Bernhard
Peter
Nagoya
(Präf. Aichi), Burg Nagoya-jo, Honmaru Goten, Teil (1):
Beschreibung und Pläne
Einer der
ganz wenigen Paläste des 17. Jh. - eine meisterhafte
Rekonstruktion
Der Honmaru-Palast der Burg
Nagoya ist die große Hauptsehenswürdigkeit neben den steinernen
Wällen. Und das um so mehr, als der nach der Kriegszerstörung
unter Verwendung von Beton wiederaufgebaute Hauptturm
(Tenshu-kaku) seit mehreren Jahren (seit 2018) nicht mehr
besichtigt werden kann, weil die Sicherheit des Bauwerks
insbesondere bei Erdbeben nicht mehr gewährleistet werden kann.
Schon 2019 war der Abriß des 1612 fertiggestellten, 1945
zerstörten und in den 1950er Jahren aus Stahlbeton
wiedererrichteten Tenshu und sein Neubau mit alten Techniken und
aus traditionellen, originalgetreuen Materialien geplant, dann
kam die Corona-bedingte Verzögerung aller Pläne. Im Jahr 2024
soll er endlich abgerissen werden. Der Wiederaufbau aus Holz soll
2026- 2028 erfolgen, so der derzeitige Plan. Deshalb ist es um so
mehr der Honmaru-Palast, der mit der Möglichkeit zur
Innenbesichtigung die verfeinerte und äußerst luxuriöse und
prächtige Wohnkultur der Samurai-Eliten des 16. Jh. vermittelt.
Es gibt nicht viele Burgpaläste aus der Feudalzeit in Japan; sie
sind fast alle irgendwann abgebrannt, die meisten während des
Bombardements im Zweiten Weltkrieg. Es gibt sogar nur einen
einzigen original erhaltenen Burgpalast in Japan, das ist der
Ninomaru-Goten in der Burg Nijo-jo in Kyoto. Der Honmaru Goten
von Burg Kawagoe (Präfektur Saitama) ist zwar auch noch
original, wurde jedoch erst 1848 erbaut, und sonst ist von der
Anlage kaum noch etwas übrig. Der Ninomaru Goten der Burg
Kakegawa stammt ebenfalls erst von 1861. In der außergewöhnlich
gut restaurierten Burg Kumamoto gibt es noch einen Honmaru Goten,
der wurde nach alten Ansichten und Ausgrabungsbefund meisterhaft
rekonstruiert. Ansonsten sieht es mau aus mit erhaltenen
Burgpalästen, weshalb der rekonstruierte Honmaru Goten von
Nagoya zusammen mit Kumamoto-jo und dem originalen Nijo-jo eine
einsame Trias bildet, die das 17. Jh. repräsentiert. Und wenn
man sich den wiedererstandenen Palast in Nagoya und in Kumamoto
anschaut, empfindet man es als Glück, daß man sie beide nicht
schon damals in der Nachkriegszeit aufgebaut hatte, als man so
viele Burgen aus Stahlbeton mehr schlecht als recht
wiederherstellte, sondern daß damit bis in die 2000er Jahre
gewartet wurde, wo man ganz anders authentische Rekonstruktionen
machte.
Besichtigung
und Öffnungszeiten
Der Palast ist täglich von
9:00 bis 16:30 Uhr zur Besichtigung geöffnet. Einlaß auf das
Burggelände erfolgt wegen seiner Weitläufigkeit nur bis 16:00
Uhr. Der Eintritt ist im generellen Burgeintritt enthalten und
liegt bei gemessen an den Wiederherstellungskosten moderaten 500
Yen für die gesamte Burg und den Palast. Ein Kombi-Ticket mit
dem Garten Tokugawa-en kostet 640 Yen. Der gesamte Palast wird
auf Strümpfen besichtigt; am Eingang deponiert man seine
Straßenschuhe. Innen ist Photographieren ohne Blitzlicht
erlaubt. Es empfiehlt sich, größere Taschen in den
Schließfächern zu deponieren. Wer dennoch Taschen mit sich
nimmt, sollte sie unbedingt vorne tragen, also auch
Tagesrucksäcke oder Kamerataschen gehören vor den Bauch, nicht
auf den Rücken. Denn zu leicht stößt man sonst an irgendwelche
Oberflächen und beschädigt sie. Und auch wenn die Versuchung
noch so groß ist, das frische, duftende Holz zu streicheln -
sämtliche Oberflächen dürfen nicht berührt werden. Es gibt
auch die Regel, daß man keinerlei Schreibwerkzeug mit sich
führen soll - leider aus gutem Grund. Und sonst gilt das
Übliche: Nicht telephonieren, nicht essen oder trinken. Um die
Authentizität nicht zu beeinträchtigen, gibt es innen während
des Rundgangs keinerlei sanitäre Anlagen. Man findet solche,
wenn man vor oder nach der Besichtigung außen herum geht, im
Norden der Anlage.
