Bernhard
Peter
Shinto-Schreine:
Kyoto, Kamigamo Jinja, Teil (1): Beschreibung und erster Teil
Photos
Lage
und Erreichbarkeit
Der Kamigamo-Schrein liegt
weit im Norden der Stadt, nördlich des Botanischen Gartens, am
Ostufer des Flusses Kamo (Adresse: 339, Kamigamo Motoyama,
Kita-ku, Kyoto-shi, Kyoto-fu, 603-8047, Japan). Das Gelände
mißt 350 m in Nord-Süd-Richtung und 200 m in West-Ost-Richtung.
Die westliche Begrenzung ist die jenseits der Schreinverwaltung
verlaufende Hauptstraße. Im Osten verliert sich das eigentliche
Schreingelände an den bewaldeten Hängen des Hügels
Kataoka-yama; im Südosten grenzt ein Wohngebiet an. Ganz im
Norden des Schreines liegt der Kamigamo-Golfplatz, dessen
Gelände bis zur Sangyo-Universität reicht.
Man erreicht den Schrein ab JR Kyoto Eki mit der U-Bahn, Karasuma Line, Bahnhof Kitayama am Nordosteck des Botanischen Gartens, Fahrzeit 15 min. Von da geht man westwärts zum Flußufer und folgt diesem nordwärts bis zur übernächsten Brücke, dann geht es nach rechts zum Schreineingang, insgesamt 2 km Fußweg oder eine halbe Stunde. Es gibt auf dieser Route einen Bus der Linie 4, zu bekommen an Kitayama Ekimae, in Richtung Kamigamo jinja mae. Zurück in Richtung Shijokawaramachi/Kyoto Station, Ausstieg Kitayama Ekimae.
Man kann zwar 800 m zu Fuß nach Westen laufen und auf dem westlichen Flußufer an der Haltestelle Higashimotomachi in den Bus Nr. 3 steigen, dann 2 Stationen bis Kamigamo Misonohashi am übernächsten Brückenkopf fahren und dann wieder ostwärts den Fluß überqueren (200 m bis zum Schrein), dann spart man 10 Minuten, wenn der Bus sofort kommt. Mit Wartezeit ist der Gewinn gering.
Man kann die U-Bahn auch am Bahnhof Kitaoji verlassen, zu Fuß bleibt die Entfernung bis zum Schrein gleich. Aber wer den Bus nehmen will, fährt so günstiger: Hier kann man direkt am Kitaoji Bus Terminal den 3er-Bus bis zur Haltestelle Kamigamo Misonohashi nehmen (4 Haltestellen), Reststrecke 200 m bis zum ersten Torii. Auch für den Rückweg kann man den 3er-Bus nehmen. Der Bus Nr. 37 ginge ebenso auf beiden Strecken, fährt aber länger, weil er einen großen Haken schlägt.
Wer vorher beispielsweise den Kaiserpalast oder die Nichiren-Tempel nordwestlich desselben besichtigt, kann auf der Horikawa Dori die Buslinie 9 nordwärts nehmen, Zustieg nördlich der kleinen Biegung der Straße gegenüber dem Suika Tenmangu an der Haltestelle Tenjin Koen Mae in Richtung Norden, fährt ca. alle 20 min., bis zur Haltestelle Kamigamo Misonohashi nehmen (8 Haltestellen, 16 min.), im Prinzip also aussteigen, sobald man rechts den Kamo-Fluß sieht, dann ostwärts über die Brücke gehen, Reststrecke 200 m bis zum ersten Torii.
Wer ganz mit dem Bus anreisen will, kann ab Kyoto Ekimae den Bus Nr. 9 nehmen, Fahrzeit 33 min., 27 Haltestellen. Alternativ kann man auch die Linie 205 von Shiokoji Takakura nach Karasumakitaoji nehmen und dort in die Linie 3 umsteigen bis zur Haltestelle Kamigamo Misonohashi, umständlicher und teurer bei gleicher Fahrzeit.
Da der Schrein einerseits zu den größten und wichtigsten historischen Schreinen der Stadt gehört, andererseits wegen seiner Lage am nördlichen Stadtrand zu den gemessen an der Bedeutung am wenigsten besuchten Sehenswürdigkeiten zählt, wird hier eine klare Besuchsempfehlung gegeben. Und es ist erstaunlich, wie schnell die Massen wegbleiben, sobald der Weg etwas aufwendiger wird - das sollte man ausnutzen und hier einen herrlichen halben Tag verbringen. Das Gelände ist eine weitläufige grüne Oase in der Stadt mit interessantem Wechsel zwischen offenen Flächen, dichtem Wald und gestalteten Anlagen, die Bausubstanz ist durchweg historisch und hochkarätig. Wenn man dann noch das Glück hat, eines der vielen Feste besuchen zu können, ist das Besucherglück perfekt. Aber auch abseits der Schreinfeste kann man hier zufällig Zaungast einer traditionellen Hochzeit oder einer anderen Familienveranstaltung werden.
Der Eintritt zum Gelände ist frei; man kommt unbehelligt bis in den Raum zwischen Ro-mon und Chu-mon. Dahinter wird Eintritt erhoben. Wer möchte, kann morgens um 9:30 Uhr an einer geführten Tour durch das Schrein-Gelände teilnehmen. Es wird um eine Spende in Höhe üblicher Eintritte gebeten. Man kann aber auch sonst unter Aufsicht in den innersten Hof kommen, und das ist eine zweischneidige Sache: Es ist einerseits die einzige Möglichkeit, in den innersten Hof hinein zu kommen und einen tatsächlichen Blick auf die wertvollsten Gebäude zu werfen. Ja, es ist toll, wenn man die Nationalschätze wirklich von Angesicht zu Angesicht sehen kann, und das sollte man auch tun. Andererseits läuft das Ganze so ab: Man wird nach Bezahlen in einen Nebenraum linkerhand gebeten, wo man sich hinhockt, während ein Priester eine in Hochgeschwindigkeits abgehaltene Reinigungszeremonie ausführt und alles Übel von den Besuchern abwedelt. Dann darf man wieder raus und endlich in den Hof, aber nur am südlichen Rand, nicht weiter hinein, Photographieren streng verboten. Der Priester gibt der Gruppe Hochgeschwindigkeits-Erklärungen ausschließlich in Japanisch, und dann ist man schneller wieder hinauskomplimentiert als man sich das vorstellen kann. Erst draußen nimmt man langsam wahr, das das schon alles war. Deutlicher ausgedrückt: Das Schuhe-aus-Schuhe an dauert länger als das eigentliche Schauen. Ich bin sonst ein eifriger Verfechter der Ansicht, daß man mit jedem Eintritt zum Erhalten von Kulturgut beiträgt - aber hier möchte ich durchaus das Wort "Abzocke" in den Mund nehmen. Wenn man die Gebäude einfach gesehen haben will, soweit es möglich ist, dann ist das ein Weg, für 600 Yen ein winziges bißchen mehr zu sehen. Die Enttäuschung über das Preis-Leistungs-Verhältnis ist jedoch garantiert.
