Bernhard
Peter
Okayama
(Präf. Okayama), Burg Okayama-jo, Teil (1): Beschreibung und
Pläne, Roka-mon, Tsukimi-yagura und Akazu-no-mon
Lage und
Erreichbarkeit, Touristisches
Die Burg Okayama liegt im
Osten des Stadtzentrums direkt am Ufer des Asahi-Flusses, der
hier eine halbkreisförmige Biegung macht. Wer über den
Hauptbahnhof Okayama anreist (Anschluß ans Shinkansen-Netz),
muß einfach 1600 m gerade nach Osten entlang der dortigen
sechsspurigen Hauptverkehrsader Momotaro-o-dori bzw.
Kyusaigokukaido. Dort verkehren oberirdisch die Okayama Electric
Railway Higashiyama Line und unterirdisch die U-Bahn ab
Ekimaecho. Die Zielhaltestelle der Straßenbahn und der U-Bahn
ist jeweils Shiroshita, dann sind es nur noch 600 m zu Fuß.
Alternativ kann man den Bus in Richtung Saidaiji nehmen und an
der Haltestelle Kencho-mae aussteigen, dann sind es 600 m Fußweg
nach Norden. Die Burg liegt eingebettet in den Ujou-Park. Den
Besuch kann man verbinden mit dem des Gartens Kouraku-en auf der
anderen Seite des Asahi-gawa; die Tsukimi-bashi
(Mondbetrachtungsbrücke) verbindet die beiden
Sehenswürdigkeiten. Beim Garten liegt auch das Präfekturmuseum.
Das Burggelände ist 9:00-17:30 Uhr zugänglich, letzter Einlaß
um 17:00 Uhr. Der Eintritt auf das Gelände ist frei. Wer den
Tenshu-kaku besteigen und das darin befindliche Museum anschauen
möchte, kann das für 400 Yen tun. Ein Kombi-Ticket mit dem
Kouraku-en kostet 640 Yen.
Insgesamt läßt sich die Azuchi-Momoyama-zeitliche Burganlage noch gut nachvollziehen, auch wenn sich die historische Substanz weitgehend auf den Unterbau beschränkt: Die Wälle der Burg und die Gebäudeplattformen sind original und alt; die vorhandenen Aufbauten, Türme und Tore sind sämtlich Rekonstruktionen bis auf den Tsukimi-Yagura, dieser Turm ist der einzig Edo-zeitliche Aufbau, und den Nishite-yagura außerhalb. Natürlich spielt diese Burg nicht in der gleichen Liga wie diejenigen mit originalen Haupttürmen wie Matsumoto oder Himeji, und sie konkurriert auch nicht mit den richtig großen Anlagen wie Osaka oder denen mit sehenswerten, guten Rekonstruktionen wie Nagoya oder Kumamoto. Da ist die Burg Okayama qualitativ überall deutlich darunter angesiedelt. Dennoch ist es ein sehenswertes Ensemble, das mehr zu bieten hat als viele andere ehemalige Burganlagen, und zusammen mit der Gartenanlage Kouraku-en wird ein schönes Gesamtpaket daraus. Und weil so viele Mauerzüge und Fundamente vorhanden sind und auch in den Außenbereichen noch einige Mauern zu finden sind, lohnt eine Entdeckungstour nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb des Honmaru, um im modernen Stadtbild auf Spurensuche zu gehen und vor dem inneren Auge die Rekonstruktion erstehen zu lassen.
Geschichte
und Bedeutung
Ein Vorläufer dieser Burg
entstand in der Bürgerkriegszeit auf dem Hügel Ishiyama durch
Ukita Naoie (1529-1582), ein Warlord aus der Bürgerkriegszeit,
der sich nach der Tötung von Kanemitsu Munetaka in der Gegend
des heutigen Okayama (damals Provinz Bizen) als Daimyo etablierte
und die aus Bizen stammende Familie an die Macht brachte. Seine
Biographie ist geprägt von Krieg und oft wechselnden
opportunistischen Allianzen, erst mit Uragami Munekage, dann
gegen ihn, erst mit den Mori, dann gegen die Mori, erst mit Oda
Nobunaga, dann gegen ihn, dann wieder mit ihm. Diese erste Burg
entstand 1573. Der Hügel befindet sich westlich der heutigen
Burg, wurde später als Teil des Ni-no-maru-Geländes zu einer
dreiseitig umwallten Schanze umgewandelt und dient heute als
Parkplatz.
Naoies Sohn, Ukita Hideie (1572-1655), der 1582 in sehr jungem Alter Oberhaupt der Familie geworden war, errichtete auf Anweisung von Toyotomi Hideyoshi, dessen Vasall und Adoptivsohn er war, auf dem im Osten benachbarten Hügel Okayama ab 1589 seine Burg, die damals noch lediglich aus dem Hauptturm und dem innersten Wall bestand, und aus dieser Burg entwickelte sich die heutige Burganlage samt angrenzender Stadt. Der Hauptturm soll 1597 fertiggestellt worden sein. Das Lehen war mit 574000 Koku reich ausgestattet. Ukita Hideie wurde ein sehr mächtiger Warlord, einer der mächtigsten Daimyos des 16. Jh., und focht unter Toyotomi Hideyoshi, unter anderem 1585 in Shikoku gegen Chosokabe Motochika, 1587 in Kyushu, 1590 in Odawara gegen Houjou Ujimasa und 1597-1597 in Korea. Ihr Verhältnis war sehr eng, er war mit Hideyoshis Adoptivtochter verheiratet, und letzterer wählte ihn als Mitglied des Rats der fünf Regenten (Go-tairou) aus, um das Land nach seinem Tod für seinen minderjährigen Sohn Hideyori zu regieren. Als Regent war Ukita Hideie ein Parteigänger von Ishida Mitsunari und ein wichtiger Anführer der Westallianz, die bekanntlich 1600 in der Schlacht von Sekigahara unterlag. Diese Niederlage kostete ihn sein Lehen.
