Bernhard
Peter
Fukuyama
(Präf. Hiroshima), Burg Fukuyama-jo, Teil (1): Beschreibung und
Gesamtansichten
Lage
und Erreichbarkeit, Touristisches
Fukuyama ist gut mit dem
Sanyo-Shinkansen zu erreichen, je nach Verbindung 63-117 min. von
Shin-Osaka, 88-148 min. von Kyoto, 24-58 min. von Hiroshima aus.
Bequemer kann eine Burg nicht zu erreichen sein: Man fällt
praktisch aus dem Bahnhof in die Burg. Wer den Nordausgang des
JR-Bahnhofs nimmt, steht unmittelbar vor den Wehrmauern der Burg
(Adresse: 1 Chome-8-3 Marunouchi, Fukuyama, Hiroshima 720-0061).
Mehr noch: Da die Burg früher größer war als heute, steht der
Bahnhof auf ehemaligem Burggelände, genauer gesagt verläuft die
Bahntrasse im inneren Graben, und nur der 28 m hohe Hügel hat
verhindert, daß auch noch diese verbliebenen Mauern beim Bau der
Bahntrasse mit draufgingen. Entsprechend unmittelbar steht man
davor, kaum daß man den Bahnhof verlassen hat. Man sollte sich
gar nicht so beeilen, aus dem Bahnhof herauszukommen, denn den
besten Blick auf die Anlage hat man vom höhergelegenen Bahnsteig
der Shinkansen-Gleise: Es lohnt sich, für ein paar gute
Aufnahmen den Bahnsteig einmal von links nach rechts
entlangzulaufen und immer mal wieder ein Fenster der verglasten
Nordseite zu öffnen (und hinterher wieder gut zu verschließen
bitte!). So einen Blick auf die Wehranlagen der Südseite bekommt
man später nicht mehr. Das Burggelände ist frei zugänglich;
das Museum im Dai-Tenshu kostet 500 Yen Eintritt und ist
9:00-17:00 außer Montag geöffnet. Photographieren ist im Museum
nicht gestattet. Nachdem der Hauptturm lange Zeit seit 2020 wegen
Asbest-Sanierung geschlossen war, ist Voranmeldung über die
Webseite des Museums erwünscht, um den Besucheransturm nach der
sanierungsbedingten Schließungszeit und der anschließenden
Außenrenovierung zu organisieren (Stand 2023).
Früher war Fukuyama-jou (Burg Fukuyama, fuku = Glück, Wohlstand, Reichtum, yama = Berg, jou = Burg, alternative Namen: Hisamatsu-jou, Iyoo-jou) eine wirklich beeindruckende Burg, eine riesige Anlage mit zahlreichen Mauerringen und Türmen. Dann waren in der Meiji-Zeit Eisenbahnen wichtiger als Burgen, man baute die Bahnlinie entlang der Seto-Inlandsee, und da kam der Verlauf des inneren Burggrabens gerade recht als Trasse. Der Hauptturm und andere Türme überstanden die Meiji-Zeit unversehrt. Doch die umfassenden Kriegszerstörungen am 8.8.1945 ließen nach Zerstörung aller wesentlichen Aufbauten nur ein Fragment der alten Anlage zurück, so wie das gesamte historische Zentrum der Stadt vernichtet wurde. Die meisten Ishigaki-Mauern wurden zerstört; die Steine wurden anderweitig verwendet. Nur wenige Strukturen sind alt, eigentlich nur drei Gebäude, und einige wie der Hauptturm sind 1966 wiederaufgebaut worden, aber entstammen der Nachkriegs-Wiederaufbauphase, d. h. das Baumaterial ist Stahlbeton, denn damals war man noch weit von dem heutigen Bemühen um originalgetreuen Wiederaufbau entfernt. Nach außen bewahrt der Tenshu die Form, innen ist das Gebäude eben Mitte des 20. Jh. Dennoch ist die Anlage interessant, wegen der Geschichte, wegen der wenigen erhaltenen Strukturen, wegen der auf der Süd- und Ostseite erhaltenen originalen Wallanlagen. All das ist eingebettet in einen 285 in West-Ost-Richtung und ca. 300 m in Nord-Süd-Richtung messenden Park. Es lohnt sich unbedingt, den Burgberg hinaufzusteigen und die Gebäude und Wallanlagen aus der Nähe zu studieren. Es lohnt sich nicht, in das kleine Museum im Tenshu-kaku hineinzugehen: Die Exponate sind bescheiden, der Innenausbau modern im uneinfühlsamen Stil der End-1960er Jahre.
