Bernhard
Peter
Kyoto:
Otoyo jinja
Lage,
Erreichbarkeit und Touristisches
Der Otoyo jinja (Outoyo jinja)
gehört zum Gesamtkomplex entlang des Philosophenweges (Tetsugaku
no michi), einer der am stärksten touristisch frequentierten
Route in Kyoto (Adresse: 1 Shishigatani Miyanomaecho, Sakyo-ku,
Kyoto-shi). Die zurückgesetzte Lage zwischen dem meist
geschlossenen Reikan-ji und dem Eikando, einem Höhepunkt der
Higashiyama-Tempelroute, schützt ihn aber ein wenig davor, daß
über kurz oder lang fast jeder Besucher der anderen
Sehenswürdigkeiten am Philosophenweg hier vorbeischaut, weil die
Massen den unscheinbaren Zugang übersehen oder den Schrein zu
Unrecht für vernachlässigbar halten. Der Schrein ist klein,
aber irgendwie malerisch durch seine Lage im dichten Grün und
durch die Atmosphäre leichter, aber noch nicht überhand
nehmender Vernachlässigung, gemischt mit wirklich liebevoll
arrangierten Details. Er hat einen leicht privaten und zugleich
etwas morbiden Charme im wuchernden Grün, und er überrascht
durch unerwartete und einzigartige Gestaltungselemente. Das
Gelände ist ohne Eintritt frei zugänglich. Meistens wird man
den Tempel im Kontext besuchen und den Philosophenweg von Norden
her ablaufen, vom Ginkaku-ji her kommend, den man gut mit dem
Raku-Bus 100 erreicht, oder aus Richtung Nanzen-ji, den man gut
über den U-Bahnhof Keage erreicht. Wenn man jedoch gezielt nur
zum Otoyo jinja möchte, bieten sich ab JR Hauptbahnhof die
Bus-Linien an, siehe bei den Kapiteln zum Reikan-ji, zum
Shinnyodo oder zum Kumano Nyakuo jinja.
Geschichte
und Bedeutung
In diesem 887 gegründeten und
damals für die Genesung von Kaiser Uda gebauten Schrein werden
hauptsächlich Sukunahikona no Mikoto, Kaiser Ojin und Sugawara
no Michizane verehrt, eine höchst ungewöhnliche Dreiheit, wobei
letzterer eine spätere Hinzufügung ist. Sukunahikona no Mikoto
soll in einer Vision erschienen sein und bedeutet haben, daß der
zu den 36 Hügeln von Higashiyama gehörende 15. Hügel
Tsubakigamine ("Kamelien-Gipfel") verehrt werden solle,
um die Genesung vion Kaiser Uda zu befördern. Es funktionierte
anscheinend, und nun ist dieser Hügel der Goshintai des
Schreines. Entsprechend ist die Kamelie eine heilige Pflanze
dieses Schreins. An einem Nebenschrein wird Okuninushi-no-mikoto
verehrt.
Rundgang
und Beschreibung
Ein langer Weg führt am
bemoosten Reinigungsbecken (Temizuya) vorbei zum versteckt hinten
liegenden Schrein, und wenn man hinter dem grauen Torii den
Hauptplatz erreicht hat, sind die Gebäude sehr überschaubar in
Anzahl, Arrangement und Größe. In der Mitte steht frei der
Haiden, die Anbetungshalle, die erst kürzlich ein neues Dach
bekommen hat. Am hinteren Rand des Hauptplatzes führen neun
Stufen hoch zu einem weiteren grauen Torii, hinter dem man eine
erhöhte Terrasse mit mehreren Schreinaltären betritt. Der
wichtigste Honden ist kenntlich an den vielen dort aufgebauten
Votivgaben, meistens Sake-Flaschen mit Beschriftung davor. Über
dem Schrein im klassischen Stil Nagare-zukuri wurde ein
zusätzliches Schutzdach gebaut. Dieser Schrein steht genau so,
daß er auf den Gipfel des Hügels Tsubakigamine ausgerichtet
ist. Vor dem Hauptgebäude stehen eine Kirsche und eine Pflaume,
die sich im Frühjahr in der Blütezeit ablösen, beides alte und
große Bäume mit hängenden Ästen. Zu den bemerkenswerten
Bäumen gehört auch eine große Zeder, mit einem Shimenawa als
heilig gekennzeichnet. Viele der Pflanzen auf dem Gelände haben
Beschriftungstafeln, leider nur japanisch. Dennoch lohnt ein
Rundgang mit Blick nur auf die Vielfalt der Pflanzen. Zu den
bemerkenswerten und liebevollen Details dieses Schreines gehören
die Mäuse. Hat man die ersten entdeckt, begegnen sie einem
überall: In Form kleiner Tonfiguren, auf die Ema
(Wunschtäfelchen), in Form auf Sockel postierter Wächter vor
einem der kleinen Schreinaltäre.