In dieser Schlacht spielte Ukita Hideie gewissermaßen eine tragische Rolle: Eigentlich schlug er sich gut, und er hätte durchaus gewinnen können. Doch seine Verbündeten hatten insgeheim eine Abmachung mit der Gegenseite getroffen und ließen ihn im Stich, schließlich wandten sie sich sogar gegen ihn. Dieser Verrat war ein entscheidender Faktor für den Sieg der Ostarmee. Ukita Hideie, der mit heiler Haut der Schlacht entrinnen konnte und sich zunächst ein paar Jahre versteckt hielt, wurde nach seiner Ergreifung 1603 auf die ferne Vulkaninsel Hachijou-jima verbannt, zusammen mit seinen beiden Söhnen, wo er die verbleibenden rund 55 Jahre seines Lebens in Abgeschiedenheit verbrachte. Das zu den Izu-Inseln gehörende Eiland war während des Tokugawa-Shogunats ein gerne genutzter Verbannungsort, um Straftäter aller Art loszuwerden. Die Familie Ukita war damit erledigt, erst gegen Ende der Edo-Zeit gab es einen Generalpardon für die Nachkommen, die sich dann wieder auf der Hauptinsel niederließen. Das Wappen (Kamon) der Familie Ukita ist ein oben und unten spitz ausgezogener Sechspaß mit einem Kanji "Ji" darauf und wird Ji-monji genannt. An der Burg wurde jedoch statt dessen das Wappen des obersten Dienstherrn angebracht, um die Loyalität zu Toyotomi Hideyoshi auszudrücken.
Unter den nachfolgenden Daimyos von Okayama, unter Kobayakawa Hideaki und unter der Familie Ikeda, expandierte die sich an diese Keimzelle anschließende Burgstadt immer weiter. Der genannte zweite Burgherr, Kobayakawa Hideaki (1582-1602), war ebenfalls ein Parteigänger von Toyotomi Hideyoshi; er war sogar sein Neffe und Adoptivsohn unter dem Namen Hashiba Hidetoshi (eigentlich war sein ursprünglicher Familienname Kinoshita). Dann wurde er zum zweiten Mal adoptiert, diesmal von Kobayakawa Takakage, und seitdem hieß er Kobayakawa Hidetoshi, was er aber nach Sekigahara zu Kobayakawa Hideaki änderte. Auch er spielte eine wichtige Rolle als einer der Generäle der Westallianz in der Schlacht von Sekigahara, und er war einer der oben genannten Anführer, die Ukita Hideie im Stich gelassen lassen und so den Sieg der Ostarmee ermöglicht hatten. Im Detail war das noch komplizierter: Es gab eine Absprache mit Tokugawa Ieyasu im Vorfeld. Doch auch die eigene Seite witterte, daß er umfallen könnte, und gab ihrerseits ein Versprechen: Mehr Land, bessere Stellung, besserer Titel. Kobayakawa Hideaki hatte also auf jeder Seite einen Vorteil zu erwarten, egal, was er tat, er mußte nur auf der Gewinnerseite stehen. Deshalb wartete er zunächst neutral ab, welche Seite wohl die Oberhand gewinnen würde, und er tat gar nichts. Schließlich wurde die Tokugawa-Seite ungeduldig und erinnerte ihn mit ein paar Warnschüssen an die getroffene Abmachung. Da endlich reagierte er, und mit seinem Überlaufen trat er eine Welle des Überlaufens los, was letztendlich der Ostarmee und Tokugawa Ieyasu zum Sieg verhalf.
Tokugawa Ieyasu war sich der Tatsache bewußt, daß dieses Überlaufen ein ganz wesentlicher Faktor für seinen Sieg gewesen war, und er honorierte dies. Als Belohnung für sein Überlaufen zur erfolgreichen Seite bekam Kobayakawa Hideaki die Burg Okayama und die umliegenden Gebiete von Ukita Hideie als Lehen, die Provinzen Bizen und Mimasaka, zusammen 550000 Koku Jahreseinkommen wert. Er baute die Burg massiv aus, wobei die zentralen Wallanlagen ausgeweitet wurden. Innerhalb kürzester Zeit ließ er den äußeren Graben (Soto-bori) anlegen, angeblich in nur 20 Tagen, und das bei einer Länge von 1,6 km. Er starb aber schon im Alter von nur 21 Jahren, seine Wirkungszeit in Okayama beschränkt sich also auf lediglich zwei Jahre. Er soll sich angeblich zu Tode gesoffen haben. Er hinterließ keine Nachkommen, deshalb stand das Lehen nach seinem Tod zur Disposition. Das Wappen der Familie Kobayakawa bestand aus drei (1:2) kommaartigen Figuren in linksdrehender Form zu einem Kreis zusammengestellt, also mit den spitz zulaufenden Enden jeweils im Gegenuhrzeigersinn (Mittsu-domoe, eine Form des Tomoe-mon). Die Familie gehörte zu den Tozama-Daimyos, also zu denen, die erst nach Sekigahara Vasallen wurden.
Danach kam das Lehen Okayama (Okayama-han), das die komplette Provinz Bizen und Teile der Provinz Bitchuu umfaßte, an die Familie Ikeda. Der erste Daimyo dieser Familie war Ikeda Tadatsugu (lebte 1599-1615, regierte 1603-1615), ein nachgeborener Sohn von Ikeda Terumasa, der das Lehen Himeji besaß. Die Familie Ikeda war mit den Tokugawa verwandtschaftlich verbunden, denn Tokugawa Ieyasu hatte seine Tochter Tokuhime an Ikeda Terumasa verheiratet. Sie gehörten zu den Tozama-Daimyos, also zu denen, die erst nach Sekigahara Vasallen wurden. Dennoch galten die Ikeda als vertrauenswürdig genug, um ihnen diese wichtige Burg an der strategisch wichtigen Position an der Straße Sanyou-dou anzuvertrauen. Der neue Lehensinhaber von Okayama war also Ieyasus Enkel. Anfangs war das Lehen Okayama mit 280000 Koku dotiert, 1613 wurde das auf 380000 Koku erhöht. Nach Ikeda Tadatsugu folgte sein jüngerer Bruder, Ikeda Tadakatsu (lebte 1609-1682, regierte 1615-1632), und das Lehen wurde mit der Nachfolge auf 315000 Koku gestuft, und dabei blieb es bis zum Ende der Edo-Zeit. 1632 wechselte er nach Tottori. Weil sein eigener Sohn noch zu jung war für die Übernahme des Lehens, folgte dessen Cousin nach, Tadakatsus Neffe, das war Ikeda Mitsumasa (lebte 1609-1682, regierte 1632-1672), der seit 1617 das Lehen Tottori besessen hatte und dieses nun dafür freigab. Von den Ikeda-Daimyos ist insbesondere dieser fünfte Daimyo des Lehens hervorhebenswert, Ikeda Mitsumasa, der einer der größten Daimyos des Lehens war und durch seine politischen Reformen die Grundlage der zukünftigen Entwicklung der Stadt Okayama schuf. Seine Mutter war übrigens Adoptivtochter von Tokugawa Hidetada.