Geschichte
und Bedeutung: Ein Bollwerk gegen Tozama-Daimyos
Die Geschichte der Burg
Fukuyama beginnt erst mit der Neuordnung Japans unter dem
Tokugawa-Shogunat. Das Lehen Fukuyama wurde unter Tokugawa
Hidetada, dem zweiten Shogun, neu gebildet und mit einem
vertrauenswürdigen Vasallen besetzt, um die in Westjapan
tätigen Tozama-Daimyos zu kontrollieren, also die Daimyos, die
ursprünglich auf Seiten der Westallianz gekämpft hatten und
erst nach der Schlacht von Sekigahara zu Vasallen von Tokugawa
Ieyasu geworden waren, also sozusagen unsichere Vasallen. Die
neue Burg Fukuyama lag etwa in der Mitte zwischen den Burgen
Hiroshima und Himeji und bildete mit diesen eine Kette loyaler
Vasallen.
Für die neue Aufgabe wählte der zweite Shogun nun Mizuno Katsunari (1564-1651) aus. Er war ein angeheirateter Verwandter um drei Ecken, weil sein Vater, Mizuno Tadashige, ein Schwager des Vaters des zweiten Shoguns war. Die Mutter von Tokugawa Ieyasu, Odai no kata, war die Schwester von Mizuno Tadashige, der Vater des zweiten Shoguns und der erste Daimyo des Lehens Fukuyama waren also Cousins. Mizuno Katsunari nahm 1579 an der Eroberung der Burg Takatenjin in Enshu teil (heute Kakagawa), dann 1584 an der Schlacht von Komaki und Nagakute. Weil er dort das Mißfallen seines Vaters erregt hatte, mußte er eine Zeitlang durchs Land reisen und verschiedenen Herren dienen, darunter Toyotomi Hideyoshi, Sasa Narimasa, Konishi Yukinaga, Kato Kiyomasa und Kuroda Nagamasa. Mizuno Katsunari hatte 1587 am Kyuushuu-Feldzug und auch am Korea-Feldzug teilgenommen. 1599 versöhnte er sich mit seinem Vater, wobei Tokugawa Ieyasu eine Mediatorfunktion hatte. Nur ein Jahr später wurde sein Vater ermordet, und der erst 37 Jahre alte Mizuno Katsunari erbte das Lehen Kariya mit einem Jahreseinkommen von 30000 Koku. 1610 wurde er Gouverneur der Provinz Hyuga. Vor allem aber genoß er hohes Ansehen und galt als verläßlicher Parteigänger, weil er bei der Belagerung von Osaka 1615 dabei war und Gotou Matabei (1565-1615, = Gotou Mototsugu) besiegt hatte, einen Vasallen von Toyotomi Hideyori und einen seiner fähigsten und besten Generäle, der schließlich angeschossen und in auswegloser Lage Seppuku beging. Seine Verdienste während des Feldzuges 1615 wurden wohlwollend wahrgenommen, deshalb wurde er mit dem Wechsel auf das Lehen Yamato-Kouriyama (Burg südlich der Stadt Nara) belohnt; sein Jahreseinkommen hatte sich auf 60000 Koku verdoppelt.
1619 kam es dann vor dem Hintergrund der Geschichte von Fukushima Masanori zu einer erneuten Rochade, und er bekam das neu geschaffene Lehen Fukuyama (Bingo) mit einem Jahreseinkommen von 100000 Koku. Mizuno Katsunari, der zu den verläßlichen Fudai-Daimyos gerechnet wurde, bekam also 1619 vom zweiten Tokugawa-Shogun das neu gebildete Lehen Fukuyama und machte sich umgehend daran, den Platz mit einer mächtigen Burg zu befestigen, die in der Lage war, allen Anfeindungen seitens eventuell rebellischer Tozama-Daimyos zu trotzen. Die neue Burg wurde 1619-1622 errichtet und bekam einen inneren und einen äußeren Wassergraben, gespeist von der Inland-See, einen fünfstöckigen Hauptturm (Dai-Tenshu), sieben dreistöckige (San-juu-yagura) und sechzehn zweistöckige Wachtürme (Ni-juu-yagura) sowie zehn Toranlagen mit jeweils einem Yagura-mon. Damit es schneller ging, wurden andere Burgen, die an Tokugawa Ieyasu gefallen waren, für das Baumaterial ausgeschlachtet, z. B. Burg Fushimi. Das Lehen hatte einen Wert von 100000 Koku jährlichem Einkommen. Er leistete Enormes in der Folgezeit: Er baute nicht nur eine der stärksten Burgen, sondern auch die zugehörige Burgstadt und ist damit der eigentliche Gründer der Stadt Fukuyama, er mußte Land urbar machen und kultivieren, er mußte das Land vor Überflutungen seitens der Inland-See schützen, er schuf als erster eine lehenseigene Währung, und er kümmerte sich um die religiösen Bauwerke, ein ungeheures Programm.