Am vierten Sonntag jedes Monats findet seit 2006 auf dem Gelände des östlichen Vorfeldes ein Handwerksmarkt statt, mit entsprechender Stimmung irgendwo zwischen Familienausflug mit Picknick und Einkaufsbummel. Es gibt etwa 250 Stände mit Essen und lokal erzeugten Handwerksprodukten, wobei die Vergabe unter den Bewerbern nach einem Lotteriesystem erfolgt.
Aktuell (2019) sind zwei wichtige Hallen (Maidono und Tsuchi-no-ya) wegen Renovierung eingerüstet.
Geschichte
und Bedeutung
Der Kamigamo-Schrein ist nur
Teil eines Ganzen, denn Kamigamo und Shimogamo jinja gehören
zusammen und werden Kamo-Schreine (Kamo-sha) genannt. Früher
standen sie in einem gemeinsamen Areal, doch durch das Wachsen
der Stadt sind sie durch besiedelte Flächen nun voneinander
getrennt. Beide sind zwei der ältesten und wichtigsten Schreine
Kyotos; sie wurden 678 gegründet und bestanden schon, bevor
Kyoto im Jahre 794 unter dem damaligen Namen Heian-kyo Hauptstadt
wurde. Deshalb haben die Schreine, die beide seit 1994 zum
Unesco-Weltkulturerbe Historisches Kyoto mit insgesamt 17
verschiedenen Stätten zählen, auch eine besondere Stellung und
genießen den Schutz des Kaiserhauses. Nur drei Schreine gehören
zum Weltkulturerbe Historisches Kyoto, neben dem Zwillingsschrein
nur noch der Ujigami Jinja in Uji. Beide Teilschreine des Kamo
sind ca. 3,5 km voneinander entfernt. Der etwas ältere, im 6.
Jh. entstandene Shimogamo Jinja (früher auch: Kamo-mioya jinja)
ist der "untere Kamo-Schrein", der etwas jüngere, im
7. Jh. entstandene Kamigamo Jinja (früher auch:
Kamo-wakeikazuchi jinja nach der Gottheit
Kamo-wakeikazuchi-no-kami) der "obere Kamo-Schrein".
Das "K" wird im Kontext zu "G" angeglichen.
Dennoch wird heute bei beiden Schreinen der Namensbestandteil "kamo = gamo" mit unterschiedlichen Kanji geschrieben, beim Shimogamo mit einem Kanji, beim Kamigamo mit zwei Kanji (früher schrieben sie sich beide mit einem und demselben Kanji, aber das wurde geändert, um eine glückverheißende Nebenbedeutung beim Nord-Schrein zu erzielen). Und beide tragen den gleichen Namen wie der Fluß, der jeweils westlich an ihnen vorbeifließt, der Kamo-gawa. Das "Kamo" des Flusses benutzt sogar zwei Schreibweisen: Der nördliche Teil des Flusses wird mit den gleichen beiden Kanji wie im Namen des Nord-Schreines geschrieben, der südliche Teil ab dem Süd-Schrein mit dem einen Kanji wie im Namen des Süd-Schreines; die Aussprache ist identisch.
Alle haben ihren Namen von der Familie Kamo, einem japanisches Geschlecht, das in der damaligen, heute zur Präfektur Kyoto gehörenden Provinz Yamashiro siedelte und anfangs die Schirmherrschaft über den Schrein hatte. Das war auch der Anfang des Schreines und des Kultes, denn hier werden ein Stammahn der Familie Kamo, Kamo-taketsunomi-no-mikoto, der zum Schutzgott der Stadt wurde, und seine Tochter Tamayori-hime-no-mikoto als Kami verehrt. Die Legende sagt, Kamo-taketsunomi-no-mikoto sei im Osten von Kyoto am Berg Mikage auf die Erde herabgestiegen, habe sich in die dreibeinige Gottheit Yatagarasu in Form eines Raben oder einer Krähe verwandelt und den legendären ersten Kaiser Japans, Jinmu, an den Ort des heutigen Shimogamo-Schreins in der Yamato-Ebene geführt. Der Legende nach gilt der Kami daher als der Erschaffer Kyotos. Seine Tochter Tamayori-hime-no-mikoto hingegen versah auf dem Gelände rituelle Pflichten. Als sie bei einer Reinigung am Fluß Kamo einen Pfeil im Wasser schwimmen sah, nahm sie ihn an sich, worauf dieser sich in einen schönen Gott namens Oyamakui verwandelte, den sie heiratete. Beide hatten einen Sohn, der einen Aspekt übernahm und zum Donnergott Wake-ikazuchi wurde. Es handelte sich also ursprünglich um Schreine für Familiengottheiten (Ujigami) des Kamo-Clans. Großvater Kamo-taketunumi-no-mikoto und Tochter Tamayorihime-no-mikoto werden im Shimogamo-Schrein verehrt, der Enkel bzw. Sohn Wake-ikazuchi oder ausführlich Kamo-wake-ikazuchi-no-kami im Kamigamo-Schrein. So steht der erstere mit seinen Kami für glückliche Heirat und erfolgreiche Geburt und Elternschaft (deshalb gerne aufgesucht von allen, die um gute Familienbeziehungen und glückliche Geburt von Kindern bitten), der andere für lebensspendende Eigenschaften des vom Donnergott geschickten Regens. Weiterhin gelten beide Schreine aufgrund ihres Alters und der Gründungslegende als Schutzschrein für Kyoto, wo man um Frieden, Schutz vor Unheil und Sicherheit bittet. Die Lage im Norden der Stadt entspricht dieser Funktion.
Während der Regierung des Kaisers Tenmu wurde im Jahre 678 der erste Schrein am Fuße der Berge gebaut, damals noch unter dem Namen Yosaiden. In der Heian-Zeit entwickelte sich daraus der Kamigamo. Seit Kyoto Hauptstadt geworden war, wurde die Wichtigkeit des Schreines mit einer kaiserlichen Priesterin gewürdigt. Beide Schreine, der Kamigamo und der Shimogamo jinja, sind im Range eines Chokusaisha (vollständig: Chokushi sanko no jinja), sind also Schreine, die das Privileg genießen, an wichtigen Festen einen Chokushi zu bekommen, einen kaiserlichen Abgesandten. Das geht auf ein Dekret des Kaisers Murakami im Jahr 965 zurück. Die Kamo-Schreine teilen dieses Privileg beispielsweise mit dem Kasuga-Taisha in Nara, dem Izumo-Taisha in Izumo, dem Atsuta-jingu in Nagoya und dem Heian-jingu in Kyoto. Beide Kamo-Schreine wurden als Chinomiya-Schreine (Ichinomiya, oberste Shinto-Schreine) für die Provinz Yamashiro (südlicher Teil der heutigen Präfektur Kyoto) bestimmt. Mehrfach wurde der Schrein mit einem kaiserlichen Besuch geehrt: 794 (Enryaku 13) kam Kaiser Kanmu, 942 (Tengyou 5) Kaiser Suzaku, 979 (Tengen 2) Kaiser Enyu und 1711 (Hou-ei 8) Kaiser Nakamikado. Letzterer zog kurzfristig in den Hosodono, weil sein Palast unbewohnbar geworden war. Später wurde der Kamigamo-Schrein als Kanpei-taisha (auch: Kanpei-sha) eingestuft, als kaiserlicher Schrein, was von 1871 bis 1946 gültig war. Diese exklusive Gruppe umfaßte insgesamt 67 Schreine. Der Kamigamo-Schrein wird auch zu den "22 Schreinen" (Ni-juu-ni-sha) gezählt.
