Bernhard
Peter
Kyoto:
Hachidai jinja
Lage und
Erreichbarkeit
Der Hachidai jinja ist ein sehr untouristischer Shinto-Schrein im
Nordosten von Kyoto im Stadtviertel Ichijoji (Adresse: 1 Ichijoji
Matsubaracho, Sakyo-ku, Kyoto-shi). Die großräumige
Verkehrsanbindung erfolgt über den Bahnhof Ichijoji der Eizan
Line, von da sind es 650 m zu Fuß bis zum Schrein. Vom
Hauptbahnhof gibt es mehrere Möglichkeiten: Zum einen kann man
mit der U-Bahn der Karasuma Line bis zur Station Kokusaikaikan
fahren und dort den Bus Nr. 5 in Richtung Kyoto Eki mae bis zur
Haltestelle Ichijoji Sagarimatsucho nehmen. Oder man nimmt gleich
ab Hauptbahnhof den Bus Nr. 5 nach Iwakura Soshajo bis zur
Haltestelle Ichijoji Sagarimatsucho, ohne Umsteigen, aber
zeitlich länger. Alternativ kann man mit der U-Bahn der Karasuma
Line bis zur Station Kita-Oji fahren und ab der Haltestelle
Karasumakitaoji den Bus Nr. 8 nehmen in Richtung Otsu, gleiche
Zielhaltestelle. Wer mit Keihan anreist, nimmt die Main Line bis
zum Endbahnhof Demachiyanagi und steigt dort in einen beliebigen
Zug der Eizan Line um und fährt bis zum Bahnhof Ichijoji. Da man
den Schrein aber meistens im Verbund mit anderen
Sehenswürdigkeiten (Sekizan Zen-in, Shugakuin-Villa, Saginomori
jinja, Manshu-in, Enko-ji, Nobotokean, Shisendo und Konpuku-ji)
besucht, beginnt man entweder im Süden über den Bahnhof
Ichijoji und fährt im Norden über den Bahnhof Shugakuin zurück
oder umgekehrt.
Der Hachidai jinja liegt östlich des Tempels Shisendo; man erreicht ihn, indem man zwischen den Eingängen von Shisendo und Nobotokean die Straße ein Stück weiter bergan geht und direkt danach rechts in den kleinen Wald abbiegt. Der Weg biegt vor dem Schreinbüro wieder 180 Grad nach links, dann gelangt man über eine kleine Treppe auf die Ebene der Schreingebäude mit dem höher gelegenem Heiligtum selbst. Der kleine Hachidai jinja ist trotz seiner keine Überraschungen bietenden Architektur ein überraschend schöner und stimmungsvoller Schrein und dazu touristenfreie Zone.
Geschichte
und Bedeutung
Der Schrein wurde 1294 während der Kamakura-Zeit gegründet.
Früher war der Schrein Teil eines Systems von insgesamt 12
Schreinen, die die Hauptstadt und vor allem den Kaiserpalast aus
allen Himmelsrichtungen beschützten; er war für die
Nordrichtung zuständig und wurde auch "nördlicher
Gion-Schrein" ("Kita no Gion sha") oder auch
"Kita-tenno" genannt, entsprechend der nördlichen
Schutzgottheit für den Kaiserpalast. Ein weiterer Name ist
"Hachi dai Tenno". Im Onin-Krieg (1467-1477) wurde der
Schrein völlig zerstört; der Wiederaufbau erfolgte 1596 in der
Azuchi-Momoyama-Zeit. Während der frühen Edo-Zeit wurde der
Schrein durch Kaiser Go-Mizuno-o finanziell gefördert. Die
heutigen Gebäude sind relativ neu und stammen aus der
Meiji-Zeit; das Hauptheiligtum (Honden) wurde sogar erst 1926 neu
errichtet.
Die hier verehrte Hauptgottheit ist Susano-o-no-mikoto, daneben werden seine Frau und seine Kinder verehrt, Kushinada-hime-no-mikoto und Hachioji-no-mikoto (die acht Prinzen). Susano-o ist im Shintoismus der Kami des Windes und des Meeres. Außerdem gilt der wegen seiner Streiche aus dem Himmel (Takamanohara) verbannte Sohn von Izanagi und Izanami als Bruder der Sonnengöttin Amaterasu und des Mondgottes Tsukuyomi no Mikoto. In Kyoto wird er an mehreren Schreinen verehrt, zusammen mit seiner Frau und auch mit seinen Kindern. Die Götter wurden früher angebetet, um Schutz vor Unbill aller Arten zu bekommen. Die Verehrung der Götter hat sich auch hier dahingehend gewandelt, daß man hier vorrangig für Glück und Erfolg in vielen Lebenslagen betet, von Geschäften über Ausbildung bis zur Ehe.