Auch der sechste Daimyo, Ikeda Tsunamasa (lebte 1638-1714, regierte 1672-1714), war ein sehr fähiger Herrscher, der die Landwirtschaft ertragreicher machte, Maßnahmen zur Wasser- und insbesondere Überflutungsregulierung ergriff und neue Reisfelder anlegen ließ. Dieser war es auch, der den Garten Kouraku-en auf der anderen Flußseite anlegte. Dann folgten aufeinander die Daimyos Ikeda Tsugumasa (lebte 1702-1776, regierte 1714-1752), Ikeda Munemasa (lebte 1727-1764, regierte 1752-1764), Ikeda Harumasa (lebte 1750-1819, regierte 1764-1794), Ikeda Narimasa (lebte 1773-1833, regierte 1794-1833), Ikeda Naritoshi (lebte 1811-1842, regierte 1833-1842), Ikeda Yoshimasa (lebte 1823-1893, regierte 1842-1863), Ikeda Mochimasa (lebte 1839-1899, regierte 1863-1868) und Ikeda Akimasa (lebte 1836-1903, regierte 1868-1869/1871). Das Lehen Okayama blieb also die ganze Edo-Zeit hindurch bis zur Abschaffung des Feudalsystems 1869/1871 in der Hand der Familie Ikeda; der letzte Feudalherr war Ikeda Akimasa. Danach ging das Lehen in der neu geschaffenen Präfektur Okayama auf. 1884 bekamen die Ikeda den nach europäischem Vorbild neu geschaffenen Titel eines Marquis. Das Wappen der bis heute blühenden Familie Ikeda ist der Schmetterling, wobei die Bizen-Ikeda den Schmetterling in Aufsicht führten, mit symmetrischen, einen Kreis formenden Flügeln (Rin-cho), die Inshuu-Ikeda jedoch den auffliegenden Schmetterling in Profilansicht mit überlappenden Flügeln und Schwalbenschwanz-Fortsätzen am Flügel (Ageha-cho).
Mit dem Ende der Feudalzeit kam die Burg 1869 in Staatsbesitz. Der war nicht an militärisch völlig überholten Anlagen interessiert und ließ Ende des 19. Jh. viele historische Gebäude abreißen, um sich die Unterhaltskosten zu sparen und um statt dessen moderne Zweckbauten hinzustellen. Der große Abriß von Dutzenden von historischen Gebäuden auf dem Burggelände fand 1882 statt. Erst in den frühen 1930er Jahren wurde das wenige noch Übriggebliebene an Gebäuden, der Hauptturm (Tenshu-kaku), zwei Türme (Tsukimi-yagura und Nishite-yagura) und ein Tor (Ishiyama-mon), unter Schutz gestellt, der Hauptturm 1931 als Nationalschatz, die anderen drei Gebäude 1933. Dann kam der amerikanische Bombenangriff 1945, der den Hauptturm und das Ishiyama-mon vernichtete, so daß nach 1945 nur noch die Grundmauern und zwei originale Yagura-Türme übrig waren, einer in der Kernburg und einer außerhalb. 1966 wurden der Hauptturm und zwei Toranlagen wiederaufgebaut. 1987 wurde die gesamte Anlage als national wichtige historische Stätte unter Schutz gestellt.
Rundgang
und Beschreibung: Layout und Konzept
Das Burggelände wird im
Norden und Osten vom Fluß Asahi-gawa geschützt. Dieser speist
auch den 35-39 m breiten künstlichen Wassergraben (Uchi-bori)
auf der Westseite und auf der Südseite des Geländes. Das
Burggelände verfügt über drei Landverbindungen zur Stadt, eine
relativ breite im Nordwesten parallel zum Fluß, eine im
Südosten, ebenfalls parallel zum Fluß, und eine schmale Brücke
an der Südwestecke nach Süden, die aber eigentlich ein Damm mit
gemauerten Seitenflanken ist (Uchigeba-bashi, Uchi-meyasu-bashi).
Von den einstigen äußeren Wassergräben (Soto-bori) ist im
Stadtbild nichts mehr zu erkennen. Denn im Grunde ist die
komplette Burganlage, wie wir sie heute sehen, nur der
Honmaru-Bereich, dem sich weiter außen in Richtung Westen,
Südwesten und Süden noch Ni-no-maru und San-no-maru
anschlossen, die jeweils komplett von weiteren Wassergräben
geschützt waren. Alle diese Gräben konnten aus Seitenarmen des
Asahi-Flusses entwickelt und von diesem gespeist werden.
Wir haben es hier also mit einer Burg zu tun, die auf einem Hügel begann und den ganzen Hügel in eine Befestigung umwandelte und dann in die angrenzende Flußebene hinauswuchs, also mit einer Burg vom Hirayama-jiro-Typ. Das Layout ist komplex: Wenn man den Honmaru für sich betrachtet, können wir drei separate Bereiche unterscheiden, wovon zwei aneinander gebaut sind und ringsum von der dritten Einheit umgeben sind. Die Hauptkomponente (höchste Ebene) besitzt also seitlich anstoßende äußere Komponenten (mittlere und untere Ebene). Wenn man die gesamte Burgstadt betrachtet, bilden Honmaru, Ni-no-maru, Nishi-no-maru und San-no-maru eine von Westen und Südwesten her in Richtung Flußbiegung gestaffelte Abfolge, wie man sie beim Teikaku-shiki-Typ findet.
Mit der Westausdehnung der Burganlage wurde auch der Hügel Ishiyama einbezogen, auf dem der Vater des Burgerbauers seinerzeit die erste Burg errichtet hatte. Dieser mitten im Ni-no-maru stehende Hügel wurde komplett umgestaltet und hatte danach das Aussehens einer erhöhten, an drei Seiten mit Ishigaki-Wällen umgebenen Stellung, die rückwärtig offen war.