Da die hier verehrte Hauptgottheit eine wichtige Schutzgottheit mit besonderer Bedeutung für die Landwirtschaft ist, entstanden im ganzen Land in den Dörfern Kamo-Zweigtempel als Ableger, insgesamt mehr als 2000 Stück.
Auch wenn der Schrein im 7. Jh. gegründet wurde, stammen die gegenwärtigen Gebäude aus der Zeit eines Neubaus im Jahre 1628 (Kanei 6), haben aber das Aussehen des beginnenden 11. Jh. bewahrt, weil der komplette Schrein mit seinen 35 Gebäuden damals in der gleichen Form wie zuvor erneuert wurde. Man orientierte sich damals an historischen Aufzeichnungen, Zeichnungen und Gemälden, um dem früh-Edo-zeitlichen Ensemble das altehrwürdige Aussehen zu geben. Alle 21 Jahre werden die Gebäude restauriert. Dieser Vorgang, ein Symbol der im Shinto so wichtigen Reinigung und Erneuerung, wird Shikinen senguu genannt, und aufgrund der damit verbundenen Kosten macht man das nur bei sehr hochrangigen und wichtigen Schreinen wie bei den beiden Kamo-Schreinen. Nur bei sehr wenigen Schreinen wird das auch heute noch so gehandhabt. Früher beinhaltete das einen kompletten Neubau, heute beschränkt man sich auf Reparaturen und Restaurierungen. Die letzte Renovierung fand 2015 statt.
Insgesamt gibt es hier 34 verschiedene historische Gebäude. Das Schreingelände ist frei zugänglich. Eintritt wird ab dem Chu-mon für den inneren Bereich erhoben, normalerweise 500 Yen, bei Sonderanlässen auch mal 600 Yen. Dennoch lohnt sich das unbedingt, weil hinter dieser Eintrittsschranke zwei als Nationalschatz eingestufte Gebäude stehen. Nach einer Schnellreinigungszeremonie darf man dann zum Honden und zum Gonden vordringen. In diesem Bereich ist aber leider das Photographieren untersagt. Alle 32 anderen Gebäude sind als wichtiges Kulturgut klassifiziert, weil sie in ihrer Gesamtheit ein perfektes Bild eines alten Shinto-Schreines formen. Zudem ist das gesamte Gelände, immerhin 690000 m2 groß, als Landschaftsschutzgebiet und historische Stätte klassifiziert.
Das Goshuin (der Pilgerstempel) des Schreins trägt als Sumigaki (schwarze Tuscheschrift als Kalligraphie) den Wortlaut "Kamo Wakeikazuchi-jinja" und den Verweis auf seine Rolle als Ichinomiya für die Provinz Yamashiro.
Abb.: Goshuin des Kamigamo jinja, Text: Ichinomiya in der Provinz Yamashiro, mittlere Spalte: Kamo Wakeikazuchi-jinja, linke Spalte: Datum: 4.9.2019.
Am Schrein gibt es u. a. Ema (Votivtäfelchen) in der Form einer legendären dreibeinigen Krähe (Yatagarasu, bedeutet soviel wie "Krähe mit 8 = vielen Füßen"), die als Gesandter der Kami dem legendären ersten Kaiser Jimmu bei der Eroberung Japans den Weg wies. Krähen gelten an diesem Schrein als heilig. Andere Ema aus Holz scheinen eine Herzform zu haben, doch das ist nicht zutreffend, vielmehr handelt es sich um Haselwurz-Blätter (Asarum sp., Aristolochiaceae). Zwei dieser Blätter bilden das Wappen (Ka-mon) des Schreines, und an manchen Giebeln sieht man dieses Motiv. Hier ist nur die äußere Form dem Blatt angeglichen, die Flächen sind vorne bunt bemalt und hinten zum Beschriften mit Wünschen vorgesehen. Die Zettelchen der Glückslose (von "großem Glück" bis zu "großem Pech", Omikuji) werden mit kleinen weißen Pferden als Halterung verkauft, alles typisch "kawaiiiiii" (süß, niedlich), und eine gute Einnahmequelle für den Schrein, denn jedes Ema kostet ca. 4 Euro (500 Yen).
Struktur
der Anlage, Rundgang und Beschreibung: zwischen erstem und
zweitem Torii
Der Zugang zum Schreingelände liegt im Süden, wo die
abschließende Baumreihe vom ersten Torii unterbrochen wird, dem
zinnoberrot angestrichenen Ichi-no-Torii. Dahinter führt der Weg
(Omote-sando) aus hellem Kies gerade nach Norden durch offene
Rasenflächen bis zum zweiten Torii (Ni-no-Torii), wo der Weg
leicht nach rechts zum tief im Wald liegenden Hauptschrein
abknickt. Dort fließt auch der Fluß Mitarai-gawa durch das
Schreingelände.
Auf dem Wegabschnitt zwischen den beiden ersten Torii achte man rechterhand auf die mehr als 150 Jahre alten Kirschbäume, zuerst Saio-Sakura und weiter nördlich Gosho-Sakura, letztere ein Geschenk des Kaisers aus dem Jahre 1873. Bambusgestelle stützen die ausladenden Zweige; festgezurrte Matten schützen wie eine künstliche Rinde beschädigte Stellen. Weitere besondere Kirschbäume stehen westlich des Weges. Kurz vor dem Ni-no-Torii steht rechterhand des Weges eine langgestreckte Halle, 5 Ken breit und 3 Ken tief, ringsum offen und unter dem Ansatz des Irimoya-Daches manchmal mit weißen Laternen dicht an dicht behängt. Es handelt sich um den 1628 erbauten Geheiden (wichtiges Kulturgut), eine außerhalb des eigentlichen Schreines gelegene äußere Opferhalle. Um dieses Gebäude herum findet jeweils der Handwerksmarkt statt.
Links des Weges folgt auf dem Weg zum zweiten Torii ein kleines Gebäude, der Shinmesha (Jinmesha), ein Stall für das heilige weiße Pferd des Schreines, das man manchmal hier sehen kann. Galt es früher als Mittel, um Botschaften zu den Göttern zu bringen, ist es heute eher das Maskottchen des Schreins. Vielleicht geht das Pferd auch auf einen alten Opferbrauch zurück. Heute jedenfalls stehen Besucher Schlange, um es mit zuvor gekauften Möhren zu füttern. Dahinter gibt das zinnoberrot angestrichene Ni-no-Torii den Zugang zum eigentlichen Schreinbereich frei.
