Bernhard Peter
Shinto-Schreine: Kyoto, Ebisu Jinja


Der Ebisu-Schrein von Kyoto liegt in Kyoto im Stadtteil Higashiyama in geringer Entfernung westlich vom Zen-Tempelkomplex Kennin-ji und erstreckt sich in Ost-West-Richtung zwischen der Straße Yamato Oji Dori und einer kleineren Parallelstraße im Westen. Die offizielle Adresse lautet: 125 Komatsu cho, Yamato-oji-dori Shijyo-sagaru, Higashiyama-ku, Kyoto-shi. Erreichbar ist der Schrein am besten über die Station Gion Shijo der Keihan Line, über die Station Kawaramachi der Hankyu Line oder ab Bahnhof mit den Bussen 17 oder 205, Aussteigen an Kawaramachi Matsubara.

Früher wurde der Gott Ebisu auf dem Gelände des nahen Kennin-ji verehrt, wo sich ein 1202 gegründeter Schrein zum Schutze des Tempels befand. Die Verbindung beruht der Legende nach auf einer Episode im Leben des Gründungsabtes Eisei, der auf der Rückreise von China nach Japan in schweres Wetter geriet: Er zollte Ebisu Respekt, woraufhin sich der Sturm legte, so daß er sicher in seine Heimat von seiner Studienreise zurückkehren konnte. Als Folge wurde auf dem Tempelgelände ein Ebisu-Schrein gegründet. Doch nach einem Brand des Tempels im Jahr 1467 fand der Schrein seinen neuen Ort in der Nähe, und seitdem ist er unabhängig. Es ist einer der drei populärsten und wichtigsten Ebisu-Schreine Japans, neben dem Nishinomiya-Schrein in Hyogo und dem Imamiya Ebisu-Schrein in Osaka.

Ebisu ist einer der sieben Glücksgötter (Shichi-fukujin, sieben-Glück-Gottheit) der japanischen Mythologie, die im japanischen Volksglauben eine sehr große Rolle spielen, und er ist der einzige, der aus Japan stammt und somit "einheimisch" ist, auch wenn sein Name wohl etymologisch "Fremder" bedeutet. Die anderen sechs Glücksgötter, die ihr mythologischen Wurzeln entweder in Indien oder in China haben, sind Daikoku, Bishamen (Bishamonten), Fukurokuju, Juroujin, Benten (Benzaiten) und Hotei (Houtei). Die Sieben ist eine heilige Anzahl und taucht mehrfach im japanischen Volksglauben auf, so gibt es auch sieben Himmelskörper, sieben Juwelen, sieben Weise des Bambushaines etc. Die Geschichte von den letztgenannten könnte Pate gestanden haben für die der sieben Glücksgötter, deren Verehrung in Japan während der Muromachi-Zeit begann.

Zusammen mit Daikokuten und Fukurokuju bildet Ebisu die Untergruppe der drei Götter der Glückseligkeit (San-fukujin). Im Shintoismus ist Ebisu auch als Kotoshiro-nushi-no-kami bekannt. Er gilt als erstes und etwas mißglücktes und mißgestaltetes Kind des Urgötterpaares Izanagi und Izanami, Hiruko. Er wurde als Kind auf einem Boot ausgesetzt, aber von Fischern gefunden und aufgezogen. Ebisu gilt als Schutzgott der Fischer und Geschäftsleute, wofür dieser Schrein im Stadtteil Higashiyama bzw. Gion mit seinen vielen Geschäften genau richtig angesiedelt ist. Ein weiterer Aspekt von Ebisu ist der als Schutzgottheit des Ackerbaus, wo es eine Überlappung mit Feld-Kami gibt, ebenso wie sich der Ebisu-Kult mancherorts mit Berg-Kami-Verehrung überschneidet.

Der Schrein ist eingebunden in einen Pilgerweg der sieben Glücksgötter von Kyoto (Miyako Shichifukujin), der nacheinander die Stätten der Shichifukujin (Ebisu-jin am Ebisu-Schrein in Higashiyama, Daikokuten am Myoen-ji, Bishamonten am To-ji, Benzaiten am Rokuharamitsu-ji, Fukurokuju-jin am Sekizan Zen-in, Juro-jin am Gyogan-ji südlich des kaiserlichen Hofgartens und Hotei-son am Manpuku-ji in Uji) aufsucht.