Das mit den Mäusen hat folgenden mythologischen Hintergrund: Hier wird Okuninushi-no-mikoto verehrt. Dieser war verliebt in Prinzessin Suseri, die Tochter des Sturmgottes Susanoo, ein großer Fehler. Er versuchte, beim Vater die Zustimmung zur Heirat zu erhalten, wurde aber von diesem mit dem Vorwand der Suche nach einem verschossenen Pfeil in ein Feld mit hohen trockenen Halmen gelockt, wo er bald von Flammen umgeben seinem Ende entgegen sah, denn der Schwiegervater in spe hatte das Feld ringsum anzünden lassen. Es war eine Maus, die Okuninushi rettete: Sie führte ihn zu einem unterirdischen Versteck und brachte ihm nach dem Ende des Feuers den gesuchten Pfeil. Die Mäuse, die seinen Schrein bewachen, werden heute aus anderen Gründen aufgesucht: Von der einen Maus, derjenigen mit dem in Stroh eingeschlagenen Sake-Behälter o.ä., erwartet man traditionellHilfe für eine gute Ernte und heute bei der Kindergeburt, von der anderen Maus, der mit der Schriftrolle in den Vorderpfötchen, erwartet man Hilfe beim schulischen und universitären Erfolg und beim Lernen allgemein. Deshalb suchen sowohl werdende Familien als auch lernende Jugendliche den Schrein gerne auf. Ein weiterer Höhepunkt des Kultes an diesem Schrein ist natürlich, wenn das Jahr der Ratte beginnt, und auch die in einem Jahr der Ratte geborenen Menschen suchen den Schrein gerne auf (in der Kalender-Mythologie wird nicht zwischen Maus und Ratte unterschieden). Statt der üblichen Koma-inu (Hunde) gibt es hier also Koma-nezumi (Mäuse). Die beiden großen Mäuse vor dem Schreinaltar (Daikoku-sha) wurden 1969 aufgestellt. Sie werden auch mit ihren charakteristischen Attributen auf den Ema dargestellt (Nezumi no ema).
Wenn man sich genauer auf dem Gelände umschaut, findet man bei den anderen Schreinen aber noch mehr in Stein gehauene Tiere, Füchse (Koma-kitsune) vor dem Inari-Schrein, eine relativ neu hinzugefügte Schlange (Hebi), einen Affen (Saru, Koma-zaru) mit Fächer in der Linken, Sanbaso tanzend, beim Hiyoshi Yashiro (Hiyoshi-Schrein) sowie einen Adler (Tonbi, Koma-Tobi) beim Atago Yashiro (Atago-Schrein, Atago no kami = Schutzgott gegen Feuer, Hi no kami). Der Atago-Schrein und der Hiyoshi-Schrein stehen zusammen für die beiden größten Berge im Nordwesten und im Nordosten von Kyoto, Berg Atago und Berg Hiei. Die erwähnte Schlange hat auch einen Bezug zu Okuninushi-no-mikoto, denn vor der hinterhältigen Sache mit dem Feuer hatte ihn der Schwiegervater in spe bereits anders auf die Probe gestellt: Okuninushi-no-mikoto mußte eine Nacht in einem Raum voller Schlangen verbringen, was er nur dank eines scharfen Messers überlebte, das ihm seine Geliebte vorher zugesteckt hatte. Echte Komainu gibt es natürlich auch, insgesamt finden wir entlang des Sando drei unterschiedliche Paare, neben einigen eigenwillig gestalteten Steinlaternen.
Literatur,
Links und Quellen
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@35.0184074,135.7959419,18.25z - https://www.google.de/maps/@35.0183451,135.7961177,74m/data=!3m1!1e3
Auf Kyotofukoh: https://kyotofukoh.jp/report227.html
Auf Japan Shrines Temples: https://japanshrinestemples.blogspot.com/2014/03/otoyo-jinja-kyoto.html
Auf Japan-Kyoto: https://japan-kyoto.de/otoyo-schrein-philosophenweg-kyoto/
Auf Inside Kyoto: https://www.insidekyoto.com/walking-the-path-of-philosophy
Auf Trip Kyoto: http://eng.trip.kyoto.jp/spot/db/ootoyojinja/
Auf Gaijinpot: https://travel.gaijinpot.com/otoyo-shrine/
Auf Green Shinto: https://www.greenshinto.com/wp/2014/05/19/otoyo-shrine-kyoto/
Ian Littlewood, Ayumi Oe Littlewood: Kyoto Without Crowds, A
Guide to the City's Most Peaceful Temples and Gardens, 264 S.,
CreateSpace Independent Publishing Platform, 1. Auflage 2018,
ISBN-10: 1978158998, ISBN-13: 978-1978158993, S. 108-109
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