1638 war Mizuno Katsunari dabei, als es darum ging, den Shimabara-Aufstand niederzuschlagen, der von rebellierenden Bauern ausging. Damals war er schon 74 Jahre alt. Aber er fühlte wohl, daß er langsam zu alt für solche Aktionen wurde, denn schon im nächsten Jahr, 1639, übergab er die Regierung an seinen Erben Mizuno Katsutoshi. Mizuno Katsunari wurde 1646 unter dem Namen Soukyuu Mönch. So gliedert sich sein Leben in die drei Phasen Krieger, Daimyo und Mönch. Er wurde nach seinem 1651 erfolgten Tod im Tempel Kenchu-ji in Teramachi begraben. Auf ihn folgten nacheinander als Daimyo der bereits erwähnte Sohn Mizuno Katsutoshi (1598-1655, regierte 1639-1655), Mizuno Katsusada (1625-1662, regierte 1655-1662), Mizuno Katsutane (1661-1697, regierte 1663-1697) und schließlich als fünfter Daimyo dieser Familie Mizuno Katsumine (1697-1698, regierte 1697-1698), der aber 1698 im Alter von nur zwei Jahren starb und das Erlöschen der Familie besiegelte. Das Wappen der Familie ist das Omoda-Kamon, ein Wappen unter Verwendung eines Pfeilkrautblattes (Sagittaria, Froschlöffelgewächse) zwischen zwei Blütenständen.
Mizuno
(1916-1698) eine Form des Omoda-Kamon von mehreren |
Tokugawa
(1698-1700) Matsudaira (1700-1710) Mittsu-ba-aoi-Kamon |
Abe
(1710-1869/1871) Taka-no-ha-Kamon |
Darüber hinaus hatte die Burg auch noch eine zweite wichtige strategische Bedeutung: Die nahe Silbermine in Omori in der Provinz Iwami unterstand zeitweise direkt dem Shogunat, und der damalige Burgherr Mizuno Katsutane war dafür verantwortlich, daß im Falle einer Bedrohungslage sofort Truppen zum Schutz dieser wirtschaftlich bedeutsamen Mine entsandt wurden.
Danach kam das Lehen Fukuyama für zwei Jahre, 1698-1700, an den Shogun selbst und gehörte zum Tenryou genannten Besitz in Eigenverwaltung. Das von diesem geführte Wappen ist das der Tokugawa, dem Maru ni Mittsu-ba-aoi, den drei (mittsu, ba = Zähleinheitswort) im Dreipaß innerhalb eines Kreises (maru) angeordneten Aoi-Blättern (Haselwurz). Erst 1700 wurde das Lehen erneut vergeben, an die Familie Okudaira-Matsudaira, ebenfalls Fudai-Daimyo. Das Einkommen war auf 100000 Koku jährlich fixiert. Es gab aber nur einen einzigen Vertreter der Familie auf Fukuyama, Matsudaira Tadamasa (1683-1746, regierte 1700-1710). Er blieb bis 1710, dann wechselte er in das Lehen Kuwana (Ise). Das Wappen der Matsudaira-Familie ist identisch mit dem vorigen, weil es sich um ganz enge Adoptiv-Verwandte handelt. Der Großvater von Tadamasa, Matsudaira Tadaakira bzw. Tadaaki (1583-1644), war seinerzeit von Tokugawa Ieyasu adoptiert worden.
Der nächste Wechsel kam 1710, diesmal kam die Familie Abe zum Zuge, die zuvor seit 1681 auf dem Lehen Miyazu (Tango) und ab 1697 auf dem Lehen Utsunomiya (Shimotsuke) gesessen hatte. Auch diese wird zu den Fudai-Daimyo gerechnet; sie behielt das mit 100000 Koku dotierte Lehen bis zur Abschaffung des Feudalismus 1869. Der erste aus dieser Familie war Abe Masakuni (1658-1715, regierte 1710-1715), es folgten Abe Masayoshi (1700-1769, regierte 1715-1748), Abe Masasuke (1724-1769, regierte 1748-1769), Abe Masatomo (1745-1805, regierte 1769-1803), Abe Masakiyo (1774-1826, regierte 1803-1826), Abe Masayasu (1809-1870, regierte 1826-1836), Abe Masahiro (1819-1857, regierte 1836-1857), Abe Masanori (1839-1861, regierte 1857-1861), Abe Masakata (1848-1867, regierte 1861-1868) und Abe Masatake (1851-1914, regierte 1868-1869, anschließend Gouverneur der Präfektur Fukuyama bis 1871, lebte danach in Tokyo) aufeinander, insgesamt 8 Daimyos aus dieser Familie. Das Wappen der Familie besteht aus zwei schräggekreuzten Falkenfedern (Taka-no-ha). Das Lehen Fukuyama deckte sich etwa mit den Provinzen Bingo und Bitchuu. Heute gehört das Gebiet zur Präfektur Hiroshima.