Rundgang
und Beschreibung: untere Ebene des Honmaru
Das erhaltene Burggelände des
Honmaru gliedert sich in drei Bereiche: Der äußerste, am
tiefsten liegende Bereich ist der zwischen den inneren
Grabenmauern und den höher aufragenden inneren Wällen, das ist
im Westen, Norden und Osten nur ein schmaler Streifen, nur im
Süden gibt es mehr Platz. Im Süden gibt es einen markanten
rechtwinkligen Versatz der Außenmauern, dort stand am Eck
früher ein Wachturm, der Shishizawa-yagura oder Shisou-yagura,
von dem aber nur das rechteckige Fundament erhalten ist, zu dem
rückwärtig eine Steintreppe hinaufführt (Shishizawa-yagura
ato). Ein weiteres Turmfundament steht an der Südostecke bei der
Landverbindung zur Stadt, das war der Hata-yagura. An der
Südwestecke stand früher neben der schmalen Brücke der
Taiko-yagura, der Trommelturm. Auch von diesem ist nur noch ein
Fundament zu sehen (Taiko-yagura ato). Ein vierter Turm, der
Tsukiya-yagura, stand in der Mitte zwischen Taiko-yagura und
Shisou-yagura, so daß die Südseite mit insgesamt vier Türmen
gut gesichert war. Der Damm an der Südwestecke war früher der
Hauptzugang, dort befand sich früher auf der Innenseite das
Omote-mon (Vordertor, auch Ote-mon oder Uchigeba-mon genannt).
Der in Form eines rechtwinkligen Hakens zurückspringende Wall
auf der Ostseite des Eingangs zeigt, daß hier früher ein Tor
vom Masugata-Typ stand, mit schwächerem Außentor vom Typus
eines Korai-mon und rechtwinklig dazu angeordnetem starkem
Innentor vom Watari-yagura-mon-Typ. Wer das schwächere Tor
überwand, fand sich in einem quadratischen Zwinger vor einem
wesentlich stärkeren Tor wieder und konnte von den Wällen
ringsum wirkungsvoll bekämpft werden. Die rechtwinklig versetzte
Anordnung verhindert den geraden Durchschuß von außen. Im
Norden gabe es in der Nähe der nach Westen verbindenden
Landbrücke noch ein kleines Tor, das Babaguchi-mon.
Dieser niedrige äußere Bereich wird in der Mitte der südlichen Ausdehnung in Nord-Süd-Richtung zweigeteilt durch zwei Wälle mit einer Lücke dazwischen: Dort schloß früher das mittlere Tor (Chuu-mon) die mittige Lücke (Chuu-mon ato). In der Nähe dieses Tores steht eine rechteckige Steinplattform, auf der unlängst eine Halle rekonstruiert wurde. In diesem Tomo-no-koshikake konnten die Begleitpersonen warten, während ihre Herrschaften oben in der Burg ihre dienstlichen Geschäfte erledigten. Heute dient die rekonstruierte Halle als schattiger Rastplatz. Auf der Ostseite zum Fluß befinden sich zwei rechteckige Fundamentplattformen des Yari-yagura und des Yumi-yagura. Drei weitere Turmfundamente sind an der Westseite entlang des Wassergrabens zu sehen, wo sich früher die Türme Shuufuku-yagura, Aburagura-yagura und ein weiterer Sumi-yagura befanden. Ganz im Nordwesten gab es noch den Kosakuji-ukehata-yagura am Ende der nach Westen führenden Landverbindung zwischen Honmaru und Ni-no-maru. In der Mitte der Nordseite befand sich früher in der Nähe des Babaguchi-mon der Hanabatake-sumi-yagura. Zurück zur Südseite des Honmaru: In der Nähe des Südwest-Dammes, wo sich früher die große Toranlage als Hauptzugang befand, fallen besonders große Steine auf, die Kagami-ishi genannt werden. Der größte dieser Steine ist 4,10 m hoch und 3,40 m breit. Es war seitens der Burgbesitzer durchaus eine Form von Angeberei, solche Steingiganten zu verbauen, am liebsten in Tornähe, wo sie von jedem Ankömmling bestaunt werden konnten. Man ahnt, was der Transport gekostet hat, und insofern ist das Zeigen solcher Steine eine Form von Protzerei.
Rundgang
und Beschreibung: Tore zu den oberen Ebenen des Honmaru
Innerhalb dieses äußeren
Bereiches erheben sich die hohen Ishigaki-Wälle der beiden
inneren Bereiche. Diese beiden sind etwa gleich groß und durch
einen Nord-Süd-Wall mit zahlreichen, abwechselnd runden und
viereckigen Schießscharten im Wehrmaueraufbau in einen zweiten,
mittleren Bereich im Westen (Nakanodan) und einen höher
gelegenen innersten Bereich im Osten (Hondan) getrennt. Drei Tore
führen aus dem dritten Bereich hinauf, zwei in den zweiten
Bereich (Nakanodan), eines in den innersten Bereich (Hondan). Im
Norden führt das Rokamon in den zweiten Bereich (Nakanodan)
hinein, es ist zweistöckig und trägt den Namen, weil das
Obergeschoß des Yagura-mon als Korridor (Roka) über die
Toröffnung hinwegführt. Dieser Korridor war Teil eines Ganges,
der vom nahen privaten Palast des Burgherrn herabführt und
ausschließlich vom Daimyo benutzt wurde, um einfach vom oberen
Niveau auf das mittlere Level gelangen zu können. Dahinter
führt die Treppe hoch auf das höher gelegene Niveau der zweiten
Einheit, der mittleren Ebene des Honmaru. Der Hohlweg der Treppe
war von den erhöhten Stellungen zu beiden Seiten gut zu
verteidigen. Dieses in der Meiji-Zeit zerstörte Tor ist 1966 aus
Beton rekonstruiert worden. Am nördlichen Treppenaufgang stieß
man nach wenigen Schritten auf das einfache hölzerne Tor zum
Omote-shoin, dem Verwaltungs-Palast der mittleren Ebene. Im
Süden war das Gegenstück das Kurogane-mon, das Eisentor, das
den Namen aufgrund seiner eisernen Beschläge trug. Dort ist
nichts rekonstruiert; die zwischen den Wällen hinaufführenden
Treppen lassen aber klar erkennen, daß hier sowohl unten als
auch oben im rechten Winkel zum unteren zwei Einbauten von
sperrenden Toren vorgesehen waren, wobei das obere das festere,
stärkere Kurogane-mon war. Hier gab es eine etwas größere
Freifläche, an deren Ende ein weiteres hölzernes Tor Zugang zum
Omote-shoin gab.
