Zeit sind Kido Takayoshi, Umeda Unpin, Maki Izumi, Hirano Kuniomi, Hashimoto Sanai und Rai Mikisaburo.

Deshalb handelt es sich auch baulich um einen relativ jungen Schrein: Das Gelände des Ryozen gehörte eigentlich früher zum Tempel Jishu Shobo-ji. Im Jahre 1809 erwarb der am kaiserlichen Hof unter Kaiser Kokaku (1779-1817) beschäftigte Murakami Kuniyasu das Gelände, um hier Shinto-Begräbnis-Rituale durchzuführen, im Grunde gegen das Gesetz, daß Begräbnisse nur von buddhistischen Tempeln durchzuführen seien. Der Reimei-Schrein entstand zunächst, und Murakami Kuniyasu wurde der erste Priester. Da der Buddhismus von kaisertreuen Patrioten als ursprünglich landesfremd angesehen wurde, war dieser Shinto-Totenkult zugleich ein Bekenntnis zum Kaisertum und gegen Überfremdung und Inbesitznahme des Landes durch ausländische Mächte, und damit begann die Nähe zu den Restaurationsbefürwortern und der Sonno-joi-Bewegung. 1862 fanden erste Begräbnisse statt. 1868 wurde der Shokonsha-Schrein auf dem Friedhof des Reimei-Schreines gegründet. 1877 wurden weite Teile des Reimei-Schreines und des Friedhofes vom Staat übernommen. Später wurde der Shokonsha-Schrein in Kyoto Ryozen Gokoku jinja umbenannt. In den Jahren 1878 und 1929 wurde der Schrein jeweils renoviert. Die Festlichkeiten des Schreines orientieren sich an wichtigen Jahrestagen der Ereignisse der 1850er und 1860er-Jahre. Am 15.11. findet ein Ryoma-Festival statt. Dieser Schrein ist insofern der Ursprung des Yasakuni-Schreins in Tokyo, weil der dortige Shokonsha-Schrein im Kudan-Distrikt die göttlichen Geister der Shokonsha- und Reimei-Schreine in Kyoto übernahm und der Shokonsha-Schrein in Tokyo später in Yasakuni-Schrein umbenannt wurde.


Blick von Süden auf die klassisch konzipierte Andachtshalle zwischen den Flügelbauten.

Blick durch die Andachtshalle hindurch, im Hintergrund die zum eigentlichen Heiligtum führenden Stufen.

Blick in den unzugänglichen Bereich im Westen des Hauptheiligtums

Blick in den unzugänglichen Bereich, rechts im Hintergrund das Hauptheiligtum

Gespendete Sake-Fässer, Omiki

An dem Honden sehen wir zwei typische Merkmale der Shinto-Architektur: Katsuogi = Kasoegi = Querbalken auf dem Dachfirst, ursprünglich zur Beschwerung des Reets, danach nur noch symbolisch. Diese kleinen Querbalken liegen waagerecht oben auf dem Firstbalken quer zu diesem, wie bei einer Leiter mit nur einem Mittelholm. Querschnitt meistens rund und beiderseits nach außen etwas konisch verjüngt, außer beim Sumiyoshi- und Otori-Typ, dort rechteckig. Sind immer vorhanden bei den Grundtypen Shinmei-zukuri, Kasuga-zukuri, Sumiyoshi-zukuri und Taisha-zukuri. Ursprünglich ein Merkmal kaiserlicher Palastarchitektur, dann von den mächtigsten Familien für ihre Häuser mit kaiserlicher Erlaubnis übernommen, schließlich in der Schreinarchitektur angekommen. Die Reihe beginnt in der Regel erst hinter den Chigi. Die Anzahl variiert. Bei hochangesehenen Schreinen werden die Enden mit bronzenen, kupfernen und/oder vergoldeten Kappen zum Schutz vor Verwitterung versehen.

Chigi = Giebelschmuck in Form zweier schräggekreuzter Bretter, typisches Merkmal einer Shinto-Architektur. Kommen standardmäßig vor bei den Grundtypen Shinmei-zukuri, Kasuga-zukuri und Taisha-zukuri. Sie gehen zurück auf den jeweils verlängerten Ortgang, aber die konstruktive und das Schilf oder Reet fixierende Funktion ging verloren. Sie sitzen nun wie Dachreiter auf dem First und nicht mehr notwendigerweise ganz am Ende des Daches. Zwei Löcher für den Wind und eine Endkerbe können eingeschnitten sein wie hier zu sehen ist. Besagte Löcher und Kerben können dekorativ mit Metall eingefaßt sein. Die Gestalt zeigt an, ob hier ein männliches oder weibliches Wesen verehrt wird: männlich = vertikaler Schnitt kappt das Brett (so in diesem Fall), weiblich = horizontale Endabschrägung.


Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf google maps: https://www.google.com/maps/@34.9998665,135.7828747,20.25z?hl=en - https://www.google.com/maps/@34.9998665,135.7828747,109m/data=!3m1!1e3?hl=ge
Ernst Lokowandt: Shinto - Eine Einführung. Publikation der OAG Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens, Tokyo 2001, 117 S., Verlag Iudicium 2001, ISBN-10: 3891297270, ISBN-13: 978-3891297278
Joseph Cali, John Dougill: Shinto Shrines - a Guide to the Sacred Sites of Japan's Ancient Religion, 328 S., University of Hawaii Press 2012, ISBN-10: 0824837134, ISBN-13: 978-0824837136
Suzanne Sonnier: Shinto, Spirits, and Shrines - Religion in Japan, Lucent Books 2007, ASIN: B00FAWMA88
Kenji Kato: Shinto Shrine, Bilingual Guide to Japan, Nippan Verlag 2017, 128 S., ISBN-10: 4093884781, ISBN-13: 978-4093884785
John H. Martin, Phyllis G. Martin: Kyoto - 29 Walks in Japan's Ancient Capital, 376 S., Verlag: Tuttle Pub. 2011, ISBN-10: 4805309180, ISBN-13: 978-4805309186, S. 39-40
Ryozen Gokoku jinja:
https://en.wikipedia.org/wiki/Kyoto_Ryozen_Gokoku_Shrine - http://www.gokoku.or.jp/en/ - http://www.japanvisitor.com/japan-temples-shrines/kyoto-ryozen-gokoku-shrine - http://www.greenshinto.com/wp/2015/09/17/ryozen-gokoku-shrine-kyoto/ - http://okinawa.stripes.com/news/kyotos-hidden-samurai-stories-finding-ryoma-hereafter
Bakumatsu:
https://en.wikipedia.org/wiki/Bakumatsu - https://de.wikipedia.org/wiki/Bakumatsu
Meiji-Restauration:
https://en.wikipedia.org/wiki/Meiji_Restoration - https://de.wikipedia.org/wiki/Meiji-Restauration
Sakamoto Ryoma (Ryouma):
https://en.wikipedia.org/wiki/Sakamoto_Ry%C5%8Dma - https://de.wikipedia.org/wiki/Sakamoto_Ry%C5%8Dma - http://www.ndl.go.jp/portrait/e/datas/89.html
Nakaoka Shintaro (Shintarou):
https://en.wikipedia.org/wiki/Nakaoka_Shintar%C5%8D - http://www.ndl.go.jp/portrait/e/datas/149.html
Japanische Architektur auf JAANUS:
http://www.aisf.or.jp/%7Ejaanus/deta/k/katsuogi.htm - http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/c/chigi.htm


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