Bernhard Peter
Kurashiki (Präfektur Okayama), Altstadt (1)
Historisches Bikan-Viertel


Lage und Erreichbarkeit, Touristisches
Kurashiki (gesprochen: "Kuraschki") liegt in der Präfektur Okayama und ist gut von Okayama aus zu erreichen. Okayama liegt an der Shinkansen-Linie, aber von Okayama aus nimmt man den Regionalzug der Sanyo Line oder Hakubi Line nach Kurashiki, weil der Shinkansen-Bahnhof Shin-Kurashiki viel zu weit vom historischen Stadtzentrum entfernt ist. Kurashiki ist einerseits eine Großstadt mit knapp einer halben Million Einwohner, andererseits hat sich ein weitläufiges Gebiet der ehemaligen Altstadt so hervorragend erhalten, daß es wie ein Freilichtmuseum des Japan des 19. und frühen 20. Jh. wirkt: Das historische Viertel Bikan ist einzigartig und gilt als das malerischste Handelsviertel in Japan. Es ist leider auch zunehmend bekannt und berühmt, und deshalb mittlerweile touristisch. Ein Geheimtip ist das historische Viertel schon lange nicht mehr, aber es platzt noch nicht aus allen Nähten wie Kyoto-Gion. Geschäfte, Unterkünfte, Restaurants, Rikscha-Fahrer, Boots-Tour-Anbieter etc. haben sich sehr gut auf das florierende Geschäft mit der Sehnsucht nach historischer Kulisse eingestellt. Andererseits ist das Viertel so weitläufig, daß man abseits der Hauptwege immer noch etwas entdecken kann und für sich ist. Und letztendlich ist es auch das Interesse, daß dieses Viertel so zu bewahren hilft, wie es die Stürme der Zeiten überdauert hat. Die Stadt bemüht sich sehr, den nostalgischen Charme des Viertels zu erhalten, so wurden bei einer der letzten Groß-Renovierungen alle Strom- und Telefonleitungen unterirdisch verlegt. Statt dessen sind an den Häusern noch Laternen im Taisho-Stil angebracht.

Vom JR-Bahnhof erreicht man den Anfang der Altstadt nach 700 m, wenn man die Bahnhofshalle senkrecht zu den Gleisen verläßt und der Hauptstraße (Motomachi-dori) in südöstlicher Richtung folgt. "Bikan Historical Quarter" (Kurashiki Bikan Chiku) ist überall ausgeschildert. Man folgt am besten zuerst dem von Trauerweiden und Kirschbäumen gesäumten Kanal 200 m nach Südosten, dann nach dem Knick 170 m nach Süden. Man kann auch ab Bahnhof den Bus nehmen, er hält direkt vor dem Ohara-Museum, Haltestelle Ohara Bijutsukan (Ohara Museum Mae). Mehrere Brücken überspannen den Kanal, das erste Stück wird von der historischen Ima-hashi in der Nähe des Ohara Kunstmuseums überspannt, mit Drachen-Reliefs an den Brüstungen. Am Knick des Kanals liegt die Naka-hashi. Ganz im Süden des zweiten Kanal-Stücks liegt die Zenshin-hashi, kurz vor Erreichen der Shirakabe-dori, wo das historische Viertel endet. Beiderseits des Kanals sind schon mal sehr schöne Häuser, dann kann man sich das ganze Gebiet östlich des zweiten Kanals-Stücks anschauen, und dann das ganze Gebiet auf ca. 500 m Breite nördlich bis zum dahinter liegenden Hügel. Hier durchzieht als West-Ost-Achse die Honmachi-dori die Stadtviertel Honmachi und Higashimachi, alles wundervoll und sehenswert, wie ein Traum aus dem alten Japan.


Geschichte einer Handelsstadt
Im Namen "Kurashiki" steht das Wort "Kura", Lagerhaus. Kurashiki ist also das "Dorf der Lagerhäuser". Kurashiki war einst eine der wichtigsten Schnittstellen für Japans Handelsrouten: Aus den westlichen Provinzen liefen die Waren-Wege nach Kurashiki, und von dort aus nach Osaka und Edo. Kurashiki war so wichtig für die wirtschaftlichen Interessen Japans, daß das Shogunat die Stadt im 17. Jh. unter seine direkte Kontrolle stellte. Die Shogunats-Verwaltung lag etwa dort, wo sich heute Ivy Square befindet. Die Handelsstadt florierte, und man grub Kanäle vom Hafen ins Innere der Stadt, wo die Handelsherren ihre Firmensitze und Lagerhäuser hatten, und an den Landeplattformen, wo heute Touristen in die Ausflugsboote (Kawafune) steigen, verlud man früher Reis, Baumwolle und Textilien.