Und untereinander sind zweiter und innerster Bereich durch ein weiteres Tor miteinander verbunden, durch das groß dimensionierte Akazu-no-mon ("ungeöffnetes = verschlossenes Tor"). Dieses erst während der Meiji-Zeit abgerissene Tor ist wiederum 1966 rekonstruiert worden, es ist zweistöckig und regelt den Zugang unten, während dahinter zwischen den Wallabschnitten die Treppe zum innersten Bereich (Hondan) hinaufführt. Das obere Geschoß wird mit einem Irimoya-Dach abgeschlossen. Diese Trennung des Honmaru in zwei obere Bereiche war nötig, weil jenseits dieses Tores der Daimyo residierte, während diesseits des Tores im Nakanodan die Verwaltungsbauten lagen. Es hatte also ein wesentlich geringere Anzahl Menschen Zutritt zum oberen Bereich, und deshalb mußte der Zugang stark gesichert werden. Normalerweise war dieses Tor eigentlich immer geschlossen (daher der Name des Tores), während davor eben alle Personen ein- und ausgingen, die Regierungsangelegenheiten zu regeln hatten. Während der Edo-Zeit nutzte der Burgherr selbst einen vom Nordwesteck des privaten Palastes ausgehenden Verbindungskorridor in der Nähe des Tenshu-kaku, um den inneren Bereich zu verlassen, das war praktischer und einfacher.
Dieses Verbindungstor steht in unmittelbarer Nachbarschaft zum ehemaligen Kurogane-mon. Im Layout der Burg gibt es noch einen weiteren Zugang zum innersten Bereich, wenn man neben dem Rokamon eine 170°-Wende vollzieht; dort ist aber kein weiteres Tor eingebaut. Und dann gibt es noch eine direkte Verbindung zwischen dem innersten Bereich und ganz unten, aber an der durch den Fluß geschützten Ostseite. Und hier steht am oberen Ende der Treppe noch nicht einmal ein "richtiges" Yagura-mon, sondern nur ein einfaches Holztor mit Satteldach (Rekonstruktion aus dem Jahre 1966). Das ist das Rokujuuichiganginouemon, dessen sperriger Name sich zusammensetzt aus "Rokujuu" = 60, "ichi" = 1, "gangi" = Stufen, "no" = Zugehörigkeitspartikel, erforderlich für die nachfolgende Positionsangabe, "ue" = oberhalb von, und "mon" = Tor, es ist also das Tor am oberen Ende von 61 Stufen, die direkt von ganz unten am Fluß bis nach ganz oben führen. Die heute noch vorhandenen Stufen liegen unter dieser Zahl, eine zweite Treppe zum Flußufer wurde wohl mitgerechnet. Manchmal läßt man im Namen auch das "no" weg: Rokujuuichigangiuemon. So eine wenig geschützte Direktverbindung ist trotz der steilen Treppen und der sie überragenden Wälle eine ganz gefährdete Stelle, deshalb ist sie an der abgelegensten Stelle angelegt worden. Dennoch befand sich unten am Fuß der Treppe ein zusätzlicher Schutz durch ein Yagura-mon: der von unten gesehene links der Treppe vorgezogene, rechteckige Wall (heute baumbewachsen) bildete den Unterbau auf der Außenseite, und die Innenseite lehnte sich an den hohen Ishigaki-Wall rechts der Treppe an. Man erkennt aber deutlich, daß dieser Wall erst nachträglich angebaut wurde, das Tor also erst später durch den unteren Querriegel gesichert wurde.
Rundgang
und Beschreibung: obere Ebenen des Honmaru, Wälle und Wachtürme
Natürlich waren auch die
erhöhten inneren beiden Wallbereiche mit Wachtürmen gesichert:
An der Südwestecke springt nach außen das große Fundament für
den Ounando-yagura vor, den früher größten und einzigen
dreistöckigen Eckturm. Die Überlieferung berichtet, daß dieser
Turm einst in einer anderen Burg von Ukita Naoie stand, in der
Burg Kameyama (Burg Numa), und dort abgebaut wurde, um hier
installiert zu werden. Es war auf jeden Fall neben dem Hauptturm
der mächtigste Turm der ganzen Anlage, wie man auch am Fundament
nachvollziehen kann. Gleich dem Hauptturm war er schwarz
verbrettert. In Friedenszeiten diente er als Verwaltungsarchiv.
Dann folgt an der Westseite nach Norden eine nach innen gerückte
Kurtine, dann springt wieder ein Mauerabschnitt nach außen vor,
an dessen beiden Ecken einst der Inbe-yagura und der
Sukikata-yagura standen, und zwischen den genannten Türmen
verlief jeweils ein verbindender Tamon-yagura entlang der
Wallkrone.
Die Nordwestecke bildet der Tsukimi-yagura, der Mondbetrachtungsturm, und das ist nicht nur der einzige Wachturm der heutigen Burg, sondern auch der einzige Bau oberhalb der Steinwälle, der nicht rekonstruiert worden ist und der den Feuersturm 1945 überlebt hat. Dieser Turm wurde in den 1620er Jahren unter Ikeda Tadakatsu errichtet, und er ist wirklich noch original aus dieser Zeit. Entsprechend ist er als wichtiges Kulturgut eingestuft. Wenn man diesen Turm von außen sieht, wirkt er zweistöckig, doch wenn man ihn von der Innenseite her sieht, erkennt man, daß er in Wirklichkeit dreistöckig ist. Das unterste Geschoß besteht aus einem Lagerraum mit verputzten Lehmwänden. An der Außenseite besitzt der Turm eisenbeschlagene Erkerfenster mit Öffnungen an der Unterseite, durch die man angreifende Feinde beobachten konnte und die man als Wurferker für Steine und andere unangenehme Dinge verwenden konnte (Ishi-otoshi). Auf der Innenseite hat der Turm einen gänzlich anderen Charakter: Die oberste Ebene besitzt eine Veranda mit Geländer, und die Decke ist verkleidet. So wehrhaft seine Außenseite wirkt, so friedlich sieht seine Innenfassade aus, und wegen dieser Aussichtsplattform ganz oben bekam der Yagura den Namen "Mondbetrachtungsturm". Mondbetrachtungstürme gab es auch in anderen Burgen wie z. B. in Matsumoto und in Edo, und die Betrachtung der Mond-Schönheit war genauso wie Noh-Theater, Tee-Zeremonie etc. Teil der ästhetischen Seite der Samurai-Kultur. Die Wallkante entlang verläuft eine Wehrmauer mit Schießscharten, abwechselnd rund und eckig zugeschnitten. Am Eck zum Rokamon stand früher der Konando-yagura. Insgesamt 5 Türme waren also einst auf der Strecke zwischen den beiden in den Westbereich hochführenden Tore aufgebaut.