In der Nähe des zweiten Torii findet man rechts des Weges ein 1628 erbautes und 3 x 2 Ken messendes, bis auf ein kleines Wandstück unterhalb des Daches allseits offenes Gebäude, das Gaku-ya oder Gaku-no-ya genannt wird (wichtiges Kulturgut) und in dem früher musikalische Zeremonien stattfanden. Es trägt ein Satteldach mit konkav eingebogenen Flächen. Gegenüber steht ein "Regal" für gespendete Sake-Fässer (Sakedaru, Kazaridaru), ein hölzerner Rahmen mit schmalem Dach, in dem die gut eingepackten Fässer dekorativ säulenweise aufgestapelt werden.
Ein weiteres Torii steht etwa in Höhe des Ro-mon im Westen, das Nishi-no-Torii (West-Torii). Westlich desselben liegt ein Verwaltungsgebäude des Schreins. Modern, aber in traditionellen Formen sind die miteinander verbundenen Gebäude (Kyakuden (Gästehalle) und Sanroden gehalten. Nördlich des Torii befindet sich das Gebäude Saikiko.
Struktur
der Anlage, Rundgang und Beschreibung: jenseits des zweiten Torii
Zurück zum zweiten Torii: Man läuft nun gerade auf eine Gruppe
von drei Gebäuden zu. Das größte davon, links stehend, ist der
1628 erbaute Haiden (wichtiges Kulturgut), auch Hosodono (schöne
Halle) genannt, vor dem zwei Kegel aus Sand aufgeschüttet sind,
welche Tatesuna (stehender Sand) genannt werden, ein Ort, an dem
Götter herabkommen, eine Miniaturausgabe eines Berges, den
Götter wählen, um auf die Erde herabzusteigen. Konkret ist hier
der Ko-yama bzw. Kami-yama gemeint, der Berg, an dem der Kami
Kamo Wakeikazuchi herabstieg. Ganz oben in den Sandhügeln steckt
jeweils eine einzige, zweiteilige Kiefernnadel, ein Symbol für
den immergrünen Baum. Dieses Nadelpaar steht symbolisch für den
Kiefernwald auf dem Ko-yama. Die Doppelung hat vielleicht auch
etwas mit Onmyodo zu tun, dem Bewußtsein von Yin und Yang, von
Dualität. Als Symbol der Reinigung kann man solche
konusförmigen Hügel als Sand oder auch aus Salz in Miniaturform
in japanischen Haushalten am Eingang beobachten, ebenso sieht man
sie manchmal in der Nähe von Restaurant-Eingängen. Wer dieses
Prinzip gerne aufgreifen möchte, seine neue Wohnung vor dem
Einzug reinigen möchte o.ä., findet kleine Säckchen mit
reinigendem Sand am Schrein zum Verkauf, jedes Tütchen kostet
ca. 4 Euro (500 Yen). Aber es ist ja auch ganz besonderer Sand,
der verhindert, daß Unbill mit einzieht. Manchmal sind vor dem
Hosodono zwei große Tafeln mit den Jahressymbolen des
chinesischen Tierkreises aufgestellt.
Schräglinks neben dem Haiden befindet das Gebäude Juyo-sho, das Geschäft des Schreines für den Devotionalienverkauf, in dem es Ofuda (Talismane), Omamori (Glücksbringer), Votivtäfelchen (Ema), Orakelzettelchen (Omikuji) und heilige Pfeile (Hamaya) etc. zu kaufen gibt. Pfeile spielen hier im Schrein eine große Rolle, siehe Gründungsgeschichte und Schreinfeste. Daneben steht der kleine Schrein Hashimoto-jinja, und zwischen Haiden und Fluß steht das überdachte Handwaschbecken (Chouzusha) mit Wasser aus der Ko-yama-Quelle (Kamiyama yusui oder Koyama yusui).
Rechts des Hauptweges befindet sich ein langgestrecktes Bauwerk von 2 x 5 Pfostenabständen, das als Pfostenhalle allseits offen ist; es wird Tsuchi-no-ya oder kurz Tsuchi-ya genannt (2019 eingerüstet wegen Renovierung). Auch dieses stammt aus dem Jahr 1628 und ist als wichtiges Kulturgut gelistet. Shinto-Priester benutzen den Pavillon noch heute für Reinigungszeremonien, die an Leuten vorgenommen werden, die an Zeremonien teilnehmen.
Eine ganz ähnliche Halle, ebenfalls 2 x 5 Pfostenabstände messend und ein Irimoya-Dach tragend, ist die 1863 erbaute Halle Maidono, auch sie ist ein wichtiges Kulturgut (2019 eingerüstet wegen Renovierung). Diese Halle steht mit der Schmalseite etwas zurückgesetzt zwischen den beiden vorgenannten Gebäuden und ist gegenüber diesen um 90° verdreht gebaut. Sie wird auch Hashidono genannt, Brückenhalle, weil sie den Fluß Mitarai-gawa bzw. Nara-no-O-gawa überspannt, genau wie die an den beiden Längsseiten entlang laufenden Wege, die über die Brücken Negi-bashi und Shuku-bashi führen (Brücke = Hashi, im Kontext angeglichen zu -bashi). Diese Halle ist gebaut wie ein Kagura-den oder Bu-den. Hier in dieser Brücken-Halle überbringt während des Aoi-Matsuri-Festes der kaiserliche Bote (Chokushi) seine offizielle Botschaft (Gosaimon) an den Schrein. Wer jetzt hier eine mit sonorer Stimme vorgetragene Rede erwartet, dürfte enttäuscht werden: Der Gesandte übermittelt die Botschaft unhörbar, denn sie ist nur für den Kami bestimmt. Der Guji des Kamigamo sitzt derweil auf einem Stein vor der Brücke und empfängt die Botschaft (von "anhören" kann man ja nicht sprechen), dann dreht er sich um und geht zum Honden und stellt so eine Beziehung zwischen den stillen Worten der Botschaft und dem Kami her. Ab der Vereinigung von Mitarai-gawa mit dem Omonoi-kawa wird der Fluß Nara-no-O-gawa genannt.
Struktur
der Anlage, Rundgang und Beschreibung: Vorfeld der Hauptgebäude
Wenn man dem Weg entlang der
Halle Maidono folgt, kommt man zur Brücke Tama-no-mi-hashi
(kurz: Tama-hashi). Sie überspannt direkt vor dem Ro-mon als
Bogenbrücke mit zinnoberrotem Geländer den kleinen Fluß
Omonoi-kawa, der sich unweit mit dem Mitarashi-gawa vereint.
Dahinter gelangt man unmittelbar zum 1628 erbauten Ro-mon, dem
turmartigen Tor, zweistöckig mit umlaufender Galerie und wie die
angrenzenden Galeriegebäude mit zinnoberrot gestrichenen
Holzelementen. Es ist als wichtiges Kulturgut geführt.