Rundgang und
Beschreibung: Vorhandene Gebäude
Der Rundgang gestaltet sich
übersichtlich: Die wesentlichen Strukturen sind bis auf den
Hauptturm alle auf der Südseite zu finden. An der Südwestecke
("ganz links im Bahnhofs-Panorama") steht der Eckturm Fushimi-yagura,
benannt nach der ausgeschlachteten Burg Fushimi, aus der man viel
Baumaterial an andere Baustellen verteilte. Auch wenn unendlich
viele Bauwerke in Japan für sich in Anspruch nehmen, aus Burg
Fushimi zu stammen, und diese zerstörte Burg, wenn man alles
zusammenrechnet, wirklich unermeßlich groß gewesen sein muß,
so ist doch in diesem Fall die Herkunft literarisch und
inschriftlich gesichert und belegbar, übrigens der einzige Fall
von allen angeblich aus Fushimi stammenden Bauwerken: Es war
früher der Momoyama-zeitliche Ostturm der Walleinheit
Matsu-no-maru. Tokugawa Hidetada, der zweite Shogun, sorgte für
den Umzug des Turmes nach Fukuyama, damit der Burgbau durch
Mizuno Katsunari schneller voranging. Wegen seinem originalen
Erhaltungszustand ist der Turm als national wichtiges Kulturgut
eingestuft. Der Turm ist dreistöckig: Die beiden unteren
Stockwerke sind von rechteckigem Grundriß und gleich groß. An
der nach außen gerichteten Längsseite gibt es vier gestäbte
Doppelfenster, an den Schmalseiten nur eines im unteren Geschoß
und ein Doppelfenster und zwei einzelne im zweiten Geschoß. Die
zum Hof gerichtete Längsseite besitzt nur eine über eine Treppe
zu erreichende Tür und darüber ein einzelnes Doppelfenster. Die
erste Dachebene ist nur ein schmaler, umlaufender Dachsaum ohne
Giebel. Das zweite Dach hat eine Irimoya-Grundstruktur, doch in
die Mitte ist das kleinere, querrechteckige dritte Geschoß wie
ein Turm hineingesetzt worden, mit einem eigenen Irimoya-Dach,
dessen First gegenüber dem des zweiten Daches um 90° gedreht
ist. Dieser Turm folgt also der Borogata-Konstruktionsweise. An
den Längsseiten des Turmes reicht ein Chidori-hafu vom unteren
Dach bis fast an den Ansatz des oberen Daches, beseitet von zwei
Wehröffnungen. Der Turm hat also zusammen sechs Giebel, zwei
übereinander an jeder Längsseite und je einen an den
Schmalseiten. Die gesamte Außenfläche ist verputzt und weiß
angestrichen, nur hofseitig sieht man offene Holzbalken.
Exkurs: Wie sehr original erhaltene
dreistöckige Sumi-yagura-Türme aus der Edo-Zeit sind, läßt
sich an folgender vollständiger Liste ablesen (Burg, Turmname,
Höhe des Aufbaus, Baujahr bzw. Bauzeit):
- Burg Hirosaki, Ushitora-yagura, 11,92 m, 1611 (Keicho 16)
- Burg Hirosaki, Tatsumi-yagura, 11,87 m, 1611 (Keicho 16)
- Burg Hirosaki, Hitsujisaru-yagura, 11,98 m, 1611 (Keicho 16)
- Burg Edo, Fujimi-yagura, 15,5 m, 1659 (Manji 2)
- Burg Nagoya, Kiyosu-yagura (nordwestlicher Eckturm, Seihoku
sumi yagura), 16,3 m, 1619 (Genna 5)
- Burg Hikone, Nishinomaru-yagura, 11 m, Keicho-Zeit
- Burg Akashi, Hitsujisaru-yagura, 13,28 m, 1620 (Genna 6),
ehemals aus Burg Fushimi
- Burg Akashi, Tatsumi-yagura, 12,53 m, 1620 (Genna 6), ehemals
aus Burg Funage
- Burg Fukuyama, Fushimi-yagura, 13,5 m, 1622 (Genna 8), ehemals
aus Burg Fushimi
- Burg Takamatsu, Tsukimi-yagura, 1676 (Enpo 4)
- Burg Takamatsu, Ushitora-yagura, 11,5 m, 1677 (Enpo 5)
- Burg Kumamoto, Uto-yagura, 19,1 m, 1601-1615, innen sogar
fünfstöckig
Dahinter befindet sich der kleinere Kane-yagura (Glocken-Turm). Dieses den Ishigaki-Wällen aufsitzende, asymmetrische Bauwerk, das aufgrund seiner originalen Erhaltung als wichtiges Kulturgut klassifiziert ist, besteht aus einem L-förmigen Unterbau mit einem Satteldach und einem kleinen Pultdach über dem Eingang an der Schmalseite des längeren Schenkels und einem quadratischen Aufbau am Eck mit einem Irimoya-Dach und der reihum holzverkleideten Glockenebene. Glocke und Trommel dienten der Anzeige der Zeit, die Glocke wurde zur vollen Stundeneinheit angeschlagen (alle zwei heutigen Zeitstunden), die Trommel zur jeweils halben Stundeneinheit (heute eine ganze Zeitstunde). Außerdem diente die Trommel dazu, das Versammeln der Krieger zum Ausrücken zu befehlen, wenn eine Notlage eintrat.