Wenn man vom Kurogane-mon aus dagegen ostwärts geht, so hat man hier die höchsten Wälle der ganzen Burganlage, weil hier der komplette Höhenunterschied zwischen dem innersten Bereich und dem unterem Bereich zum Tragen kommt. Dort standen nacheinander im Gegenuhrzeigersinn der Sangai-yagura (auch: Sankai-yagura) an der Südecke, der Hoshii-yagura an der Südostecke und der Nagaya-tsuzuki-yagura an der Ostecke, dazwischen jeweils ein Tamon-yagura als Verbindung. Alle zusammen verteidigten die südlichen und südöstlichen Steinwälle des Hondan. Die Flußseite war gut geschützt, deshalb standen dort keine weiteren Türme.
Wenn man die Wälle des Hondan und die des Nakanodan vergleicht, werden einige Unterschiede sehr deutlich, obwohl nur wenige Jahrzehnte zeitlich dazwischen liegen: Die älteren Wälle sind die rings um den Hondan. Sowohl im Norden als auch im Südosten bilden sie einen polygonalen Umriß mit ausschließlich stumpfen Winkeln. Der Verlauf der Mauern orientiert sich an den natürlichen Gegebenheiten des umbauten Hügels. Wachtürme waren entlang der Kante positioniert. Die Wälle des Nakanodan und die Wände des Grabens hingegen nehmen keine Rücksicht auf Hügel oder Felsen, sie wurden wie auf dem Reißbrett angelegt mit rechtwinkligen Vor- und Zurücksprüngen und rechtwinkligen Ecken. Das Vor- und Zurück wurde künstlich geschaffen, um Wachtürme in vorgeschobene Positionen zu bringen und von diesen aus den Mauerfuß der dazwischenliegenden Abschnitte bestreichen zu können. Die Wachtürme hatten eigene rechteckige oder quadratische Fundamente, die bei großen Türmen einen Versatz der Außenlinie erforderlich machten.
An einigen Stellen der Wälle wie z. B. an der Südseite der höchsten Einheit sieht man gut, daß sie auf gewachsenem Fels stehen, was manchmal auch zu Unregelmäßigkeiten führt. Diese Steinwälle im Südosten wurden von Ukita Hideie um 1597 aus unbehauenen, naturbelassenen Steinen errichtet. Wo die Mauern nicht auf Fels stehen, reichen sie teilweise tief in den Boden hinein, bis zu 3 m unter dem heutigen Bodenniveau. Mit einst insgesamt 15,60 m Höhe zählen sie zu den höchsten Steinwällen aus der Zeit vor Sekigahara. Die südöstlichen Wälle entstanden unter Ukita Hideie, die nördliche Fortsetzung parallel zum Fluß entstand unter Kobayakawa Hideaki, und man sieht den Wechsel ganz gut, weil ersterer sehr stabil baute mit sehr großen, sorgfältig positionierten Steinen und letzterer viele runde Steine in schlechterem Zusammenspiel stapelte.
Einen weiteren Wechsel der Ishigaki-Technik kann man am unteren Ende der Treppe zum Rokujuuichigangiuemon beobachten: An den östlichen Wall ist unten nachträglich ein zweiter Wall angesetzt worden, um das untere Yagura-mon zu tragen. Der östliche Wall selber besitzt die unbehauenen Steine der Nozura-zumi-Technik, doch der angesetzte Wall hat die sorgfältiger behauenen Steine der Uchikomihagi-Technik, und das zeigt deutlich den zeitlichen Unterschied in der Entstehung: Hier wurde eine nachträgliche Verstärkung angesetzt, um ein Yagura-mon zusätzlich einbauen zu können. Der Unterschied wird auch deutlich, wenn man nach Umschreiten der Wälle im Gegenuhrzeigersinn im Norden wieder beim Rokamon ankommt: Die dortigen Wälle sind nur 30 Jahre später entstanden, aber von ganz anderer Technik der Steinschichtung als die frühen Wälle der Ostseite.
Rundgang
und Beschreibung: Tenshu-kaku
Der nach außen mit fünf
Dachebenen ausgestattete, nach Fensterebenen und innerer
Einteilung aber über dem Sockel sechsstöckige Hauptturm
(Tenshu-kaku) der Burg Okayama ist an der Nordseite des innersten
Bereiches zu finden. Er hat eine außergewöhnliche Form, denn er
hat einen langgestreckt unregelmäßig fünfeckigen Grundriß,
dem Umriß des Hügels und dem Verlauf der Wallmauern (Kita-gawa)
folgend. Beeindruckend hoch ist der Unterbau, wenn man hier an
der Außenseite entlang geht: Die Mauern ragen 14,90 m auf. Diese
Mauern stammen noch aus der Zeit von Ukita Hideie und sind um
1597 entstanden. Die Ishigaki-Wälle verwenden zwar
naturbelassene Steine, weisen aber die gleiche hohe Qualität wie
an der Südseite des innersten Bereiches auf mit dennoch relativ
glatter Außenseite. Diese Mauern sind in dem Stil Nozura-zumi
errichtet worden, was ein relativ alter Stil ist und in Einklang
mit der Erbauungszeit gegen Ende des 16. Jh. steht. Hier stehen
die Mauern teilweise auf solidem Fels, denn genau hier drunter
befindet sich der Hügel Okayama. Auch der Grundriß des ersten
oberen Stockwerks ist noch fünfeckig.