Alternativ kann man auch links vom Haiden (Hosodono) dem zweiten Weg folgen, der über die aus fossilem Kampferstammholz gefertigte Brücke Kusunoki-bashi (Kusunoki = Kampferholz, hashi = bashi = Brücke) führt, die den Mitarashi-gawa überquert. Sie wird auch auch Choju-bashi genannt, weil das Überqueren dem Volksglauben zufolge Langlebigkeit verleiht. Der Weg führt ebenfalls direkt vor das Ro-mon (turmartiges Tor). Nahe dem Zusammenfluß beider Flüsse steht ein uralter Kampferbaum (Kusunoki), der als heiliger Baum (Shinboku) gilt. Die Stelle wird Fujikisha genannt.
Ehe wir das Ro-mon durchschreiten, lohnt ein kleiner Blick auf die Gebäude rechts der Brücke Tama-no-mi-hashi am Südufer des Flusses Omonoi-kawa: Dort befinden sich der Suwa-jinja oder Sunami-sha, weiterhin der Honden des Katayama-miko-jinja oder Kataoka-sha, beseitet von einer Reihe zinnoberroter Pfosten, ein zu letzterem gehörender Haiden und vor diesem rechtwinklig dazu den Fluß überspannend die Brücke Kataoka-hashi, die ein Hinoki-Dach mit geschweiften Giebeln an beiden Schmalseiten trägt; zwischen die tragenden Holzpfosten ist das zinnoberrot angestrichene Geländer gespannt. Der Hilfsschrein (Sessha) Kataoka-sha, an dem die Prinzessin Tamayori verehrt wird, die Mutter des Donnergottes, ist ein beliebter Schrein, weil seine Gottheiten für Heirat, Liebe und Kinderkriegen die zuständigen Ansprechpartner sind. Der Legende nach soll die Autorin der Geschichte vom Prinzen Genji, die Hofdame Murasaki Shikibu, hier vorgesprochen haben und sich anschließend erfolgreich vermählt zu haben. Na, dann scheint es ja zu funktionieren. Weil hier die Mutter des Hauptgottes verehrt wird, wird die Absicht des Hauptpriesters (Guji), zu diesem vor dem Honden ein Norito zu beten, zuvor von zwei Priestern dem Kami seiner Mutter an diesem Schrein mitgeteilt. Wenn das vollzogen ist, erfolgt Rückmeldung zu einer unter dem Romon postierten Person und von da weiter zum inneren Schrein, und dann erst kann der Guji mit der Zeremonie beginnen. Der Kataoka-sha ist der wichtigste Hilfsschrein auf dem Gelände.
Neben dem Kataoka-sha befindet sich der Subschrein Suwa-jinja, ein kleiner Schrein, umgeben von einem zinnoberrot gestrichenen Holzzaun. Das Ro-mon wird flankiert von westlichem und östlichem Korridor (Nishi Kairo links und Higashi Kairo rechts). Alle zusammen bilden den ersten Querriegel des Ensembles. Ganz rechts befindet sich der Kawao-jinja (Kawao-sha). Hinten schließt sich ganz im Westen das Gebäude Takakura dono (Takakura-den, hier werden Shinto-Gegenstände ausgestellt) an. Im Osten dieses ersten inneren Hofes steht der Heiden, der rücklings durch einen Korridor (Ro) mit dem noch weiter östlich stehenden Imiko-den verbunden ist.
Struktur
der Anlage, Rundgang und Beschreibung: die zentrale Haupteinheit
Wenn man das Ro-mon
durchschreitet, sieht man direkt vor sich jenseits des ersten
inneren Hofes bereits den großen Block der inneren Gebäude, in
gerader Linie vor sich das Chu-mon (mittleres Tor, wird nur am
japanischen Neujahrstag geöffnet, keine Photos). Ab diesem 2015
renovierten Tor beginnt der eintrittspflichtige Teil des
Schreingeländes. Die Grundstruktur ist ein Rechteck, das noch
einmal waagerecht geteilt ist, so daß zwei breite Innenhöfe
geringer Tiefe entstehen. Diese drei Querriegel werden außen mit
Verbindungsbauten vernetzt. Dazu weist jeder einzelne Hof noch
unregelmäßige Gebäude im Innern auf. Links vom Chu-mon steht
der Naoraiden, rechts der Osekinoya. Diese drei Strukturen bilden
zusammen den zweiten Querriegel des Ensembles. An den Naoraiden
schließen sich auf der Westseite nach hinten Gakusho und Nishi
Gokusho an. An den Osekinoya schließen sich auf der Ostseite
Jinboko und, durch das Tor Kara-mon abgetrennt, Higashi Gokusho
an. Den dritten und nördlichsten Querriegel bilden
Galeriegänge, links der Nishi-watari-ro (westlicher
Galerie-Gang), rechts der Higashi-watari-ro (östlicher
Galerie-Gang), dazwischen einfache Galerien (Ro, Rou).
Die beschriebenen Strukturen umrahmen vollständig den zweiten, schmal querrechteckigen inneren Hof. Dieser wird aber noch einmal in der Hauptachse geteilt, denn direkt hinter dem Chu-mon befindet sich die Sui-ro genannte Galerie, die Verbindung mit dem dritten Querriegel hat. Rechterhand im Osten schließt sich das Gebäude Norito-no-ya an, an dessen östlichem Ende das Tor Heiju-mon eine weitere Anbindung an den dritten, galerieförmigen Querriegel schafft.
Hinter diesen Gebäuden, also jenseits des dritten Querriegels, liegt das Innerste (eigentlich das Hinterste...) des Heiligtums mit dem Honden (Haupthalle, Nationalschatz, 1628 neu aufgebaut) etwa in der Mittelachse des Ensembles und dem Gonden (Nationalschatz) links davon abgesetzt. Über die Galerien des dritten Querriegels sind Gonden und Honden erschlossen. Beide sind im architektonischen Stil der Heian-Zeit gehalten, im Nagare-zukuri mit weit vorgezogenem Dach auf der Vorderseite und Kohai unter dem langen Überstand, einem Gebetsplatz. Sie besitzen jedoch weder Chigi noch Katsuogi auf dem Dach. Honden und Gonden haben die gleiche Größe und das gleiche Aussehen. Sie stehen direkt nebeneinander. Sie entstanden in dieser Form zwar 1628, wurden aber zwischenzeitlich mehrfach erneuert, zuletzt 1863 unter Kaiser Komei. Für den Honden war das die siebte Erneuerung seit 1628. So kommt es, daß die am höchsten, als Nationalschatz, eingestuften Gebäude eine jüngere Bausubstanz besitzen als die anderen 33, als wichtige Kulturgüter klassifizierten Gebäude. Der Honden ist der eigentliche Hauptschrein, der diesen exakt replizierende Gonden dienst als Reserve oder Not-Schrein, falls dem Honden etwas passiert und die Gottheit schnell eine neue Bleibe braucht. Der Gonden wird auch planmäßig benötigt, wenn im Zuge der Tradition des Shikinen senguu die Schreingebäude turnusmäßig alle 21 Jahre erneuert bzw. heutzutage nur renoviert werden.