Sehenswertes: Kominka und Machiya
Viele alte Häuser stammen noch aus der späten Edo-Zeit, andere aus der Meiji- und Taisho-Zeit. Typisch sind die Fassaden der Lagerhäuser (Kominka) aus dunklen Fliesen mit dicken, halbrund vorquellenden weißen Fugen am Sockel und an den Ecken (Namako-kabe), mit weißen Fassadenflächen, dazu die gestäbten Fenster, breiter als hoch. Typisch ist auch die Verwendung von geflämmtem, extrem dunklem Holz, aber das vorherige Anbrennen schützte vor neuerlicher Entflammung. Die Lagerhäuser stehen meist in Flußnähe, sind an der Giebelseite schmal und reichen lang nach hinten. Daneben prägen die typischen zweistöckigen Geschäfts- und Wohnhäuser (Machiya) mit ihren Holzfassaden das Gesicht der Altstadt; sie sind typisch für die Bebauung entlang der Honmachi-dori. Durch die Handelsaktivitäten kamen die Handelsherren auch in Berührung mit westlicher Architektur, so daß die Architekltur manchmal auch eine lustige Mischung aus japanischen und europäischen Einflüssen darstellt. Ein ganz besonderer Bau ist der Komplex "Ivy Square" mit seinen roten Backsteinmauern: Das geht zurück auf die 1888 gegründete Firma "Kurabo", damals noch "Kurashiki Bousekisho", eine damals hochmoderne Industrie-Spinnerei mit riesigem Baumwoll-Lagerhaus. Heute ist dort eine Kurabo Memorial Hall mit Museum eingerichtet. Im Ivy Square sind Restaurants; der Hof wird für öffentliche Veranstaltungen genutzt.

Zwischen den ganzen Wohn- und Lagerhäusern der Händler befinden sich auch einzelne repräsentative Residenzen wie die ehemalige Ohara-Residenz, ein typisches Handelshaus der damaligen Zeit mit seinen weißen Wänden, Türen und Fenstern im "Kurashiki"-Stil, oder gleich daneben, nur durch eine schmale Gasse von ersterem getrennt, das Yurin-so mit der charakteristischen orangefarbenen Umfassungsmauer, nur ganz manchmal zu besichtigen, meistens aber zu. Hinter den orangefarbenen Mauern liegt ein Haus, das Ohara Magosaburo für seine Frau gebaut hat - sie hat es nie besucht. Weitere historische Residenzen sind das 1796 erbaute Ohashi-Haus und das Inoue-Haus, eines der ältesten der Stadt, beide kann man besichtigen. Meiji-zeitlich ist das Kusudo-Haus mit seinen einzigartigen Mushiko-mado-Fenstern (vertikal gegittert, aber mit abgeschrägten Ecken). Sehenswert ist ferner der Garten Shinkei-en direkt neben dem Ohara Museum of Art, mit einem Hallenbau (Keiken-do), einem Restaurant und einem Teezimmer (Yushin-tei). Manche Straßen haben noch einen Belag aus Steinplatten zum Schutz der Straße vor den Rädern der Karren. Das Kurashiki Monogatari-kan, eine Art Kultur- und Tourismus-Zentrum, besteht aus einer ganzen Gruppe restaurierter Bauten aus vier Epochen (Edo, Meiji, Taisho und Showa) und ist frei zugänglich.


Sehenswertes: Tempel, Schreine und Museen
Wenn man sich an den Häusern sattgesehen hat, kann man vom Viertel Honmachi aus nördlich auf den Hügel steigen zum Tsurugata-yama Park mit dem Schrein Achi-jinja. Dort kann man neben den Schreingebäuden eine uralte Glyzinie bewundern, die Achi-Fuji. Außerdem hat man von hier oben einen schönen Blick auf die Sadt. Weiter westlich stehen auf oder an diesem Hügel noch mehrere Tempel, am südlichen Rande der Honei-ji und der Seigan-ji, auf dem Hügel der weitläufige Kanryu-ji.

In der Altstadt gibt es etliche Museen, das Kurashiki Archäologische Museum (Kouko-kan), das Kurashiki Volkskundemuseum (Mingei-kan), das Spielzeug-Museum (Gangu-kan), das Momotaro Karakuri Hakubutsu-kan, das Kurabo Memorial Museum, das Kojima Museum (für Werke des Malers Kojima Korajiro) und das von der Familie Ohara gegründete Ohara Kunstmuseum (westliche Malerei, Impressionisten, Expressionisten, Picasso, El Greco, Gauguin, Modigliani, Rodin, Klee, Pollock,  Kandinsky etc., dazu moderne japanische Kunst) im hier befremdlichen Stil eines griechischen Tempels, Ergebnis der konstruktiven Auseinandersetzung mit westlicher Kunst. Dieser Bau wurde als einziger als Museum gebaut. Alle anderen Museen sind umgewandelte Handelshäuser oder Lagerhäuser.



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