Der 21 m hohe Tenshu ist von einzigartigem Aufbau, denn dem langgestreckten Unterbau mit fünfeckigen Grundriß und mit Irimoya-Dach auf dem zweiten Geschoß ist mittig der quadratische Wachturm eingefügt, der wiederum aus zwei unterschiedlichen, jeweils zweigeschossigen Elementen aufeinander besteht. Somit besteht der Hauptturm aus drei jeweils zweistöckigen Einheiten jeweils ganz unterschiedlicher Bauweise. Prinzipiell entspricht der Tenshu dem Borogata-Typus. Es handelt sich beim gegenwärtigen Bau um einen Wiederaufbau der Showa-Zeit aus dem Jahr 1966; das Material ist innen Stahlbeton, nur die Außenverkleidung orientiert sich am Vorbild, wie es durch historische Pläne und Photos dokumentiert war. Typisch für das äußere Aussehen ist die Verkleidung mit schwarz lackierter Verbretterung (shitami-ita), die ähnlich bei den zeitähnlichen Burgen Azuchi und Osaka angebracht war. Wegen dieser schwarzen Farbe erhielt die Burg Okayama den Spitznamen "Krähenburg (U-jou)", alternativ "Karasu-jou". Bei Ausgrabungen hat man vergoldete Dachziegel gefunden. Das war für die Hauptburg eines mächtigen Lehensinhabers unter der Regierung des Reichseinigers Toyotomi Hideyoshi eine selbstbewußte Repräsentation, und bei der Rekonstruktion hat man einzelne exponierte Elemente der Dachziegel, wie die firstendständigen Shachi, die Onigawara mit dem Wappen von Toyotomi Hideyoshi und die runden Endplatten der traufständigen untersten Dachziegelreihe mit dem gleichen Kiri-mon (Paulownien-Blütenstand mit Blättern) wieder vergoldet. Deshalb wurde der Spitzname der Burg zu "Kin-u-jou" erweitert, goldene Krähenburg.
Bezüglich der Farbe gibt es eine interessante Theorie: Der frühere Hauptturm der Burg Osaka soll schwarz gewesen sein, und das war die Burg von Toyotomi Hideyoshi. Schwarze Haupttürme haben auch die Burgen Kumamoto und Hiroshima, und beide Erbauer waren Parteigänger von Toyotomi Hideyoshi, genau wie hier in Okayama. Die Parteigänger von Tokugawa Ieyasu hingegen bauten weiße Burgtürme, wie in Hikone und in Himeji. Die Ausnahme von der Regel ist Matsue, schwarz und Tokugawa-Partei. Andererseits sind die schwarzen Burgtürme die älteren (wie auch Matsumoto), die weißen die jüngeren, und wahrscheinlich koinzidiert der Wechsel der Macht von der Familie Toyotomi zur Familie Tokugawa einfach mit einem Wandel der Technik, um 1600 wechselte man von der Verbretterung mit schwarz lackiertem Holz zu weiß verputzten Außenwänden, und diese neue Technik entwickelte sich zunächst rings um die Herrschaftszentren Kyoto und Edo, während sich das in abgelegeneren Regionen Westjapans erst später durchsetzte. Auch klimatische Bedingungen mögen eine Rolle spielen, und lackiertes Holz ist widerstandsfähiger gegen Regen und Taifune als Putz, der aufweicht.
An der Westseite des Tenshu-kaku ist ein Lagerhaus (Salzspeicher) angebaut, und über dieses erfolgte früher der Zugang zum Hauptturm. Der heutige ebenerdige Zugang im Sockelgeschoß des Tenshu-kaku ist nicht authentisch für die ursprüngliche Bauzeit. Die Steinwälle oben unterhalb des Lagerhauses sehen ganz anders aus als die übrigen Wälle, und sie sind auch zeitlich deutlich später: Erst zwischen 1688 und 1703 wurden diese Wälle gemauert, um die originale Mauer zu verstärken, die einen "Bauch" bekommen hatte. Typisch für diese späte Zeit sind die sorgfältig behauenen Steine mit minimalen Zwischenräumen und fast glatter Außenhaut. Hier wurden die am stärksten vorbearbeiteten Steine der ganzen Wälle der Burg verbaut.
Innendrin ist ein komplett modernes Museum eingerichtet, und dieses ist aktuell noch einmal modernisiert worden (Wiedereröffnung am 3.11.2022). Im ersten Obergeschoß ist das Zimmer des Burgherrn rekonstruiert worden. Der historische Tenshu-kaku, der die Meiji-Zeit heil überstanden hatte und am 28/29.6.1945 durch amerikanische Bomber zerstört wurde, hatte eine Holzpfostenkonstruktion, die auf Steinplatten standen. Beim Wiederaufbau wurden die historischen Steinfundamente geborgen und im Südosten des Hondan gemäß Befund neu ausgelegt (Tenshu soseki ato).
Daß 1945 der Hauptturm ein Opfer des Bombardements wurde, ist eine Tragödie, vor allem weil es einer der wenigen Burgtürme war, der den aktiv betriebenen Burgenabriß der Meiji-Zeit überlebt hatte. Von den bis dahin erhaltenen 19 Haupttürmen wurden 7 im Jahre 1945 zerstört: Neben Okayama waren das Fukuyama, Hiroshima, Nagoya, Wakayama, Gifu und Ogaki, dazu einige Türme in Osaka. Man darf aber nicht glauben, daß bis dahin die vollständige Burg mit ihren über zwei Dutzend Yagura-Türmen, mit ihren Palasteinbauten etc. erhalten geblieben wäre. Die Zeit ist auch in Okayama nicht stehengeblieben. Vielmehr waren bis dahin alle Walltürme der Kernburg bis auf einen verschwunden, und auch die Tore waren abgerissen worden. Statt dessen hatte man die Flächen genutzt, um "moderne" Zweckbauten hinzustellen, so daß bereits vor der verheerenden Bombardierung der Hauptturm wie ein einsames Relikt aus fremder Bebauung herausragte, wie alte Photos aus der Vorkriegszeit belegen. Im Zuge des neu erwachten Interesses an alten Burgen ab der Mitte des 20. Jh. wurden außer Okayama etliche weitere Haupttürme wieder aufgebaut, wobei die frühen Wiederaufbauten alle in Stahlbeton erfolgten: Fukuyama, Hiroshima, Nagoya, Wakayama, Gifu, Osaka, Kumamoto und Odawara. Erst spätere Wiederaufbauten haben ein höheres Maß an Authentizität.
Rundgang
und Beschreibung: ehemalige Palastbauten und Grabungsbefund
Von früher einst vorhandenen
herrschaftlichen Palasteinbauten des Hondan hat sich nichts
erhalten; die Fläche ist als Park gestaltet. Historische
Grundrisse zeigen hier eine ausgedehnte Palastanlage, die sich
vom Tenshu-kaku bis zur Treppenanlage des Tores erstreckt.