Das ist die eigentliche Besonderheit des Kamigamo, denn normalerweise würden zwei Hauptschreine auf zwei dort verehrte Kami hinweisen, nicht so hier. Ein zweiter Schrein wird normalerweise auch nur temporär während der turnusmäßigen Erneuerung des Hauptheiligtums gebaut, hier aber steht er permanent einsatzbereit zur Verfügung. Bei den wenigen Schreinen, bei denen man permanent ein Reservegebäude bereithält, wird dieses Karidono genannt und steht irgendwo abseits. Hier stehen Hauptheiligtum und Reserveheiligtum Seite an Seite wie gleichberechtigt. Über die Sinnfrage kann man streiten, denn wenn es brennen sollte oder ein Baum im Sturm auf die Gebäude fallen sollte, ist die Wahrscheinlichkeit gering, daß nur einer von beiden Schreinen betroffen sein wird, wenn sie so dicht beisammen stehen. Die Doppelung hat aber vielleicht auch hier etwas mit Onmyodo zu tun, dem Bewußtsein von Yin und Yang, von Dualität, genau wie bei den beiden Sandhügeln vor dem Hosodono.
Wenn Honden und Gonden renoviert werden, hält man sich an folgende Reihenfolge: Zuerst errichtet man hinter dem Gonden eine temporäre Struktur. Dann bringt man die heiligen Objekte aus dem Gonden da hinein und renoviert den Gonden. Wenn dieser fertig ist, wird der Goshintai, also der Sitz des Gottes vom Honden in den Gonden überführt, dann kann man den Honden renovieren. Wenn dieser fertig ist, wird alles wieder rücküberführt in umgekehrter Reihenfolge.
Eine weitere Besonderheit der Hauptheiligtümer sind die Komainu, die auf die vordere Wand gemalt sind. Es sind Arbeiten der Kano-Schule. Im Falle des Gonden handelt es sich um einen Kage-koma, einen Schatten-Komainu, ein weiterer Fall von Doppelung und Gegensätzlichkeit zugleich.
In den Innenhöfen davor liegen weitere kleine Schreine, Hajio-jinja (Haji-sha) und Sugio-jinja (Sugio-sha). Weiter hinten im Gebäudekomplex liegt der Wakamiya-jinja, jenseits des dritten Querriegels rechts zwischen dem Honden und dem Higashi Gokusho. An der östlichen Schmalseite dieses inneren Komplexes steht das bereits erwähnte Kara-mon, ein Tor mit geschweiftem Giebel, aber auf den Seiten; die Traufseite über dem Durchgang ist gerade.
Struktur
der Anlage, Rundgang und Beschreibung: östlich und südöstlich
des Hauptkomplexes
Östlich des Hauptkomplexes
stehen der Yamao-sha und der Shingu-jinja (Shingu-Schrein) mit
Honden (Shingu-sha) im Norden und eigenem Haiden südlich davon
und mit einem eigenen Tor, dem Shingu-mon, das nahe dem Ufer des
Omonoi-kawa in den bedachten Abschlußzaun integriert ist.
Eine weitere Gebäudegruppe befindet sich im Osten des Flusses Nara-no-O-gawa. Ganz im Norden steht der Schrein Iwamoto-sha, dann kommt man südwärts zum Garten Shoke-en mit einem Teich, an dessen Südostufer ein uralter Mutsumi-na-ki-Baum steht (Castanopsis sieboldii). Im Nordosten des Teiches steht der Kamo Yamaguchi jinja mit eigenem Haiden davor.
Im Süden des Teiches führt die Brücke Yagu-bashi über den Fluß Nara-no-o-gawa (Nara-Bezugspartikel-Bedeutungspräfix-Fluß). Hier stehen am östlichen Ufer der Nara-jinja (Nara-Schrein) mit Fujidana (Glycinien-Klettergerüst, Fuji = Wisteria, dana = Stütze, Träger) daneben und gleich im Osten anschließend das Gebäude Chonoya, auch nördlicher Shinsen-sho (Kita shinsen-sho) genannt. In einer langgestreckten einstöckigen Halle werden die wertvollen Gegenstände des Schreines aufbewahrt. Im Südwesten der genannten Gebäude steht östlich des Flusses das 3. Torii, das San-no-torii (nach dem Schrein auch Nara-torii genannt). Hier überspannt eine weitere Brücke den Fluß. Insgesamt haben wir 9 Brücken über die beiden Flüsse und zusätzlich eine über den Fluß gebaute Halle, also 10 Brücken zusammen. Weiter nach Süden folgen aufeinander die Gebäude Azekura (Lagerhaus in Blockbauweise), Yamanomori-sha (Ukita-no-yashiro) und Kajita-jinja. Am östlichen Flußufer stehen noch die beiden kleinen Schreine Yamamori-sha und Kajita-sha.
Struktur
der Anlage, Rundgang und Beschreibung: die kleinen Subschreine
und Hilfsschreine
Etliche kleinere
Neben-Schreine sind um die Hauptgebäude herum gruppiert. Sie
besitzen meistens ein charakteristisches Dach im Stil
Sangensha-Nagare-zukuri, asymmetrisch mit einem viel längeren
Vorderteil, das den Betplatz davor überdacht, während der
rückwärtige Teil des Daches jenseits des Firstes nach einer
dynamischen konkaven Schwingung kurz endet. Die meisten Schreine
sind im Stil Hiwadabuki gedeckt, traditionell mit vielen Lagen
von Zypressenrinde.
Die vielen kleineren Schreine rings um den Hauptschrein haben ganz unterschiedliche Gottheiten und Zuständigkeiten: Der Gott des Katayamamiko-jinja ist zuständig für Heiraten. Entsprechend haben die Votivtäfelchen auch Herzform. Wenn es schief geht, kann man am Suwa-jinja den Gott des gebrochenen Herzens anrufen, damit selbiges wieder geheilt wird. Am Jingu-jinja wird eine Gottheit verehrt, die den Körper schützt. Am Yamao-jinja wird eine für das Bauen zuständige Gottheit angerufen. Die Gottheit des Nara-jinja ist für Studien und Technik der richtige Ansprechpartner. Am Kamoyamaguchi-jinja geht es wie so oft um geschäftlichen Erfolg, dazu aber auch um die Entwicklung der Kinder. Ein großer Wunscherfüllungsfelsen wird mit beiden Händen angefaßt, um Wünsche wahr werden zu lassen. Krankheiten heilen kann der Gott des Yamamori-jinja. Wenn es um etwas diskreter zu besprechende Krankheiten geht, geht man zum Kajita-jinja. Schüchternheit und Zögerlichkeit des Herzens kann mit Hilfe des Gottes am Kawao-jinja kuriert werden. Langes Leben und Schönheit erlangt man am besten durch ein Gebet am Hashimoto-jinja. Sicherheit auf den Straßen garantiert das Anrufen des Gottes am Iwamoto-jinja.