Ein reiner
Palast
Bei diesem Burgpalast handelt
es sich um eine reine Palastarchitektur innerhalb einer
Wehranlage. Der militärische Schutz wird allein über die
umliegenden Wälle, Gräben und Türme gewährleistet, die
baulich völlig separat sind. Der Palast selbst ist ein reines
Wohn-, Residenz- und Luxus-Bauwerk, das selbst mit keinerlei
Wehreinrichtungen ausgestattet ist. Der Palast nimmt in keiner
Weise durch seine Architektur Rücksicht auf wehrtechnische
Erfordernisse. Allein sein Baugrund wird durch Wehranlagen
geschützt. Das ist ein großer Unterschied zu europäischen
Burgen, bei denen es meist die in den wehrhaften Gebäuden
befindlichen Räume waren, die prunkvoll ausgestattet wurden,
aber selber verteidigungsfähige Mauern besaßen. Dieser
japanische Palast war die bequeme Residenz des Burgherrn in
Friedenszeiten. In Situationen akuter Bedrohung nutzte man den
unbequemeren, aber sichereren Tenshu. Der Tenshukaku war ein
militärisches Bauwerk, der Honmaru Goten war der eigentliche
Lebensbereich. Er trägt seinen Namen wegen seiner Lage im
innersten Wehrbereich, dem Honmaru.
Der erste
Honmaru Goten
Der erste Shogun der
Tokugawa-Zeit, Tokugawa Ieyasu, ließ 1615 (Keichou 20) den
Honmaru-Palast von Nagoya für sich und seine Familie als
Residenz erbauen. 1615 war ein Schlüsseljahr, denn da fand mit
der Belagerung von Osaka (Osaka natsu-no-jin) die letzte
Auseinandersetzung mit möglichen Rivalen statt, und das war
zugleich die letzte militärische Auseinandersetzung mit
Widerstand gegen seine Regierung. Mit dieser Belagerung war
zugleich das Ende der Familie Toyotomi besiegelt, und von da an
bestand das neue Shogunat unangefochten. Die Zäsur war so groß,
daß man nach Osaka sogar den Namen der Ära von Keichou in Genna
änderte. Der Shogun residierte in seinem neuen Palast zusammen
mit seiner Familie und insbesondere seinem 9. Sohn, Yoshinao, der
das Lehen Owari bekam und damit der eigentliche Burgherr war; er
bezog den Palast 1616. Der Palast war zugleich das administrative
Zentrum des Lehens. Den Stil des Palastes nennt man Shoin-zukuri,
Shoin-Stil. Dieser Stil, der typisch für adelige Residenzen
wurde und auch von einigen Tempelanlagen übernommen wurde,
entwickelte sich zwischen der Muromachi-Zeit und der frühen
Edo-Zeit. Im Jahre 1620, also nur 5 Jahre später, zogen Yoshinao
und seine Familie etwas weiter nach draußen in den ab 1617
erbauten Ninomaru Goten der Burg Nagoya. Tokugawa Ieyasu bliebt
im Honmaru Goten wohnen, das war die Zeit der intensivsten
Nutzung. Und dieser Palast war damals so außergewöhnlich, daß
er neue Maßstäbe setzte und seinerseits Vorbild für andere
Paläste wurde.
