Bernhard Peter
Schwertschmuck: Kodogu - Kozuka, Fuchi, Kashira (1)

 

 

Einzelnes Fuchi, Kupfer-Legierung mit Vergoldungen

Fuchi-Kashira aus der Edo-Zeit mit der Darstellung der Überquerung des Flusses Uji. Auf dem Fuchi (Abb. oben) sehen wir einen Samurai-Anführer zu Pferde in Wellen schwimmend. Das Pferd durchpflügt mit der Brust das Wasser, welches zu beiden Seiten wegspritzt. Der Reiter ist mit Schwertern und Bogen bewaffnet und trägt auf dem Rücken eine viereckige Fahne mit einem Mon. Es handelt sich bei dem Gewässer um den Fluß Yodo (Yodo-gawa), der auch Fluß Seta (Seta-gawa) oder in Teilen seines Verlaufs Fluß Uji (Uji-gawa) genannt wird. Das ist der wichtigste und größte Fluß in der Präfektur Osaka auf der japanischen Insel Honshu. Der Fluß Uji entspringt dem Biwa-See in der Präfektur Shiga und bildet dessen südlichen Auslauf. Solange der Fluß in der Präfektur Shiga verläuft, heißt er Seta-gawa. Wenn er die Präfektur Kyoto durchquert, wird er Uji-gawa genannt. Noch in der Präfektur Kyoto vereinigt er sich mit den Flüssen Katsura-gawa und Kizu-gawa, welche in den Bergen der Präfektur Kyoto resp. der Präfektur Mie kommen. Ab dem Zusammenfluß aller drei heißt das Gewässer nun Yodo-gawa. Der Yodo-Fluß fließt südwärts nach Osaka, wo er sich in den alten Fluß (Kyu-Yodo-gawa, auch: Okawa, großer Fluß) und einen neuen Kanal (Shin-Yodo-gawa, neuer Fluß Yodo) gabelt, und mündet anschließend in der Bucht von Osaka. Da dieser Fluß während der Tokugawa-Zeit (1603-1867) der wichtigste Wasserverkehrsweg zwischen den beiden Machtzentren Kyoto und Osaka war, war er von großer wirtschaftlicher, militärischer und politischer Bedeutung.

 