Rundgang
und Beschreibung
Der eigentliche Hauptschrein ist der Hachidai-jinja. Der Haiden
mit geschwungenem Giebel ist über ein Zwischenstück mit dem
Honden verbunden; seitliche bedachte Zäune schirmen letzteren
vom Besucherverkehr ab. Linkerhand steht ein kleines Gebäude mit
einem Stück Baumstamm (Sagarimatsu, matsu = Kiefer), welcher von
einem Seil (Shimenawa) mit Zickzack-Papierstreifen umwunden ist,
links vor dem Gebäude am Geländeabsatz eine 2002 aufgestellte
Bronzestatue (Miyamoto musashi-zo) auf einem Felsblock.
Gelegenheit, sich im nachfolgenden dritten Abschnitt an einen der
berühmtesten Schwertkämpfer der japanischen Geschichte zu
erinnern. Im Hachidai jinja sind die beiden verwendeten
Kamon-Symbole allgegenwärtig, einerseits die drei
fischblasenartigen Formen im Dreipaß, andererseits die
Melonenblüte. Beide zusammen werden auf den Papierlaternen, auf
den Omamori-Säckchen etc. dargestellt.
Seitlich stehen mehrere kleine Zweigschreine; die ganze Gruppe besteht aus Stellvertretern ("Ablegern") der Schreine Kamo, Odai, Sekizan, Kibune, Kasuga, Suwa, Kamado, Hachiman, Hiyoshi etc. Durch Zusammenlegungen mit kleineren Schreinen sind auf dem Gelände etliche weitere Kami vertreten. Östlich (rechts vom Hauptschrein) gibt es noch im Eck der erhöhten Ebene den Kotaijingu-sha (Koutaijinguu-sha) als Nebenschrein und noch weiter östlich tief im Wald den Schrein Tokiwa-inari-jinja (Zugang von der Straße ein Stück weiter den Berg hoch), ein kleiner Schrein innerhalb eines mit zinnoberfarbenem Zaun abgesperrten Rechtecks mit großem Torii. In dem heiligen Wald, durch den der Sando zum Schrein führt, ist eine besondere Kirsche bemerkenswert, die als Naturdenkmal eingestufte Usuzumi Sakura.
Bezug zu
Miyamoto Musashi
Unter besagter Kiefer
(Sagarimatsu) hat sich 1604 Miyamoto Musashi westlich des
Schreins nach des ehemaligen Tempels Ichioji mit Yoshioka Ichimon
duelliert. Beides sind klingende Namen in der Welt des
japanischen Schwertkampfes. Miyamoto Musashi (1584-13.6.1645, =
Shinmen Takezo = Miyamoto Bennosuke) war ein berühmter
Schwertkämpfer, dessen 61 gewonnene Duelle ohne Vergleich sind,
die in Kriegen getöteten Gegner nicht eingerechnet. Im Alter von
nur 13 Jahren hatte er sein erstes Duell, gegen Arima Kihei von
der Kampfschule Kashima Shintou-ryuu, Fechtmeister bei Tokugawa
Ieyasu. Es endete tödlich für den Gegner, weil er das
jugendliche Gegenüber, der in der Wahl seiner Mittel nicht
zimperlich war, völlig unterschätzt hatte. Im Alter von 15 oder
16 Jahren zog Bennosuke von Zuhause aus und begab sich auf
Wanderschaft. Da er ohne Dienstherrn war, hatte er die Stellung
eines Ronin, während er auf "Duell-Pilgerschaft" war.
Drei Jahre nach seinem ersten Duell tötete er einen bekannten
Krieger aus Tajima, Akiyama, im Duell. In den
Auseinandersetzungen zwischen den Tokugawa und den Toyotomi stand
er auf der Seite der westlichen Allianz; er überlebte schwer
verletzt. 1604 tauchte er in Kyoto auf und kämpfte gegen die
Yoshioka-Brüder (s. u.). Musashi wurde später Begründer einer
eigenen Schwertkampfschule des Namens "Niten Ichi-ryu (Niten
Ichi-ryuu)" Das bedeutet: Ni = zwei, ten = Himmel, ichi =
eins, ryuu = Schwertschule. Damit ist eine Technik gemeint,
gleichzeitig mit Katana und Wakizashi zu fechten, also das
jeweilige Fechten mit Langschwert und Kurzschwert zu einem
einzigen koordinierten Bewegungsablauf zu verschmelzen - es war
damals ein Novum, mit beiden Schwertern gleichzeitig zu kämpfen,
vielmehr nutzte man das Katana als Anderthalbhänder. Die
Vorteile dieses zunächst unorthodoxen Stils hatte er bei dem
Kampf gegen den letzten Yoshioka 1604 und seine Krieger erfahren
und machte dieses Element zum Kernpunkt seiner neuen Technik.
