Bernhard Peter
Shinto-Schreine: Kyoto, Toyokuni jinja


Lage und Erreichbarkeit
Der Toyokuni-Schrein befindet sich im Bezirk Higashiyama nördlich des Nationalmuseums und ist von der Straße Yamato Oji Dori aus zugänglich, von der eine Treppe zum großen Torii emporführt (Adresse: 530 Chaya-cho, Yamato-oji Shomen, Higashiyama-ku, Kyoto). Der Besucher kommt zwar nur bis zum bemerkenswerten Karamon des Schreines und hat von dort einen guten Blick auf die allseits offene Zwischenhalle und den in gerader Flucht dahinter liegenden Honden, doch das Gelände selbst ist nicht zugänglich. Dafür gibt es aber im Südwesten des Schreines einen besonderen Leckerbissen, das als Museum hergerichtete Schatzhaus des Schreines, dessen Inhalt sehenswert ist. Erreichbar ist der Schrein z. B. über den Bahnhof Shichijo der Keihan Main Line oder über die Bushaltestelle Museum / Sanjusangendo mehrerer Linien, z. B. 206 oder 208.


Geschichte und Bedeutung
Dieser Schrein ist dem zum Kami gewordenen Feldherrn und Regenten Toyotomi Hideyoshi (17.3.1537-18.9.1598) gewidmet, einem der drei Reichseiniger neben Oda Nobunaga und Tokugawa Ieyasu. In seiner zum Kami gewordenen Form heißt er Toyokuni Daimyo-jin. Der Schrein wurde 1599, ein Jahr nach dem Tod des Nationalhelden, nebst Mausoleum am Fuße des Hügels Amida-ga-mine (Hügel des Amida) im östlichen Kyoto gegründet, östlich der Straße Higashi-oji Dori. Für die Verehrung wurde erstmalig ein Tamaya gewählt, ein besonderer Typ eines Shinto-Altares, der der Seele nur eines einzigen Individuums gewidmet ist. Die Verbreitung des Kultes ging relativ schnell, weil etliche Daimyos damit Loyalität gegenüber dem toten Kampaku zeigten. Für die Verehrung durch das Volk spielte sicher auch die persönliche Erfolgsgeschichte eine Rolle, denn Toyotomi Hideyoshi stammte aus einfachen, bäuerlichen Verhältnissen und stieg auf zum Regenten Japans. Das gibt dem Besucher Hoffnung, mit ein bißchen Glück was auch immer auch selbst schaffen zu können. Außerdem förderte er die Städte Kyoto und Osaka und brachte den Städten eine Zeit des Friedens und Wohlstands. Am Jahrestag von Toyotomi Hideyoshis Tod (18.9.) wurde an diesem Schrein das Hokoku jinja matsuri abgehalten.

Toyotomi Hideyoshi war der Sohn von Kinoshita Yaemon und stammte aus Nakamura bei Nagoya und hieß eigentlich erst nur Hiyoshi oder Hiyoshi-maru, hatte also nur einen Vornamen, weil er einfacher Herkunft war. Er kämpfte erst als einfacher Fußsoldat auf der Seite von Matsudaira, dann von Imagawa Yoshimoto. Das heißt, er stand militärisch sogar zuerst auf der gegnerischen Seite von Oda Nobunaga. Er wurde, nachdem sein Anführer gefallen war und verloren hatte, Ronin. Erst danach trat er zu Oda Nobunaga über und kämpfte fortan unter dessen Banner. Als Soldat führte er den Namen Kinoshita Tokichiro (Kinoshita Toukichirou). 1573 belohnte ihn sein Dienstherr mit der Erhebung zum Daimyo von Nagahama. Als solcher wechselte er erneut seinen Namen und nannte sich fortan Hashiba Hideyoshi. Er wurde Nobunagas erster Feldherr und ist untrennbar mit dessen militärischen Leistungen verbunden.