Überall auf dem Gelände und vor allem entlang des Zugangsweges stehen Statuen des Gottes mit den typischen Merkmalen wie quietschvergnügter Gesichtsausdruck, Bart, Mützchen, Angelrute in der einen Hand, frisch gefangener Fisch (Tai, Meerbrasse) unter den anderen Arm geklemmt. Ebisu trägt Kleidung (Kariginu), die heute noch von Shinto-Priestern angelegt wird, in der Edo-Zeit aber klassische Tracht war, auch bei Handwerkern und Bauern. Einige dieser Statuen tragen um die Hüfte ein Shimenawa-Seil mit herabhängenden Zickzack-Papierstreifen. Auch am zweiten Eingangs-Torii ist sein metallenes Konterfei befestigt (mit einem kleinen Netz zum Auffangen der hochgeworfenen Münzen der Gläubigen, die sich vom erfolgreichen Wurf Erfüllung ihrer Wünsche versprechen), weiterhin im Kagura-den (Plattform für Aufführungen). Der Gott Ebisu, schon etwas älter, gilt als schwerhörig. Die Schellen an der Vorderseite des Schreines könnte er vermutlich überhören. Deshalb gehen einige Gläubige auf Nummer sicher, und nachdem sie vorne vor dem Schrein auf reguläre Weise gebetet haben, gehen sie links vom Heiligtum in den schmalen Durchgang nach Westen zur Straße hin und klopfen mit den Knöcheln an ein mit einem Shimenawa und einem kleinen geschwungenen Giebel gekennzeichnetes hölzernes Paneel über einem flachen Öffnungsschlitz, um daraufhin ihr Gebet an der Seite des Schreines zu wiederholen. Hier ist man dem eigentlichen Heiligtum nähe als vorne. Bei einem schwerhörigen Gott erhöht das die Chancen, mit seinen Bitten vernommen zu werden. Allerdings warnt ein aufgehängtes Schild davor, zu fest zu klopfen und den Gott so zu erschrecken.

Das große Fest des Schreins ist das Toka Ebisu-Fest (Touka Ebisu), das vom 8.-12.1. jedes Jahres stattfindet. Am 10.1. hat nämlich Ebisu Geburtstag, und der Name des Festes beruht auf Toka (Touka) = zehnter Tag. Auch an anderen Ebisu-Schreinen andernorts wird sein Geburtstag gefeiert, aber nur vom 9.-11.1., also zwei Tage weniger. Der Gott selbst bekommt einen großen frischgefangenen Thunfisch, der neben den ganzen anderen Geschenken präsentiert wird. Besucher kaufen glückverheißende Andenken für das nächste Jahr. Der Ema-Verkauf hat Hochkonjunktur. Geschäftsleute suchen den Schrein auf, und hoffen, mit dem aus diesem Anlaß von Kagura-Tänzerinnen mit einem Tanz zur Musik von Flöten und Trommeln gesegneten und von jungen Damen verteilten glückverheißendem Bambus (Fukuzasa) ihr wirtschaftliches Prosperieren (Shobai hanjo, Shoubai hanjou = glückliche Geschäfte) günstig beeinflussen zu können. Bambus gilt als Symbol des Familienglücks und des wirtschaftlichen Erfolgs, weil er steil und schnell nach oben wächst und dabei so flexibel ist, daß ihn nichts zum Brechen bringt. Diese Tradition entstand am Ebisu-Schrein in Kyoto und wurde später von anderen Schreinen übernommen. Zusätzlich können noch verschiedene glückverheißende Objekte (Ofuda = eine Art Talisman oder Amulett) erworben werden, die an den Bambus gebunden werden, um die glückverheißende Wirkung noch zu steigern. Eine typische Form dieser Talismane ist die der roten Meerbrasse, Symbol für Ebisu. Weitere wichtige Feste werden in diesem Schrein am 1.1. (Saitan-sai, Neujahr), im Februar (Setsubun, traditionelles Neujahr), 30.6. (Nagoshi no oharae-shiki, Sommer-Reinigungsritual), am 4. Sonntag im September (Meishi kansha-sai), 19.-20.10. (Hatsuka Ebisu-Fest), 16.11. (Ohitaki-sai) und am 31.12. (Oharae-shiki, Joya no kane, Winter-Reinigungsritual) gefeiert.

Einige Pinien lockern die dichte Bebauung des Areals auf. Von Osten her kommend, durchschreitet man zwei graue Torii nacheinander. Die Gebetshalle ist vor das eigentliche Heiligtum gebaut, dem Honden, in dem der Schreingott sein Zuhause hat. Die Vorderseite des Vorbaus vor der Gebetshalle wird von einem geschwungenen Dach überspannt; nebeneinander hängen drei Glocken mit Stoffstreifen, um sich durch Läuten dem Glücksgott bemerkbar zu machen. Am zweiten Holztor befindet sich ein vergoldetes Ornament aus einem Wappenzeichen in der Mitte zwischen sich überschlagenden Wellen.  Auf dem Gelände stehen mehrere Subschreine, darunter der Schrein Shiradayu (Shiradayuu) und der Schrein Komatsu Tenmangu (Tenmanguu) mit Kuh-Statuen, weil Kühe als Botentiere des Gottes Tenjin (Gott des Lernens, Sugawara no Michizane) gelten. Links neben dem Hauptschrein, also südlich desselben, führt ein Weg zum Westeingang.