Sein letztes, wichtigstes und berühmtestes Duell war das gegen
Sasaki Kojirou, den "Dämon der westlichen Provinzen",
im Jahre 1612 in Mukojima (Funajima) bei Kokura. Musashi gab nach
diesem im Alter von 29 Jahren errungenen Sieg über einen
ebenbürtigen Gegner das aktive Duellieren auf und focht nie
wieder aus freien Stücken einen Zweikampf aus. Daneben war
Musashi auch noch Stratege, Philosoph, Künstler und Autor des
"Buches der Fünf Ringe" (Go-rin-no-sho), das er kurz
vor seinem Tod vollendete. Sein buddhistischer Name war Niten
Doraku (Niten Douraku). Nach seiner aktiven Zeit adoptierte er
einen Ziehsohn und trat zeitweise in die Dienste des Daimyo von
Kokura. Im Alter zog er sich als Eremit zurück und starb eines
natürlichen Todes im Alter von 61 Jahren.
Nun zu seinen Gegnern: Die Schwertkampfschule Yoshioka-ryu (Yoshioka-ryuu) wurde in der ersten Hälfte des 16. Jh. von Yoshioka Kenpo Naomoto gegründet. Als Fechtlehrer des 12. Ashikaga-Shoguns, Yoshiharu (reg. 1521-1545) wurde er berühmt, und auch der nachfolgende 13. Shogun, Ashikaga Yoshiteru (reg. 1546-1565) nahm dort Unterricht. Die Fechtschule, die als die beste der sogenannten "8 Kampfkunstschulen von Kyoto" (Kyo-hachi-ryuu) galt, bestand über 4 Generationen. Zu der erbitterten Feindschaft zwischen der Fechtschule einerseits und dem berühmten Schwertkämpfer Miyamoto Musashi andererseits kam es durch einen vom 13. Shogun arrangierten Wettbewerb zwischen Yoshioka Kenpo (= Yoshioka Shozaemon) und dem Vater des Helden Miyamoto Musashi, Shinmen Munisai (= Hirata Munisai = Miyamoto Muninosuke). Letzterer war ein Gefolgsmann von Mouri Taizen Tayu Motonari, Herr von Hagui. Er hatte eine eigene Fechtschule (Ryuu-ha) des Namens Tori Jitte Ryu (Touri Jitte Ryuu). Der Vater des späteren Helden verlor bei diesem Wettkampf das erste Gefecht, gewann aber die beiden nachfolgenden, insgesamt 2:1. Und dieser Sieg war die Wurzel einer tödlichen Fehde zwischen beiden Familien, der später unter ihrer beider Nachkommen ausgetragen wurde.
Der Sohn, Miyamoto Musashi, besiegte im Alter von 21 Jahren schließlich den von ihm geforderten Yoshioka Seijuro (Yoshioka Seijuurou) außerhalb des Tempels Rendai-ji in der nördlichen Vorstadt Rakuhoku am 8.3.1604. Sein Gegner wurde schwer an der Schulter verletzt und gab den Kampfsport auf. Sein Bruder übernahm die Kampfschule. Wenig später besiegte Miyamoto Musashi diesen Bruder, Yoshioka Denshichiro (Yoshioka Denshichirou), in der Nähe des Sanjusangendo. Sein Gegner starb dabei. Nachdem unser Held ein wenig später auch noch den zwar nur zwölfjährigen, aber mit einer halben Armee schwerbewaffneter Krieger erschienenen Yoshioka Matashichiro, ältester Sohn des Seijuro, in der Nähe des Tempels Ichio-ji (existiert nicht mehr, nur noch namengebend für den Stadtteil) und damit in der Nähe dieses Schreines hier getötet hatte, war die Fehde mangels Nachwuchs beendet, und die Schwertschule (Kenjutsu-ryuu) war 1604 als solche erledigt. Die beiden ersten Male kam Musashi zu spät, das dritte Mal zu früh, und so hatte er den Demoralisierungseffekt bzw. den Überraschungseffekt auf seiner Seite. Diese Geschichten wurden von einem Schüler des Schwertmeisters im "Nitenki" schriftlich festgehalten. Die letzten im Kriegshandwerk tätigen Mitglieder der Familie Yoshioka kämpften 1614 bei der Belagerung und Eroberung von Osaka auf der Verliererseite, der von Toyotomi Hideyori - Ironie der Geschichte: Miyamoto Musashi ebenfalls. Die verbliebenen Mitglieder der Familie Yoshioka waren fortan nur im Textil- und Färbegeschäft tätig.