Nach dem Verrat des Generals Akechi Mitsuhide an Oda Nobunaga und dessen Seppuku in auswegloser Situation rächte Hashiba Hideyoshi dessen und seines Sohnes Tod und besiegte die Akechi in der Schlacht von Yamazaki. Dann setzte er sich gegen die verbliebenden Söhne Oda Nobunagas durch und übernahm die weitere Reichseinigung. Er war der Bauherr der Burg von Osaka, die er zu seinem Machtzentrum ausbaute. Ab 1585 war er Kampaku, Regent von Japan. Erst ab 1586 nannte er sich Toyotomi no Hideyoshi, also eigentlich nur die letzten 13 Jahre seines Lebens. Die Schreibweise Toyotomi no Hideyoshi ist die richtige, weil sein Familienname Hashiba blieb, auch als er den neuen Uji bzw. Sei "Toyotomi" bekam. Dieser Name war vom Tenno genehmigt worden und bedeutet "der großzügige Minister". 1590 besiegte er mit den Hojo (Houjou) die letzte oppositionelle Familie in Odawara, womit seine Herrschaft über Japan zementiert wurde. Ein Jahr später gab er die Regentschaft an seinen Neffen Toyotomi Hidetsugu ab und nannte sich selbst Taiko und zog weiterhin im Hintergrund alle Fäden der Macht.

Seine größte Leistung war sein Beitrag zur Beendigung der Zeit der innerjapanischen Kriege (Sengoku-Zeit). Seine schlechteste Idee war hingegen die Invasion Koreas und Chinas. Korea schaffte er im Imjin-Krieg, doch an China scheiterte er, vermutlich hatte er keinen blassen Schimmer von der Größe und den Ressourcen des Landes, was ihm hohe Verluste an Soldaten und an Schiffen einbrachte. Auf ihn geht ferner die Etablierung eines starren Gesellschaftssystems unter Abschottung der Gesellschaftsschichten gegeneinander zurück. Er entwaffnete die Bauern ("Schwertjagd" 1588) und zwang sie zum Verbleib auf ihrem Land. Ebenso wurden die Handwerker an ihre Dörfer gebunden. Freizügigkeit gab es für die unteren Schichten nicht mehr. Das gesamte Land wurde neu vermessen und nach erwirtschaftetem Einkommen eingeteilt. Er legte die Basis für ein rigides Feudalsystem, das die ganze Zeit des nachfolgenden Tokugawa-Shogunats prägen sollte.

Toyotomi Hideyoshi starb in der Burg Fushimi bei Kyoto. Als er merkte, daß es zu Ende ging, setzte er einen Rat der 5 Regenten ein, um die Herrschaft für seinen Sohn Toyotomi Hideyori zu sichern. Tokugawa Ieyasu, ebenfalls ein Günstling Oda Nobunagas, aber ein Konkurrent Hideyoshis, war einer dieser Regenten. Er konnte sich gegen die anderen Regenten durchsetzen und in der Schlacht von Sekigahara seine eigene Herrschaft begründen: Er wurde der erste Tokugawa-Shogun.

Übrigens wurde dieser Übergangszeit mit dem Roman und Weltbestseller "Shogun" von James Clavell ein literarisches Denkmal gesetzt, das auch als vierteilige Fernsehserie verfilmt wurde. Die oben genannten Personen werden freilich unter anderem Namen verarbeitet, doch der historische Hintergrund ist unverkennbar: Toyotomi Hideyoshi (1536-1598) ist als Taiko bzw. als Nakamura verarbeitet, sein minderjähriger Sohn Toyotomi Hideyori (1593-1615) als Yaemon, seine Mutter Yodo-dono (1569-1615) als Dame Ochiba, Ishida Mitsunari (1561-1600) als Ishido, Tokugawa Ieyasu (1543-1616) als Toranaga. Seine Söhne  Tokugawa Hidetada (1579-1632) und Takeda Nobuyoshi (1583-1603) tragen im Roman die Namen Yoshi Sudara und Yoshi Naga. Und hinter Blackthorne = Anjin-san verbirgt sich William Adams (1564-1620). Toda Mariko hat Hosokawa Gracia (1563-1600) zum Vorbild, die dritte Tochter von Akechi Mitsuhide (1528-1582, im Roman: Akechi Jinsai), der Oda Nobunaga (1534-1582, im Roman: Goroda) verriet und zum Seppuku zwang. Ihr Verwandter Hosokawa Fujitaka (1534-1610) wird als Toda Hiro-matsu umgesetzt. Sein Sohn Hosokawa Tadaoki (1563-1646) tritt in Gestalt des Buntaro auf.