Zweites Torii, von Osten aus gesehen. Dahinter liegt in gerader Linie das Hauptheiligtum. Rechterhand ein Komainu und weitere Subschreine.

 

Zwei verschiedene steinerne Statuen des Glücksgottes Ebisu.

Blick auf die Opferhalle des eigentlichen Heiligtums. Im Heiden liegt innen rechterhand eine riesige Trommel. Heiden = Opferhalle eines Shinto-Schreines, normalerweise in derselben Achse wie Honden und ggf. Haiden angeordnet. In einem Heiden werden den Gottheiten (Kami) die Opfergaben (Heikaku) dargebracht. Die täglichen Besucher bleiben aber vor der hölzernen Schranke.

Durchgang zum Westeingang: Hier kommt man seitlich am eigentlichen Schrein vorbei, kenntlich an dem asymmetrisch nach rechts gezogenen Dach.

Hier ist man dem schwerhörigen Glücksgott näher als vorne, daher klopft man hier sachte an und wiederholt seine Bitte.

Westeingang zum Schreinbezirk.

Konterfei des Glücksgottes Ebisu am zweiten Torii. Gläubige werfen hier Münzen hoch und versuchen, die beiden Netze zu treffen.

 

Am Vorbau vor dem Schrein wirft man eine Münze in die Spendenkiste, läutet man die Schellen, verbeugt sich zweimal tief, klatscht zweimal in die Hände, und verrichtet seine Gebete vor der Schranke und verbeugt sich noch einmal zum Abschluß.

Zwei Nebenschreine, selbst noch einmal überdacht. Links befindet sich der Yawata-jinja, rechts der Sarutahiko-jinja.

Devotionalien-Verkaufsort auf dem Schreingelände.

Tenmangu-Schrein im Norden der Anlage mit Kuh-Statuen, weil Kühe als Botentiere des Gottes Tenjin (Gott des Lernens) gelten.

Blick von Süden auf den eigentlichen Ebisu-Schrein.


Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf google maps: https://www.google.de/maps/@34.999812,135.7719024,20.74z - https://www.google.de/maps/@34.9998281,135.771872,55m/data=!3m1!1e3
Ernst Lokowandt: Shinto - Eine Einführung. Publikation der OAG Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens, Tokyo 2001, 117 S., Verlag Iudicium 2001, ISBN-10: 3891297270, ISBN-13: 978-3891297278
Joseph Cali, John Dougill: Shinto Shrines - a Guide to the Sacred Sites of Japan's Ancient Religion, 328 S., University of Hawaii Press 2012, ISBN-10: 0824837134, ISBN-13: 978-0824837136
Suzanne Sonnier: Shinto, Spirits, and Shrines - Religion in Japan, Lucent Books 2007, ASIN: B00FAWMA88
Kenji Kato: Shinto Shrine, Bilingual Guide to Japan, Nippan Verlag 2017, 128 S., ISBN-10: 4093884781, ISBN-13: 978-4093884785
Ebisu-Schrein:
https://www.discoverkyoto.com/places-go/kyoto-ebisu-shrine/
Ebisu-Schrein:
http://things-to-do-in-kyoto.com/discoverkyoto/there-is-one-of-the-famous-gods-at-ebisu-shrine/
Ebisu-Schrein:
http://www.kyoto-ebisu.jp/
Toka Ebisu:
https://www.discoverkyoto.com/event-calendar/january/toka-ebisu/
Toka Ebisu:
http://find-your-jpn.com/toka-ebisu-festival-kyoto-ebisu-jinja-shrine/
Toka Ebisu:
https://www.insidekyoto.com/toka-ebisu
Glücksgötter:
https://de.wikipedia.org/wiki/Sieben_Glücksgötter - https://en.wikipedia.org/wiki/Seven_Lucky_Gods
Glücksgötter:
http://eos.kokugakuin.ac.jp/modules/xwords/entry.php?entryID=226
Glücksgötter:
http://www.univie.ac.at/rel_jap/an/Glücksgötter
Glücksgötter:
http://www.oai.de/de/publikationen/ostasienlexikon/64-ostasienlexikon/sss/2529-sieben-glücksgötter.html
Ebisu:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ebisu - https://en.wikipedia.org/wiki/Ebisu_(mythology)
Ebisu:
http://eos.kokugakuin.ac.jp/modules/xwords/entry.php?entryID=206
John H. Martin, Phyllis G. Martin: Kyoto - 29 Walks in Japan's Ancient Capital, 376 S., Verlag: Tuttle Pub. 2011, ISBN-10: 4805309180, ISBN-13: 978-4805309186, S. 59-60


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