Der Platz des Kampfes war also nicht auf dem Schreingelände, nur in der Nähe, an der ca. 100 m westlich gelegenen Straßenkreuzung, so das äußere Torii des Hachidai-Schreines steht. Heute ist das Gebiet mit Wohnhäusern bebaut, früher gehörte das Land zum Schrein. Aber Musashi soll am Tag des Duells am Schrein in der Dämmerung vorbeigekommen sein und kurz überlegt haben, ob er hier für seinen Sieg beten solle. Er war nicht auf direktem Weg zum Duellplatz gegangen, sondern hatte einen Weg weit hintenherum um den Berg herum gewählt, um keine Anzeichen seiner verfrühten Anwesenheit zu geben. Er versteckte sich hinter der alten Kiefer und beobachtete die Aufstellung und den Aufbau der ihm geltenden Falle. Den Überraschungsmoment nutzend, stürmte er plötzlich vor und köpfte er seinen Gegner und dezimierte danach die mitgekommenen Krieger um ca. ein Dutzend, ehe er im angrenzenden Wald verschwand. Um sich gegen die Übermacht zu wehren, hatte er sein zweites Schwert gezogen und so seinen neuen Kampfstil entdeckt. Die Kiefer Sagarimatsu soll bis 1945 als Baum gelebt haben. Natürlich wurde eine neue Schwarzkiefer gepflanzt, mittlerweile die vierte Generation an der Stelle, direkt gegenüber dem ersten Torii. Den Helden des Schwertkampfes sieht man nicht nur als Bronzestatue in einer Pose des Niten Ichi-ryuu, sondern auch als blau gedrucktes Motiv in Action-Pose auf den Ema des Schreines. Übrigens verwendete Miyamoto Musashi als Kamon das Motiv mit den drei in einen Kreis einbeschriebenen fischblasenähnlichen Elementen im Dreipaß, groß im Zentrum und noch achtmal klein außenherum gruppiert.
Es gibt ein wenig Verwirrung durch die Beschreibung des Schreines durch den Schwertmeister selbst, nachträglich von Toyoda Masanaga niedergeschrieben im 1755 fertiggestellten Werk "Bukoden", denn dort steht geschrieben, Musashi wäre an einem Hachiman-Schrein vorbeigekommen. Hachiman wäre aber der Kriegsgott, und einen solchen Schrein gibt es hier weit und breit nicht. Von der Beschreibung des Weges aber kann es sich nur um den Hachidai-Schrein gehandelt haben, ein Mißverständnis des Autors, denn auch wenn der Name täuscht, hier wird nicht Hachiman verehrt, sondern der Name leitet sich von Hachi-dai ab, den "acht Großen".
Hauptschrein
kleinere Schreine
Kamon des Schreins
Miyamoto Musashi und Sagarimatsu
Ema, u. a. mit Miyamoto Musashi
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@35.043729,135.7967001,20z - https://www.google.de/maps/@35.0436329,135.7967148,31m/data=!3m1!1e3
Webseite des Schreins: http://www.hatidai-jinja.com/
auf Traditional Kyoto: https://traditionalkyoto.com/temples-shrines-and-palaces/shrines/hachidai-jinja/
auf Kyotofukoh: https://kyotofukoh.jp/report212.html
auf Trip Kyoto: http://eng.trip.kyoto.jp/spot/db/hachidaijinja/
auf Japan Travel: https://japantravel.navitime.com/en/area/jp/spot/02301-1700287/
Schwertkampfschule Yoshioka-ryu https://en.wikipedia.org/wiki/Yoshioka-ry%C5%AB
Shinmen Munisai: https://en.wikipedia.org/wiki/Shinmen_Munisai
Miyamoto Musashi: https://en.wikipedia.org/wiki/Miyamoto_Musashi - https://de.wikipedia.org/wiki/Miyamoto_Musashi
Schwertkampfschule Niten Ichi-ryu: https://en.wikipedia.org/wiki/Niten_Ichi-ry%C5%AB
Die Schule heute: http://www.niten.org/english/instituto/kobudo/niten-ichi-ryu
Das Leben von Miyamoto Musashi: http://www.niten.org/english/instituto/miyamoto_musashi/musashi-biografia
auf Miyamoto Musashi: http://www.miyamotomusashi.eu/travels/sagarimatsu.html - http://www.miyamotomusashi.eu/travels/hachidai-shrine.html
Roland Habersetzer: Die Krieger des alten Japan - berühmte
Samurai, Ronin und Ninja, Palisander Verlag, 1. Auflage 2008,
ISBN 978-3-938305-07-2, S. 146-171
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