Schrein-Feste
im Jahreszyklus
Das Jahr am Schrein beginnt am
5. Januar mit dem Shinnenkyo-en-sai, dem Neujahrsbankett. Zwei
Tage später kümmert man sich um das heilige Pferd des Schreins,
diese fürsorgliche Kontrolle nennt man Hakubasoran Jinji.
Am 16. Januar findet ein Bogenschieß-Ritual statt, das Musha jinji. Seit der Heian-Zeit ist das Ritual üblich, und es soll vermutlich Unglück vertreiben: Denn die in historische höfische Kostüme gekleideten Schützen versammeln sich, um auf Ziele zu schießen, auf denen hinten das Wort "Oni" steht, Dämon. Das Vertreiben von Oni ist auch ein wichtiges Neujahrsritual in japanischen Haushalten. Hier wird der Pfeil zum reinigenden Instrument, um sich symbolisch von dem durch Oni repräsentierten Unheil zu befreien. Zuerst schießen die Priester mit speziellen, einen Ton erzeugenden Pfeilen, dann kommen die versammelten Schützen zum Zug.
Im Jahreszyklus folgen Setsubun im Februar, der Nationale Gründungstag Kigen-sai am 11. Februar, Sanyare-sai am 24. Februar, Toka jinji am 3. März, Toge-sai am 3. April, das Frühlingsfest Ota jinja am 10. April und das Bankett Kamo Kyokusui no en am zweiten Aprilsonntag.
Am 5. Mai findet hier ein Rennpferd-Ritual statt, das Kamo Kurabe-uma-e Jinji. Bereits im 11. Jh. entstand dieser Kult unter Kaiser Horikawa, und es wird gesagt, daß das Pferderennen in Japan an diesem Schrein entstand. Deshalb wird das Ritual auch von der Stadt Kyoto als immaterielles Kulturgut gewürdigt. Vermutlich zeigten hier früher Mitglieder der Kamo-Familie ihr kriegsrelevantes Können im Wettstreit. Jeweils zwei Reiter treten gegeneinander an, und der Sieger wird durch Schlagen einer Taiko-Trommel (linke Bahn) bzw. eines Gongs (rechts Bahn) angezeigt.
Das Hauptfest dieses Schreines ist Aoi-Matsuri, auch Kamo-sai oder Kamo-no-matsuri genannt. Es findet am 15. Mai jedes Jahres statt und ist eines der drei größten Feste der Stadt (die beiden anderen sind Jidai Matsuri und Gion Matsuri. Der Name Aoi-Matsuri kommt daher, daß Malvenblüten (Alcea sp.) zur Dekoration benutzt werden und an die Teilnehmer verteilt werden. Dieses Fest geht auf die Zeit unter der Regierung von Kaiser Kinmei (539-571) zurück, als das Land unter dem Fluch katastrophalen Wetters lag und Regen und Sturmwind die Ernte verwüsteten und Krankheiten ausbrechen ließen. Man glaubte, das sei der Zorn der Kamo-Götter, die das Land so leiden ließen, und der Kaiser tat alles, um die Götter zu beruhigen. Dazu gehörte auch ein scharfer Ritt des kaiserlichen Boten zu Pferde, und das ist der Hintergrund für den Pferdestall, das Pferderennen und die Wettbewerbe im Bogenschießen zu Pferde. Die Wurzeln dieses Festes ist also ein im 6. Jh. entstandener Kult zur Besänftigung der Götter und ein Gebet um gute Ernten. Daraus entwickelte sich ein jährliches Ritual, und mit der Verlegung der Hauptstadt nach Kyoto wurde es eines der wichtigsten Rituale, weil die Kamo-Schreine zu Schutzschreinen der Hauptstadt avanciert waren. Aus Anlaß dieses Festes findet ein großer Umzug statt, der am Kaiserpalast seinen Ausgang nimmt und mit 511 im Stil der Heian-Zeit gekleideten Teilnehmern, zuerst die Männer, dann separat die Frauen, dazu zwei Ochsenkarren, vier Rindern und 36 Pferden eine Länge von ca. 800 m erreicht. Angeführt wird die Prozession von einem kaiserlichen Boten. Zuerst zieht die Prozession zum Shimogamo-Schrein, dann weiter nordwärts und dann am Fluß entlang zum Kamigamo-Schrein. Am Schrein selbst gibt es etliche Veranstaltungen, Pferderennen (Kurabe-uma) und Bogenschieß-Wettbewerbe zu Pferde (Yabusame). Dieses Fest ist als immaterielles Kulturgut der Stadt Kyoto klassifiziert.
Im Jahreszyklus folgen Kencha-sai, ein ritueller Tee-Ausschank, am 17. Mai, und Otaue-sai, ein Reispflanz-Ritual, am 10. Juni. Ein weiteres wichtiges Fest dieses Schreines ist Nagoshi-no-harae, ein Sommer-Reinigungs-Ritual, das am 30. Juni jedes Jahres abgehalten wird. Man durchschreitet einen Ring aus Gras (Chi-no-wa) und wirft kleine Papierfiguren in Menschenform (hito-gata, hito = Mensch, gata = Form) als Symbol der Befreiung von Unreinheiten in den Fluß. Auch dieses Ritual ist sehr alt und wird bereits im Tanka-Gedicht "Nara-no-ogawa" beschrieben, das in einer Kamakura-zeitlichen Gedichtsammlung namens Hyaku-nin Isshu erscheint.
Am 9. September findet das "Karasu-zumo" statt, das Krähen-Sumo-Ringen. Offizielle Vertreter des Schreines imitieren sowohl das Rufen als auch das Seitwärtshüpfen von Krähen, und Kinder üben sich nach dem offiziellen Teil der Veranstaltung im Ringen, ein sehr populäres Ereignis. Das Fest dient der Unterhaltung der Götter und erinnert an die dreibeinige Krähe Yatagarasu (Yata-no-karasu). Wegen der Besonderheit dieses Ritual wird es von der Stadt Kyoto als immaterielles Kulturgut gewürdigt. Das Ritual geht einher mit dem Chrysanthemen-Fest (Choyo no Sekku), bei dem eine als kaiserliche Prinzessin gekleidete Saio-dai dem Schrein ihre Aufwartung macht. Die aus einer angesehenen Familie ausgewählte Saio-dai erinnert daran, daß vom Jahr 810 an bis ins frühe 13. Jh. unverheiratete weibliche Mitglieder des Kaiserhauses im Schrein als Saiin fungierten. Bei diesem Fest wird Chrysanthemen-Sake ausgeschenkt.