Rechts (östlich) des wuchtigen Fushimi-yagura befindet sich die einzige heute noch nachvollziehbare Toranlage, das Sujigane-go-mon, aufgrund seiner originalen Erhaltung ebenfalls als wichtiges Kulturgut eingestuft. Durch dieses ehemalige Haupttor betritt man den Honmaru-Bereich, wenn man vom Nordausgang des Bahnhofs gleich die Schräge hinaufgeht. Der Torbau vom Typ eines Yagura-mon steht 90° gegenüber der offenen Südfront versetzt; es ist noch eine relativ frühe Konstruktion, die noch nicht dem späteren Masugata-Zwinger-Schema mit umlaufenden Tamon-yagura folgt. Angeblich soll dieses Tor auch aus der Burg Fushimi stammen, dafür gibt es aber keine Belege im Gegensatz zum Fushimi Yagura. Bemerkenswert und namengebend ist die Beschlagung aller als Zelkovenholz gefertigten Holzteile der Außenseite mit Eisen, mit unzähligen, verstärkenden und breitgeschlagenen Eisennägeln befestigt. Diese ungeheuer solide Bauweise unterstreicht die zentrale Rolle dieses Bauwerks. Für den heutigen Besucher ist es das einzige und erste Tor, das er passiert, doch in der alten Burganlage war es das letzte Tor von vielen, und es hatte eines der stärksten zu sein, weil man dahinter den Honmaru betritt und ungehindert zum Hauptturm vordringen kann. Das Tor selbst wird durch ein kurzes Pultdach überdacht. Die Ishigaki-wälle sind gleich hoch wie die Torflügel. und letztere tragen den Überbau, der mehrere breite Wehröffnungen besitzt, zum Brandschutz vollständig verputzt und weiß angestrichen ist und ein Irimoya-Dach trägt. Die Enden des Dachfirstes tragen zwei kleine Shachi.
Ganz rechts im Panorama befindet sich an der Südostecke des Honmaru der Tsukimi-yagura (Mondbetrachtungsturm, tsuki = Mond, miru = betrachten, yagura = Wehraufbau). Der zweistöckige Eckturm (Ni-juu-sumi-yagura) mit anschließendem einstöckigem Galeriebau besitzt zwei Dachebenen und wirkt elegant und zierlich durch die im Obergeschoß umlaufende Galerie mit hölzerner Balustrade. Von hier hatte man einen grandiosen Ausblick nicht nur auf den Mond in Friedenszeiten, sondern auch auf nahende Angreifer aus südlicher und östlicher Richtung, und aufgrund seiner Position war dieser Turm ein wichtiger Schutz des Honmaru. Es handelt sich nicht mehr um ein Original, sondern um einen Neubau aus dem Jahr 1966; das Material ist Beton. Dem Original wurde ebenfalls die Herkunft aus der Burg Fushimi zugeschrieben, es wurde aber schon in den 1870er Jahren während der Meiji-zeitlichen Aufgabe der Burgen zerstört.
Zwischen dem Torbau und dem Eckturm ragt etwa in der Mitte ein hölzernes einstöckiges Gebäude auf fünf langen Stützen über die Mauer, das ist die Rückseite des O-yudono (Badehaus). Hoch über dem Abgrund der Ishigaki-Wälle verläuft eine Galerie mit hölzerner Balustrade. Rechts und links schließen sich Wehrmauern mit abwechselnd rechteckigen und runden Schießscharten an. Dem historischen Original, das 1933 zum Nationalschatz erklärt wurde, wurde ebenfalls die Herkunft aus der Burg Fushimi zugeschrieben. Auch dieses Original verbrannte 1945. Es handelt sich beim heutigen Bau um eine Rekonstruktion aus dem Jahr 1966; das Baumaterial ist Holz. An den hölzernen Türen sieht man das Wappen der Familie Toyotomi, das Kiri-mon. Toyotomi Hideyoshi war der Erbauer der Burg Fushimi.