Auf dem zugehörigen Kashira (die Zugehörigkeit ist primär inhaltlich - Fuchi und Kashira passen zwar thematisch zusammen, aus stilistischen Erwägungen haben sie vermutlich ursprünglich kein Paar gebildet, sondern stammen von unterschiedlicher künstlerischer Hand) sieht man die Ergänzung zum zuvor beschriebenen Reiter in den Wogen des Flusses Uji. Dieser Reiter steht mit seinem Pferd am Ufer. Das Pferd steht still, wie man an den überkreuzten Vorderbeinen und der Haltung sieht. Der Reiter, der an der Seite das Katana trägt, hält den Bogen mit dem Mund. Auf dem Rücken sieht man Pfeile in einem Köcher. Der Helm ist mit einem Hirschgehörn verziert. Beide Reiter zusammen stellen zwei rivalisierende Generäle dar, von denen der erste schon im Wasser war, der zurückliegende es aber mit einem Trick schaffte, doch noch Erster zu werden, indem er dem ersten zurief, sein Sattel habe sich gelockert, worauf dieser überrascht nachsah. Insgesamt gab es im 12. und 13. Jh. drei Schlachten in der Präfektur Kyoto, die alle als Schlacht am Uji-gawa bezeichnet werden. Sie fanden in den Jahren 1180, 1184 und 1221 statt. Die erste Schlacht von Uji eröffnete den Gempei-Krieg zwischen dem Minamoto-Prinz Mochihito und den Taira. Prinz Mochihito floh südwärts nach Nara, und nach dem Überqueren des Uji-Flusses zerstörte er zusammen mit den Krieger-Mönchen Gochi-in no Tajima, Tsutsui Jomyo Meishu und Ichirai Hoshi die Planken der Brücke über den Uji hinter sich, um die Verfolger, die Taira, aufzuhalten. Angeführt vom 18jährigen Superhelden Ashikaga Tadatsuna, überquerten die Taira dennoch den Fluß und schlossen zu den Minamoto auf, deren Anführer Minamoto no Yorimasa versuchte, die Verfolger aufzuhalten, durch einen Pfeil am Ellenbogen getroffen wurde und Seppuku begehen mußte. Die Taira fingen den Prinzen ein und töteten ihn. Bei der zweiten Schlacht von Uji passierte fast das Gleiche, nur umgekehrt: Minamoto no Yoshinaka zog gegen seine Vettern Yoritomo und Yoshitsune, um denen die Macht zu entreißen und die Führung der Minamoto-Familie an sich zu reißen. Er brandschatzte den Hojuji-Palast und nahm den Kaiser Go-Shirakawa als Geisel. Kajiwara Kagesue, Sasaki Takatsuna, and Hatakeyama Shigetada überquerten den Uji-Fluß vor der zweiten Schlacht. Sie wurden verfolgt von den Vettern Noriyori und Yoshitsune, die nach ihnen den Uji-Fluß überquerten, nachdem erstere wiederum die Brücke unpassierbar gemacht hatten. Minamoto no Yoshitsune schaffte es aber dennoch, seine Reiter den Fluß überqueren zu lassen, und er schlug anschließend seinen Vetter Minamoto no Yoshinaka, aus dessen Machtträumen nun nichts mehr wurde. Die dritte Schlacht von Uji wiederholt das gleiche Spiel. Sie war die erste Schlacht des Jokyu-Krieges. Auf der einen Seite stand der Kaiser Go-Toba, dessen Krieger von Kriegsmönchen vom Berg Hiei unterstützt wurden. Sie verteidigten Kyoto. Auf der anderen Seite standen die Bakufu-Krieger unter dem Regenten Hojo Yoshitoki, der den Kaiser vom Thron stoßen wollte. Der Fluß bildete das Einfallstor nach Kyoto, und die ganze Strecke von Uji bis Seta bildete die Angriffslinie der Rebellen. Die Brücke von Uji bildete auch hier wie in den beiden anderen Schlachten die wunde Stelle der Verteidigung, die genau hier einbrach. Dargestellt sind auf dem Fuchi-Kashira die beiden rivalisierenden Generäle der Angreifer, Sakasi Takatsuna and Kajiwara Kagesue.

Issaku Fuchi-Kashira (hier das Fuchi) aus der Edo-Zeit. Signatur: Masatsune. Ishimeji-Oberfläche. Motiv: Ahornblätter (Momiji), in Shakudo und Kupfer, teilvergoldet, mit Tautropfen, Blätter teils gestielt. Technik: Ishimeji Takahorizogan Iroe. Länge: 37 mm, Breite: 22 mm, Höhe: 13 mm, Gewicht: 25 g. Nakago-Öffnung: 27 x 7 mm.

Rückseite des zuvor beschriebenen Fuchi

 

Issaku Fuchi-Kashira (hier das Kashira) aus der Edo-Zeit. Künstler: Masatsune. Ishimeji-Oberfläche. Motiv: Hanniya (ein weiblicher, gehörnter Dämon mit scharfen Zähnen und hervorquellenden Augen) mit Ahornblatt (Momiji) und Krückstock, in Shakudo und Kupfer. Technik: Ishimeji Takahorizogan Iroe. Dekoration: Hannya to Momiji zu. Länge: 33 mm, Breite: 18 mm, Höhe: 7-9 mm, Gewicht: 14 g. Die Geschichte der Dämonin Hanniya, die aufgrund von Liebesenttäuschung und gebrochenem Herzen ihre wütenden, dämonischen Züge zum Ausdruck brachte und schließlich in einem Ahornwald ihr Leben aushaucht, ist volkstümlich und wird auch als Stück des Noh-Theaters aufgeführt, wo sie typischerweise eine dunkelrote Färbung besitzt.