Weiterhin im September finden Kamo no Uma Matsuri, ein Pferde-Fest, und Kamo Kangetsu-sai, ein Fest zur Mondbetrachtung, statt. Am 1. Oktober folgt Adogawa Kenshin-sai, am dritten Oktober-Sonntag Kasagake Shinji mit Bogenschieß-Wettbewerben, auch diese zu Pferde in historischen Kostümen und durchgeführt von Schützen der Takeda-ryu-Schule.
Nach Meiji-sai am 3. November und Ainame-sai am 13. November folgt noch spät im selben Monat das sehr junge, erst 2008 ins Leben gerufene Schreinfest Yoroi Kizome-shiki: Yoroi bedeutet Rüstung, und die Teilnehmer kleiden sich wie Samurai. Die "Rüstungen" sind aber eher Leichtbauweise und bestehen aus lackiertem Papier. Das Fest erinnert an den wichtigen Tag im Leben eines Jungen, an dem er seine erste Rüstung geschenkt bekam und so zum Mann wurde. Heute feiert die ganze Familie mit Söhnen und Töchtern in historischer Ausstattung und betet so für Gesundheit und Wohlergehen des Nachwuchses, der hier nach einer Reinigungszeremonie seinen Segen für die Zukunft erhält. Passenderweise ist der Hauptsponsor dieser Veranstaltung Usagi Juku, ein Hersteller von Rüstungen.
Shakemachi-Siedlung
und nähere Umgebung
Shakemachi bezeichnet die
Gemeinschaft der Priesterfamilien, ursprünglich Abkömmlinge der
Kamo-Familie, die sich um den Kamigamo-Schrein kümmern und hier
eine eigene kleine Siedlung traditioneller Häuser geschaffen
haben. Diese Priesterämter und weitere offizielle Positionen
waren in einigen Schreinen erblich. Der Name "Sha-ke"
setzt sich zusammen aus den Kanji Sha = Schrein und Ke = Familie,
Haus. Machi bezeichnet die Siedlung. Im 17. Jh. umfaßte diese
Siedlung mehr als 275 Haushalte. Von den entlang des
Myojin-Flusses errichteten traditionellen
Shakemachi-Priester-Wohngebäuden mit ihren ziegelgedeckten
Lehmmauern ringsum kann einzig das Nishimura-Haus (Nishimura-ke)
besichtigt werden, ein Meiji-zeitliches Haus. Ein weiteres
typisches Anwesen ist das Haus der Umetsuji-Familie. Alle Häuser
sind niedriger als das Torii des Schreines. Bis zur Meiji-Reform
blieb das System bestehen. 1872 wurde die Praxis erblicher Ämter
beendet, nicht zuletzt aufgrund von Vorwürfen des
Amtsmißbrauchs und des Nepotismus. Diese Siedlung wurde
offiziell vom Schrein abgetrennt und bildete seitdem keine
verwalterische Einheit mehr. Trotzdem blieben hier viele der
Familien wohnen.
Die heute noch gut erhaltenen Strukturen bieten einen hübschen Eindruck einer solchen "Priester-Siedlung". Dennoch sind die noch vorhandenen 40 Anwesen nur ein Bruchteil dessen, was hier einst zur Edo-Zeit vorhanden war, man darf von maximal ca. 300 Häusern ausgehen.
Man erreicht diese pittoreske "Substadt" aus Priesterwohnhäusern, wenn man der südlich des Schreingeländes verlaufenden Straße nach Osten folgt, entlang des von mehreren Brücken überspannten Myojin-Flusses auf dessen südlichem Ufer. Bis zum Nishimura-Haus und seinem älteren Garten sind es ab dem ersten Torii 200 m nach Osten. Ein Arm des Myojin-Flusses läuft durch den Garten.
Noch weiter östlich kommt man zum Fujinoki-no-yashiro-Schrein direkt an der Straßenecke und noch etwas weiter zum Anwesen der Umegatsuji-Familie, auf der Nordseite der Straße, ein weiteres Anwesen der Shakemachi. Noch ein Stück weiter kann man nordwärts zum Ota-jinja abbiegen, der jenseits der Häusergrenze im Wald liegt und für seine Iris-Blüte im Mai berühmt ist (nur zur Blütezeit eintrittspflichtig, sonst frei besuchbar).
Ichi-no-Torii, im Hintergrund Ni-no-Torii
Kirschbäume rechterhand am Omote-Sando
Geheiden von Südwesten
Geheiden von Westsüdwesten
Geheiden von Westen
Geheiden von Osten
Geheiden von Nordosten
Shinmesha (Jinmesha)
Gaku-no-ya
Gaku-no-ya
"Regal" für gespendete Sake-Fässer (Sakedaru, Kazaridaru)
Haiden, Hosodono
Tatesuna (stehender Sand)
Haiden, Hosodono
Haiden, Hosodono
Haiden, Hosodono im Gewitter
Ni-no-Torii
Haiden, Hosodono
Juyo-sho, das Geschäft des Schreines für den Devotionalienverkauf
Juyo-sho, das Geschäft des Schreines für den Devotionalienverkauf
Handwaschbecken (Chouzusha) mit Wasser aus der Ko-yama-Quelle
Handwaschbecken (Chouzusha) mit Wasser aus der Ko-yama-Quelle
Ab der Vereinigung von Mitarai-gawa mit dem Omonoi-kawa wird der Fluß Nara-no-O-gawa genannt
Abb. links: Choju-bashi = Kusunoki hashi = Mitarai kawanikakaru hashi. Abb. rechts: Romon.
Ema des Kamigamo-Schreines
Ema des Kamigamo-Schreines
Ema des Kamigamo-Schreines
Ema des Kamigamo-Schreines
Ema des Kamigamo-Schreines
Omikuji an einem Gestell, das einen Eber symbolisiert
Brücke Kataoka-hashi
Ema des Kamigamo-Schreines am Hilfsschrein (Sessha) Kataoka-sha
Ema des Kamigamo-Schreines am Hilfsschrein (Sessha) Kataoka-sha
Hilfsschrein (Sessha) Kataoka-sha
Ema des Kamigamo-Schreines am Hilfsschrein (Sessha) Kataoka-sha
Ema des Kamigamo-Schreines am Hilfsschrein (Sessha) Kataoka-sha
Ema des Kamigamo-Schreines am Hilfsschrein (Sessha) Kataoka-sha
Hilfsschrein (Sessha) Kataoka-sha
kleiner Nebenschrein im Wald: Suwa-jinja
links Brücke Kataoka-hashi, rechts Hilfsschrein (Sessha) Kataoka-sha
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf google maps:
https://www.google.de/maps/@35.0593099,135.7521092,18.25z - https://www.google.de/maps/@35.0602174,135.7527379,106m/data=!3m1!1e3
eigene Webseite https://www.kamigamojinja.jp/ - https://www.kamigamojinja.jp/english/index.html
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CreateSpace Independent Publishing Platform, 1. Auflage 2018,
ISBN-10: 1978158998, ISBN-13: 978-1978158993, S. 58-59
Kamigamo jinja, Teil (2): zweiter Teil Photos
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