Nördlich des Mondbetrachtungsturmes weicht der Umriß des Honmaru schräg nach innen, um dann wieder nach Norden abzuknicken, an dieser Knickstelle steht noch ein zweistöckiger Wehrturm mit zwei Dachebenen, der Kagami-yagura (Archiv-Turm). Hier wurden früher Dokumente des Lehens Fukuyama aufbewahrt. Dieser Turm wurde bereits während der frühen Meiji-Zeit zerstört und äußerlich 1973 wiederhergestellt. Innen werden heute historische Dokumente ausgestallt; der Turm kann frei besichtigt werden.
Den nördlichen Abschluß des Honmaru, der hier weniger breit ist als an seinem Südprospekt, bildet der im Original 1622 errichtete Hauptturm (Dai-Tenshu). Der Turm besitzt über dem Ishigaki-Sockel fünf Dachebenen und insgesamt sechs sichtbare Geschosse, weil unter der untersten Dachebene zwei Geschosse übereinander liegen ohne entsprechenden Rücksprung der Außenmaße, ein Doppelgeschoß. Er ist vom Typ Sotogata Tenshu (Soutougata Tenshu); der gesamte Turm ist einheitlich komponiert und verjüngt sich kontinuierlich von dachebene zu Dachebene, bis auf die unterste Zone damit auch von Geschoß zu Geschoß. Die Dachlandschaft ist äußerst lebhaft: Das erste Dach von unten besitzt an der einen Seite zwei Chidori-hafu (Dreiecksgiebel mit Fußdach) und an der anderen Seite einen Chidori-hafu. Beim zweiten Dach ist es genauso, aber um 90° verdreht, so daß die bisherigen Giebel auf Lücke stehen. Das dritte Dach besitzt auf der einen Seite einen weiteren Chidori-hafu, auf der anderen aber einen Karahafu (geschwungener bzw. geschweifter Giebel), und auf der nächsthöheren Ebene ist es genauso, aber wieder um 90° verdreht, so daß die Giebelformen übereinander alternieren. Und das fünfte Dach ganz oben ist vom Typ eines Irimoya-Dachs. Am First sind zwei Shachi angebracht. Gegenüberliegende Seiten des Turmes sind gleich gestaltet. Insgesamt kommen wir damit auf 22 Giebelformen total, von unten nach oben 6, 6, 4, 4 und 2 pro Dachebene. Eine große Besonderheit ist an der Nordseite zu sehen: Dort ist der Turm bis unter die Galerie des obersten Stockwerks mit Eisenplatten beschlagen, denn das war die exponierte Außenseite direkt über der Wallkrone, das war die gefährdetste Stelle, daher der Schutz gegen Brandgeschosse. Es ist der einzige Tenshu einer japanischen Burg mit diesem Merkmal. Dem Hauptturm ist ein kleinerer Ko-Tenshu zur Seite gestellt, mit zwei Dachebenen und drei Stockwerken. Dieser Tenshu wurde 1931 zum Nationalschatz erklärt. 1945 wurde er durch die amerikanischen Luftangriffe auf die japanischen Küstenstädte komplett zerstört. Der Wiederaufbau erfolgte 1966, wobei man die äußere Form wahrte, die Innenkonstruktion aber nicht aus Holz, sondern aus Stahlbeton machte: Innen hat das Burgmuseum im Tenshu eine völlig moderne Struktur. Aus Anlaß des 400jährigen Bestehens der Burg wurde der Hauptturm 2022 anläßlich einer fälligen Asbest-Sanierung komplett überarbeitet, um ihn so weit wie möglich äußerlich dem Original anzugleichen. Dabei wurde auch der schwarz angestrichene Eisenplattenbeschlag an der Nordseite restauriert, die Fenster des obersten Geschosses wurden dem Vorbild angeglichen, desgleichen weitere Details.
Nach Westen und Norden hin sind keine Ishigaki-Wälle mehr erhalten, aber auf der Ostseite. Sehenswert ist im Nordosten des Burgparks der Gebäudekomplex namens Fukuju Kaikan, ein interessantes Konglomerat aus einem Hauptgebäude, Lagerhäusern, Teehäusern und sogar einem zweistöckigen Giebelhaus im europäischen Stil, das ca. 1935-1937 von Abe Wansuke errichtet worden ist, der mit dem Handel mit Meeresfrüchten sein Vermögen gemacht hatte. Alle diese Gebäude haben mittlerweile selbst historischen Wert, obwohl sie lange nach der Feudalzeit errichtet worden sind und die kunstgeschichtlich jüngsten Gebäude sind. Insgesamt ist das Gelände 7395 m2 groß, die bebaute Fläche ist 872 m2 groß; man kann es besichtigen, und von hier hat man einen guten Blick auf die eisenverkleidete Nordseite des Hauptturmes. Früher befanden sich an dieser Stelle mehrere Reisspeicher und Lagerhäuser.
Rundgang und
Beschreibung: Nicht mehr vorhandene Gebäude
Nun zu dem, was man nicht mehr
sieht: Wie sah das Ganze, das 37 ha große Gelände früher aus?