Nebengebäude füllen locker die verbleibende polygonal ummauerte
Fläche im Südosten. In der westlichen Walleinheit hingegen kann
man noch die Ausdehnung einer Palastanlagen nachvollziehen, des
Omote-goten (Omote-shoin), des als Verwaltungsgebäude dienenden
vorderen Palastes, der mit insgesamt 65 Räumen einen Großteil
der Fläche einnahm. Im Bereich des nach Westen vorspringenden
Mauerabschnitts war ein Garten angelegt. Dort im ehemaligen
Palastbereich ist auch eine interessante Grabungsstelle zu sehen,
in einem tiefen Loch ist eine mit Ishigaki verkleidete Ecke einer
ersten, älteren Burg aus der Zeit von Ukita Hideie zu sehen,
bevor dieser Bereich weit nach Norden und Westen ausgedehnt
wurde. Das sind mit die ältesten Ishigaki-Wälle der Burg.
Typisch für diese alten Wälle sind die relativ naturbelassenen
Steine in effektiver gegenseitiger Verkeilung ohne Gebrauch von
Kleinzeug als Füllmaterial. Nur 30 Jahre nach diesem Wall fand
die neue Nordexpansion statt, und dann entstanden die heutige
Nord- und Westseite des umwallten Bereichs, als der Nakanodan
vergrößert wurde.
Anhand der Spurenlage kann man auch heute noch sehr gut nachvollziehen, wie groß und bedeutend diese Burganlage einmal war: Ukita Hideie war einer der wohlhabendsten und mächtigsten Daimyos des ausgehenden 16. Jh., und die enorme Finanzkraft seines Lehens, das mit 574000 Koku ausgestattet war, erlaubte ihm den Bau einer äußerst repräsentativen Burganlage: Zu besten Zeiten hatte diese Burg insgesamt 35 Türme, 21 Tore, 2 Residenzen und einen Garten. Wer die Wälle abschreitet und nach den Spuren der Turmfundamente sucht, gewinnt einen guten Eindruck von der Dichte der Türme und von der einstigen Stärke dieser Burg.
Rundgang
und Beschreibung: Wälle der äußeren Bereiche
Einige sehenswerte Spuren der
äußeren Walleinheiten (Ninomaru, Nishinomaru, Ishiyama-kuruwa
etc.) sind westlich, südwestlich und südlich des
Honmaru-Bereichs zu finden:
Wer in der geschäftigen und verkehrsreichen Großstadt unterwegs ist, wird all diese Stellen kaum finden. Hier ist es hilfreich, die Teilstücke vorab im Luftbild zu entdecken und vor Ort gezielt danach zu suchen: Es ist noch mehr vorhanden, als man anfangs glaubt, und die Suche wird immerhin mit einem originalen zweiten Turm belohnt.
Photos: 1. Tor: Rokamon
Tsukimi-yagura
2. Tor: Akazu-no-mon
Wälle rechts und links des Akazu-no-mon
Literatur,
Links und Quellen
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@34.6646975,133.9357496,18.75z - https://www.google.de/maps/@34.6646928,133.9361915,285m/data=!3m1!1e3
Webseite der Burg Okayama: https://okayama-castle.jp/ - https://okayama-castle.jp/home-en/ - Bauwerke: https://okayama-castle.jp/gather-map-en/ - Tenshu-kaku: https://okayama-castle.jp/gather-introduction-en/ - die Burgherren: https://okayama-castle.jp/learn-castlelords-en/ - Geschichte: https://okayama-castle.jp/learn-history-en/
Lehen Okayama: https://en.wikipedia.org/wiki/Okayama_Domain
Familie Ikeda: https://en.wikipedia.org/wiki/Ikeda_clan - https://de.wikipedia.org/wiki/Ikeda_(Klan)
Ukita Hideie: https://en.wikipedia.org/wiki/Ukita_Hideie
Ukita Naoie: https://en.wikipedia.org/wiki/Ukita_Naoie
Familie Ukita: https://en.wikipedia.org/wiki/Ukita_clan
Kobayakawa Hideaki: https://en.wikipedia.org/wiki/Kobayakawa_Hideaki
Familie Kobayakawa: https://en.wikipedia.org/wiki/Kobayakawa_clan
Jennifer Mitchelhill, David Green: Castles of the Samurai - Power
and Beauty, 112 S., Verlag: Kodansha International 2013, ISBN-10:
1568365128, ISBN-13: 978-1568365121, S. 82, 84, 86, 93, Abb. 56,
57
Jennifer Mitchelhill, David Green: Samurai Castles - History /
Architecture / Visitors Guides, 128 S., Verlag: Tuttle Pub. 2018,
ISBN-10: 4805313870, ISBN-13: 978-4805313879, S. 66-69
Toshitaka Morita, Takahiro Miyamoto: Castles in Japan (Landscapes
of the Japanese Heart), 304 S., Verlag: Mitsumura Suiko Shoin,
2018, ISBN-10: 4838105606, ISBN-13: 978-4838105601, S. 100-102
Miura Masayuki, Chris Glenn: Samurai Castles, Bilingual Guide to
Japan, Uchida Kazuhiro/Shogakukan, 2017, ISBN 978-4-09-388543-0,
S. 96-97
Webseite der Stadt Okayama: https://www.okayama-japan.jp/en/spot/776
Okayama auf Japan Travel: https://www.japan.travel/de/spot/912/
Burg Okayama auf JCastle: https://www.jcastle.info/view/Okayama_Castle
Burg Okayama: https://www.nohgaku.or.jp/en/journey/okayama_castle
Burg Okayama im Blog Burgerbe: https://www.burgerbe.de/2011/04/11/okayama-castle-die-einstmals-goldene-krahenburg/
Besucher-Faltblatt der Burg Okayama, herausgegeben von der Stadt
Okayama
Masao Yamada: The Anatomy of Castles in Japan, revealed by an
Urban Design Expert, jap. und engl., Nitto Shoin Honsha Co. Ltd.,
Japan 2017, 288 S., ISBN: 4-528-02011-4, intl. 978-4-528-02011-5,
S. 236
Okayama-jo, Teil (2): Burg, Photos vom Tenshu-kaku und den Shachi - Okayama-jo, Teil (3): Burg, Photos von Hondan, Rokujuuichigangiuemon, ehem. Kuroganemon und rückwärtigen Wällen
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