Der Schrein wurde 1615 während des Tokugawa-Shogunats teilweise aus politischen Gründen zerstört, und das eigentliche Heiligtum wurde unzugänglich gemacht. Der Tokugawa-Clan hatte den Toyotomi-Clan ausgelöscht, und ebenso verfuhr man mit den Gedenkstätten. Die Absicht dahinter war, den Kult um Tokugawa Ieyasu als Tosho Daigongen zu fördern und die Anhänger von Toyotomi Hideyoshi zurückzudrängen, nicht zuletzt zur Betonung der Legitimität der eigenen Herrschaft. Auch in anderen Teilen des Landes wurde der Kult entsprechend durch Zerstörung vieler Toyokuni-Schreine zurückgedrängt. 260 Jahre lang war der Toyokuni-Schrein in Kyoto verwaist, durfte nicht betreten werden und wuchs langsam zu.

Nach den Meiji-Reformen wurde mit Dekret vom 28.4.1868 und kaiserlicher Weisung an die Präfektur Kyoto vom 9.4.1875 alles direkt neben Toyotomis Tempel Hoko-ji (Houkou-ji) in den darauf folgenden 10 Jahren wiederaufgebaut, also nicht mehr an der ursprünglichen Stelle. Die Stelle wurde bewußt ausgewählt, weil hier einst der Verstorbene den größten buddhistischen Tempel seiner Zeit errichten wollte. Das Tempelgelände wurde dafür verkleinert. Das 400ste Gedächtnis seines Todestages konnte im neuen Schrein angemessen gefeiert werden. In gewissem Sinne gibt es eine Parallelität zwischen 1868 und der Schlacht von Sekigahara, beides Mal standen sich Ost- und Westjapan gegenüber, nur diesmal wurde der Tokugawa-Clan besiegt, späte Umkehr der Geschichte, und dementsprechend wurde jetzt wieder das Gedenken an und der Kult um Toyotomi Hideyoshi reanimiert, der Schrein wieder geöffnet, die Gebäude wiederhergestellt. Entsprechend versuchte der Meiji-Kaiser, den Kult um Tokugawa Ieyasu in Nikko zu unterbinden, war aber zum Glück nicht erfolgreich, denn der Hauptpriester des Schreines von Nikko, Matsudaira Katamori, rettete den Schrein, heute einer der größten nationalen Schätze und Touristenmagnete Japans.

In Japan gibt es noch mehrere andere Schreine für den Kami des Kampaku, die entweder Toyokuni-jinja oder Hokoku-jinja (Houkoku-jinja) genannt werden, wobei das zwei verschiedene Lesarten derselben Kanji-Zeichen sind. Die jeweiligen Schreine für Toyotomi Hideyoshi in werden in Nagahama und Osaka Hokoku-jinja genannt und in Kanazawa, Nagoya, Ogaki (Ougaki) und Hatsukaichi (dort auf dem Gelände des Itsukushima jinja) Toyokuni-jinja genannt wie auch der hier beschriebene in Kyoto, welcher der Hauptschrein ist.


Rundgang und Beschreibung
Das Karamon (Tor im chinesischen Stil) mit geschwungener Dachlinie ist von gewaltigen Dimensionen und ist eines der drei größten Tore dieses Stils in Japan neben denen der beiden Tempel Daitoku-ji und Nishi Hongan-ji, beide ebenfalls in Kyoto. Das ebenso wie die beiden vorgenannten Tore als nationaler Schatz klassifizierte Tor stammt vermutlich ursprünglich aus dem zerstörten Schloß von Fushimi und wurde 1876 von seinem bisherigen Zwischenstandort am Konchi-in (Subtempel des Nanzen-ji) hierhin versetzt. Auch das war typische Meiji-Politik: Stärkung des Shintoismus unter Schwächung des Buddhismus, und so mußte der Tempel einen seiner größten Schätze hergeben. Die Architektur ist typisch für die Momoyama-Zeit, in welcher der chinesische Einfluß auf die Architektur sehr stark war. Die geschnitzten Kraniche sind ein Werk von Hidari Jingoro, einem berühmten Schnitzer des 16. Jh. Das Dach ist mit Zypressenrinde (Hinoki) gedeckt.