Der Honmaru ist ja noch gut nachvollziehbar, aber nur im
südlichen Bereich sind die Gebäude noch erhalten bzw.
rekonstruiert. Im Eck zwischen Fushimi-yagura und Kane-yagura
stand noch der Hiuchi-yagura. Vom Kane-yagura ausgehend folgten
in Richtung Norden bis zum Daitenshu das Tor O-daidokoro-gomon
(Küchentor), Hitojichi-yagura, Arame-yagura, das Tor
Natsume-gomon, der Turm Nikai-yagura und der Turm Shio-yagura.
Eine Zwiebelschale weiter außerhalb bildeten die beiden Türme
Kannabe-yanban-yagura und Inui-yagura an der Nordwestecke den
äußeren Schutz. Rechts des Daitenshu gab es noch den Eckturm
Tama-yagura. Man konnte zudem nicht einfach so durchmarschieren
bis zum Tenshu, denn es gab noch eine Trennmauer im Honmaru mit
einem Tor, dem Tenshu-kuruwa-mon. Der Bereich südlich dieser
Trennmauer war bei weitem nicht so leer wie heute, denn hier
stand früher der Honmaru-goten (Fushimi-goten), der Palast des
inneren Wallbereiches. Von der Typologie her handelt es sich um
eine Hirayama-jiro-Burg (Ebene und Hügel), der Aufbau der Burg
ist vom Hashigokaku-Typ mit dem Honmaru samt Tenshu als
einseitigem Höhepunkt, mit dem Tenshu auf der höchsten Stelle
des Hügels, während zweiter und dritter Bereich wie Stufen
langsam zu diesem hinaufführen. Der Tenshu ist vom
Fukugoshiki-Typ mit Anbauten.
Der von der Stadt Fukuyama erstellte und vor der Burg aufgestellte Orientierungsplan hilft bei der Vorstellung, wie es früher einmal gewesen ist.
Der zweite Bereich, der Ninomaru, war jedoch recht klein und umfaßte den Honmaru im Südwesten. Wo der langgezogene Treppenweg an der Südseite zum Fushimi-yagura hinaufführt, lagen auf der Südseite von Osten nach Westen Teppou-yagura, Yari-yagura und Kushigata-yagura. Das südwestliche Eck des Ninomaru bildete der Kannabe-ichiban-yagura. Weiter im Uhrzeigersinn nach Norden folgen Kannabe-niban-yagura und Kannabe-sanban-yagura, diese Türme wurden einfach durchnumeriert. Noch weiter im Norden folgte an der Westseite des Honmaru ein kleiner Zwinger mit Tor, Mizunote-gomon genannt. Jetzt wechseln wir auf die Ostseite: Im südlichen Abschnitt ist der Bereich zwischen unterem und oberem Wall schmal und läßt keinen Platz für weitere Wehreinrichtungen. Im nördlichen Teil jedoch weitet sich dieser Bereich auf, und hier führt aus südlicher Richtung die Toranlage Higashi-no-bori-tate-gomon hinein. Dieses Tor wird flankiert vom Hijiki-yagura im Westen und dem Higashi-saka-sangai-yagura im Osten. Am Nordosteck dieses Bereiches schützt der Turm Kimon-yagura. Dahinter standen jenseits und außerhalb des Walls die Lagerhäuser. Im Nordwesten brauchte der Außenbereich nicht besonders stark befestigt zu werden, weil hier der Komaruyama ein bißchen natürlichen Schutz bot. Im Norden der Burg lag der Hügel Tenjinyama, und jenseits floß der Flußarm Yoshizu-gawa als weitere natürliche Barriere.
Ausschnitt aus der Rekonstruktionszeichnung der Stadt Fukuyama: Honmaru und Ninomaru.
Wo heute das Bahnhofsgebäude steht, lag das südliche Haupteingangstor, das Kurogane-gomon. Davor lag der innere Wassergraben (Ushibori), etwa dort, wo heute die Gleise verlaufen. Südlich der Bahntrasse lag der Sannomaru, der dritte umwallte Bereich, im Süden davon der südliche Außengraben (Minami-Sotobori). Das Vordertor (Otemon) regelte den Zugang zum Sannomaru, der quadratische Vorplatz ragte in den Wassergraben hinein, und der Zugang auf diesen mit Wehrmauern umgebenen Vorplatz erfolgte von Osten, um 90° gegenüber dem Yagura-mon verdreht. Rechts neben diesem Tor gab es einen Bootseintritt mit Schleusentor, so daß man vom äußeren Wassergraben per Boot in einen innerhalb der Wehrmauern gelegenen geschützten Grabenbereich gelangen konnte. Hier stand am Eck einst ein zweistöckiger Wachturm (Nijuu-yagura). Links vom Tor stand im Sannomaru die Residenz des wichtigsten Vasallen. Weitere Samurai-Residenzen lagen außerhalb in der Burgstadt. Auch von Westen her gab es einen Zugang zum Sannomaru, geschützt durch das West-Tor. An der Ostseite gab es das Osttor, wiederum durch einen quadratischen Vorplatz mit verdrehtem Zugang geschützt. Weitere Wachtürme standen entlang der Ostseite des Sannomaru. Im Südosten des äußeren Wassergrabens setzte die Verbindung zur Inlandsee an.