Issaku Fuchi-Kashira (hier das Fuchi) aus der Edo-Zeit. Länge: 38 mm, Breite: 21 mm, Höhe: 11 mm (ohne Relief), Gewicht: 21 g, Nakago-Öffnung: 27 x 7,5 mm. Signatur: Mumei. Material: Kupfer-Legierung mit Vergoldungen und Kupfer-Einlagen. Technik: Migakiji Takahorizogan Iroe. Dekoration: Mamemaki zu (Fest des Bohnenwerfens). Dies ist eine Hälfte der Darstellung eines Neujahrsbrauchs. Um Dämonen zu vertreiben, werden Soja-Bohnen geworfen. Hier sieht man einen Dämon (Oni) in wilder Flucht, auf den ihm nachgeworfenen Bohnen ausrutschend und sich angstvoll und wütend nach dem Werfer umschauend.

Rückseite des zuvor beschriebenen Fuchi

 

Issaku Fuchi-Kashira (hier das Kashira) aus der Edo-Zeit. Länge: 34 mm, Breite: 16 mm, Höhe: 6 mm (ohne Relief), Gewicht: 11 g. Material: Kupfer-Legierung mit Vergoldungen und Kupfer-Einlagen. Technik: Migakiji Takahorizogan Iroe. Dekoration: Mamemaki zu (Fest des Bohnenwerfens). Dies ist die andere Hälfte der Darstellung eines Neujahrsbrauchs. Neujahr, Setsubun, wird nachd em traditionellen japanischen Lunisolarkalender berechnet. Wörtlich heißt Setsubun "Wechsel der Jahreszeit" im weiteren Sinne. Es wird jeweils gefeiert am Tag vor Beginn von 4 der 24 Stationen (nijushi sekki) des Jahres nach dem Chinesischen Kalender. Im engeren Sinne bezeichnet der Begriff "Setsubun" den letzten Tag der "Großen Kälte" (Daikan) und fällt auf Neujahr. Meist liegt das Fest zum Frühlingsbeginn (risshun) am 3. oder 4. Februar. Vor einem traditionellen japanischen Haus mit mehrlagigem Schilfdach und kreuzförmig abgestützter Lüftungsöffnung im Speicher steht eine Person mit einer viereckigen Schachtel gerösteter Sojabohnen (mame) in der Linken, mit der Rechten diese werfend (maki), um symbolisch Dämonen (Oni) zu vertreiben. Der Brauch des Bohnenwerfens (Mame-maki) erscheint zuerst in der Muromachi-Zeit. Der Werfer wird alsToshi otoko bezeichnet; handelt es sich um eine Werferin, wird sie Toshi onna genannt. Es handelt sich um eine Aufgabe desjenigen Mannes, der im entsprechenden Jahr (Tierkreiszeichen) geboren wurde, hilfsweise des männlichen Familienvorstandes. Entweder wirft man die Bohnen aus der Tür nach draußen (wie hier dargestellt), zweimal in eine als glücklich und zweimal in eine als unglücklich geltende Richtung, oder ein Familienmitglied zieht sich ein Oni-Kostüm an und dient selbst als Zielscheibe. Dabei rufen die Teilnehmer: Oni wa soto! Fuku wa uchi! - Dämonen raus! Glück herein! und schließen danach die Tür. Das Ritual wird entweder zu Hause oder in Schreinen und Tempeln ausgeführt.

Issaku Fuchi-Kashira aus der Edo-Zeit mit Glockenblumen und Bambusblättern (Kikyo ni Sasa zu). Signatur: Mumei. Material: Kupfer-Legierung mit Einlagen, Kupfer und Vergoldungen. Länge: 38 mm, Breite: 20 mm, Höhe: 10 mm, Gewicht: 19 g. Nakago-Öffnung: 24 x 8 mm. Technik: Migakiji Takahorizogan Iroe.