Im lohnenden Schatzhaus-Museum rechterhand gibt es neben Rüstungen und Wandschirmen u. a. unter Pfeil und Bogen zu sehen, die von Toyotomi Hideyoshi verwendet wurden, sowie eine golden-schwarze Truhe, in der er persönliche Alltagsdinge aufbewahrte. Ein Wandschirm mit dem Thema der Feste des Toyokuni stammt von Kano Naizen aus der Kano-Schule und ist als wichtiges Kulturgut klassifiziert, ebenso wie mehrere andere Ausstellungsstücke. Das Museum ist meist touristenfrei; die Präsentation ist altmodisch, die Beschriftung ausschließlich japanisch. So steht man alleine und erklärungsfrei vor vielen wunderschönen Dingen, dafür kann man aber knipsen, so viel man will.


Toyotomi Hideyoshi

Karamon

Karamon: Das Dach wird von insgesamt sechs Holzsäulen getragen.

 

Türflügel des Karamon mit ornamentalen und szenischen Schnitzereien

Türflügel mit Schnitzereien, Koi-Karpfen in Wellen.

Konstruktion des Karamon, Schnitzereien unter dem Dach.

Blick durch die geöffneten Türflügel des Karamon auf die allseits offene Zwischenhalle

Offene Zwischenhalle, das Dach mit Zypressenrinde gedeckt

Nebenbauten und Galeriegänge

Blick durch die Zwischenhalle bis zur Treppe, die zum Honden hinaufführt

 

Ema rechts und links am Karamon

 

mit viel Mühe erkennt man an dieser Pappfigur den berühmten Helm von Hideyoshi mit der strahlenförmigen Helmzier wieder

 


Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf google maps: https://www.google.de/maps/@34.9912821,135.7720716,19z - https://www.google.de/maps/@34.9914223,135.7721591,116m/data=!3m1!1e3
Ernst Lokowandt: Shinto - Eine Einführung. Publikation der OAG Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens, Tokyo 2001, 117 S., Verlag Iudicium 2001, ISBN-10: 3891297270, ISBN-13: 978-3891297278
Joseph Cali, John Dougill: Shinto Shrines - a Guide to the Sacred Sites of Japan's Ancient Religion, 328 S., University of Hawaii Press 2012, ISBN-10: 0824837134, ISBN-13: 978-0824837136
Suzanne Sonnier: Shinto, Spirits, and Shrines - Religion in Japan, Lucent Books 2007, ASIN: B00FAWMA88
Kenji Kato: Shinto Shrine, Bilingual Guide to Japan, Nippan Verlag 2017, 128 S., ISBN-10: 4093884781, ISBN-13: 978-4093884785
John H. Martin, Phyllis G. Martin: Kyoto - 29 Walks in Japan's Ancient Capital, 376 S., Verlag: Tuttle Pub. 2011, ISBN-10: 4805309180, ISBN-13: 978-4805309186, S. 29-34
Toyokuni jinja:
https://en.wikipedia.org/wiki/Toyokuni_Shrine_(Kyoto)
Toyokuni jinja:
https://www.japanhoppers.com/de/kansai/kyoto/kanko/894/
Toyokuni jinja:
https://en.japantravel.com/kyoto/hideyoshi-s-toyokuni-shrine-kyoto/12896
Toyokuni jinja:
https://wiki.samurai-archives.com/index.php?title=Toyokuni_Shrine
Toyokuni jinja:
http://templesofjapan.com/Toyokuni-Shrine.html
Toyotomi Hideyoshi:
https://de.wikipedia.org/wiki/Toyotomi_Hideyoshi - https://en.wikipedia.org/wiki/Toyotomi_Hideyoshi
Toyotomi Hideyoshi:
https://www.samurai-archives.com/hideyoshi.html
Toyotomi Hideyoshi:
http://www.oai.de/de/wissen/ostasienlexikon/65-ttt/2067-toyotomi-hideyoshi-sp-1976104360.html
Toyokuni-Schrein:
http://kanko.city.kyoto.lg.jp/detail.php?InforKindCode=1&ManageCode=1000182
Toyokuni-Schreine:
https://en.wikipedia.org/wiki/Toyokuni_Shrine
Shogun (Roman):
https://en.wikipedia.org/wiki/Sh%C5%8Dgun_(novel) und http://www.independent.co.uk/news/uk/this-britain/shogun-the-facts-behind-the-fiction-236933.html
Ian Littlewood, Ayumi Oe Littlewood: Kyoto Without Crowds, A Guide to the City's Most Peaceful Temples and Gardens, 264 S., CreateSpace Independent Publishing Platform, 1. Auflage 2018, ISBN-10: 1978158998, ISBN-13: 978-1978158993, S. 123 ff.


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