Gesamtansichten
Literatur,
Links und Quellen
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@34.4903977,133.3611713,18.75z - https://www.google.de/maps/@34.4905668,133.3610589,226m/data=!3m1!1e3
Lehen Fukuyama: https://en.wikipedia.org/wiki/Fukuyama_Domain
Familie Mizuno: https://en.wikipedia.org/wiki/Mizuno_clan - https://de.wikipedia.org/wiki/Mizuno_(Klan)
Familie Abe: https://de.wikipedia.org/wiki/Abe_(Klan) - https://en.wikipedia.org/wiki/Abe_clan
Burg Fukuyama auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Burg_Fukuyama - https://en.wikipedia.org/wiki/Fukuyama_Castle
Webseite der Burg: Übersicht: https://fukuyamajo.jp/en/en_miru/ - Tenshu: https://fukuyamajo.jp/en/en_miru/en_tenshu/ - Fushimi yagura: https://fukuyamajo.jp/en/en_miru/en_fushimiyagura/ - Sujigane-gomon: https://fukuyamajo.jp/en/en_miru/en_sugiganegomon/ - Kane-yagura: https://fukuyamajo.jp/en/en_miru/en_kaneyagura/ - tsukimi-yagura: https://fukuyamajo.jp/en/en_miru/en_tukimiyagura/ - Yudono: https://fukuyamajo.jp/en/en_miru/en_yudono/ - Kagami-yagura: https://fukuyamajo.jp/en/en_miru/en_kagamiyagura/ - Fukuju Kaikan: https://fukuyamajo.jp/en/en_miru/en_fukujyu/
Daimyos der Familie Mizuno: https://fukuyamajo.jp/en/en_siru/en_hanshu/ - Daimyos der Familie Matsudaira: https://fukuyamajo.jp/en/en_siru/en_hanshu/en_matsudaira/ - Daimyos der Familie Abe: https://fukuyamajo.jp/en/en_siru/en_hanshu/en_abe/
Informationstafeln vor Ort, zur Verfügung gestellt von der Stadt
Fukuyama
Burg Fukuyama auf Japanese Castle Explorer: http://www.japanese-castle-explorer.com/castle_profile.html?name=Fukuyama
Burg Fukuyama auf JCastle: https://jcastle.info/view/Fukuyama_Castle
Burg Fukuyama auf Japan-guide: https://www.japan-guide.com/e/e3433.html
Burg Fukuyama auf Japan Travel: https://www.japan.travel/de/spot/883/
Burg Fukuyama auf Japan Experience: https://www.japan-experience.com/all-about-japan/hiroshima/attractions-excursions/fukuyama-castle
Videos über Burg Fukuyama: https://www.youtube.com/watch?v=75vo8LZlb2c - https://www.youtube.com/watch?v=WwFg5QlesD4 - https://www.youtube.com/watch?v=8HMgtWctVHo
Jennifer Mitchelhill, David Green: Castles of the Samurai - Power
and Beauty, 112 S., Verlag: Kodansha International 2013, ISBN-10:
1568365128, ISBN-13: 978-1568365121, S. 79, 93, Abb. 130
Jennifer Mitchelhill, David Green: Samurai Castles - History /
Architecture / Visitors Guides, 128 S., Verlag: Tuttle Pub. 2018,
ISBN-10: 4805313870, ISBN-13: 978-4805313879, S. 74-77
Toshitaka Morita, Takahiro Miyamoto: Castles in Japan (Landscapes
of the Japanese Heart), 304 S., Verlag: Mitsumura Suiko Shoin,
2018, ISBN-10: 4838105606, ISBN-13: 978-4838105601, S. 156
Masao Yamada: The Anatomy of Castles in Japan, revealed by an
Urban Design Expert, jap. und engl., Nitto Shoin Honsha Co. Ltd.,
Japan 2017, 288 S., ISBN: 4-528-02011-4, intl. 978-4-528-02011-5,
S. 237
Fukuyama-jo, Teil (2): verschiedene Yagura und das Sujigane-gomon - Fukuyama-jo, Teil (3): Oyudono, Tenshu und Wallanlagen
Andere Artikel über Japan lesen
Andere Länder-Essays lesen
Home
©
Copyright bzw. Urheberrecht an Text und Graphik: Bernhard Peter
2023
Impressum