 

Issaku Fuchi-Kashira aus der Edo-Zeit mit Glockenblumen und Bambusblättern (Kikyo ni Sasa zu). Signatur: Mumei. Material: Kupfer-Legierung mit Einlagen, Kupfer und Vergoldungen. Länge: 33 mm, Breite: 15 mm, Höhe: 5 mm, Gewicht: 11 g. Technik: Migakiji Takahorizogan Iroe.

Issaku Fuchi-Kashira (hier das Fuchi) aus der Edo-Zeit. Länge: 39 mm, Breite: 21 mm, Höhe: 11 mm (ohne Relief), Gewicht: 23 g, Nakago-Öffnung: 28 x 7 mm. Signatur: Nara saku. Nara-Schule. Material: Kupfer-Legierung mit Einlagen aus Shakudo, Gold, Kupfer und Silber. Technik: Ishimeji Takahorizogan Iroe. Dekoration: Usagi ni Tori zu (Hase und Vogel). Hier sind zwei Vögel auf einem knorrigen Ast sitzend dargestellt, die Körper sich überkreuzend, aber beide nach links schauend.

Rückseite des zuvor beschriebenen Fuchi

 

Issaku Fuchi-Kashira (hier das Kashira) aus der Edo-Zeit. Länge: 35 mm, Breite: 16 mm, Höhe: 5 mm (ohne Relief), Gewicht: 10 g. Nara-Schule. Material: Kupfer-Legierung mit Einlagen aus Gold, Kupfer und Silber. Technik: Ishimeji Takahorizogan Iroe. Dekoration: Usagi ni Tori zu (Hase und Vogel). Hier ist ein Häschen (Usagi) vor einem Bambuszweig mit bunten Blättern zu sehen.

Issaku Fuchi-Kashira (hier das Fuchi) aus der Edo-Zeit. Länge: 38 mm, Breite: 22 mm, Höhe: 12 mm (ohne Relief), Gewicht: 18 g, Nakago-Öffnung: 26 x 8 mm. Signatur: Mumei. Material: Kupfer-Legierung mit Vergoldungen. Oberfläche: Nanakoji. Dekoration: Bagu zu (Zaumzeug und Zügel, mit gedrehten Seilen und Wirbelgelenk). Technik: Nanakoji Takahorizogan Iroe.

Rückseite des zuvor beschriebenen Fuchi

 

Issaku Fuchi-Kashira (hier das Kashira) aus der Edo-Zeit. Länge: 34 mm, Breite: 16 mm, Höhe: 7 mm (ohne Relief), Gewicht: 10 g. Material: Kupfer-Legierung mit Vergoldungen. Oberfläche: Nanakoji. Dekoration: Bagu zu (Zaumzeug und Zügel, mit gedrehten Seilen und Wirbelgelenk). Technik: Nanakoji Takahorizogan Iroe.

Fuchi der Edo-Zeit, unsigniert (mumei), Vogel Hoo (japanischer Phönix) montiert auf Nanako-Untergrund

Kashira der Edo-Zeit, unsigniert (mumei), Shakudo, teilvergoldet, Clematis-Ranke mit Blüte auf Nanako

Fuchi-Kashira der Edo-Zeit, hier das Fuchi, unsigniert (mumei), Shakudo, mit Einlagen aus Kupfer und Gold, fliegende Sperlinge über Landschaft mit Bäumen

 

Fuchi-Kashira der Edo-Zeit, hier das Kashira, unsigniert (mumei), Shakudo, mit Einlagen aus Kupfer und Gold, fliegende Sperlinge über Landschaft mit Bäumen

       

Kozuka der Edo-Zeit, unsigniert (mumei), Shishi auf Felsvorsprung, unten kopfüber ins Leere fallendes Jungtier

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© Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2015, 2016, soweit nicht anders angegeben.
Ein herzliches Dankeschön an alle diejenigen, die mich ihre Objekte als Anschauungsmaterial photographieren ließen.
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