Der zweite
Honmaru Goten
Der Palast änderte nach
Ieyasus Tod sein Aussehen und sein Layout fast komplett. Der
erste Palast von 1615 nahm eine viel größere Grundfläche ein,
fast den gesamten Honmaru-Bereich abgesehen von den Haupt- und
Ecktürmen und den Toranlagen. Knapp 20 Jahre nach dem ersten
Palast wurde das Konzept geändert, und der zweite Palast
entstand aus Anlaß des Besuches des dritten Shoguns, Tokugawa
Iemitsu, wobei die Prunkräume des ersten Palastes übernommen
wurden. Nur der Bereich von Genkan und Omote-shoin wurden soweit
komplett übernommen, alles links davon wurde neu konzipiert. Der
Grund war erstens, daß der Shogun hauptsächlich in Edo weilte
und hier nur zu Besuch vorbeikam, und zweitens, daß der Daimyo
des Lehens Owari, Tokugawa Yoshinao, sich den Ninomaru-Goten
erbaut hatte, der größer und bequemer war. Deshalb wurde der
zweite Palast kleiner, und er lag mehr in einer Diagonalhälfte
des Honmaru. Und er war anders. Der erste Honmaru-Palast war noch
der administrative Mittelpunkt der Herrschaft und der Macht, der
zweite Honmaru-Palast war ein Hotel für den durchreisenden
Shogun. Im ersten Palast war der Taimenjo das kostbare Herz der
Anlage, im zweiten Palast ist das der Joraku-den. Was hier bis
2018 wiederauferstanden ist, ist der zweite Palast. Diese Besuche
der Nachfolger im Shogunat nach dem ersten Shogun sollten wir
aber nicht überbewerten: Der eigentliche Regierungssitz des
Shoguns war in Edo. Jeder Shogun machte mindestens einmal in
seiner Amtszeit einen Pflichtbesuch in Kyoto beim Kaiser. Wenn
Mißstimmung herrschte, konnte das auch mal ausfallen. De facto
weilten die Shogune nach Tokugawa Ieyasu hier nicht Monate oder
Wochen, sondern Tage. Ein gigantisches Gebäude wurde also
unterhalten, nur um einmal im Leben für wenige Tage, mal einen,
mal zwei, bereitzustehen als Hotel für den Shogun, wenn er denn
mal kam. Die Fakten: Der zweite Shogun, Tokugawa Hidetada, kam
1623 und 1626. Der 3. Shogun, Tokugawa Iemitsu, weilte hier zwei
Tage im Jahr 1634. Und der 14. Shogun, Tokugawa Iemochi, kam viel
später für einen Tag. Der zweite Palast wurde also über 200
Jahre unterhalten für den Fall der Fälle, und er wurde nur
genau wenige Tage von den späteren Shogunen genutzt.
Ende und
Untergang
Nach dem Ende des Shogunats
und mit den Meiji-Reformen gelangte Burg Nagoya mitsamt dem
Palast 1872 in die Verfügung der kaiserlichen Armee und 1893 an
den Kunaisho, dem Ministerium des kaiserlichen Haushalts. Die
Burg wurde nun als Nagoya Rikyu bezeichnet und war ein
kaiserlicher Nebenpalast. Die wertvollen Gebäude blieben
aufgrund der Nutzung durch die kaiserliche Familie der Meiji-,
Taisho- and Showa-Zeit erhalten und wurden nicht wie andernorts
abgerissen. Der Palast wurde in dieser Zeit intensiver genutzt
als je nach Ieyasus Tod. Schließlich wurde die komplette Burg
Nagoya mit Palast 1930 der Stadt Nagoya übertragen. Im Jahre
1930 erklärte Japan den Honmaru-Palast wegen seiner
außergewöhnlichen künstlerischen Qualität, der vielen dort
angebrachten Gemälde der Kano-Schule (u. a. von Kano Sadanobu
und Kano Tanyu), der außergewöhnlich hochwertigen
Metallbeschläge und seiner guten Erhaltung zu einem der ersten
Nationalschätze des Landes, zusammen mit den Türmen der Burg
und anderen Strukturen. 1942 wurden die Malereien auf den Wänden
und den Schiebetüren zu Nationalschätzen erklärt. Als 1945 die
amerikanischen Fliegerbomben flächendeckend die Städte der
Süd- und Ostküste Japans in Schutt und Asche legten, gingen
sowohl der Tenshukaku als auch der Honmaru Goten in Flammen auf.
Der
"zweite zweite" Honmaru Goten
Glück im Unglück war, daß
man die originalen Wandgemälde ausgelagert hatte und daß auch
die Photos (Tokugawa Yoshikatsu, der letzte Daimyo hier, war
selber begeisterter Photograph), Zeichnungen und Pläne, die man
in der frühen Showa-Zeit angefertigt hatte, an sicherem Ort den
Krieg überlebt hatten. Man verfügte als Basis der
Rekonstruktion über 700 Photographien, 309 Planzeichnungen aus
der Vorkriegszeit und 1047 Tür- und Wandelemente aus der
Edo-Zeit als Vorbilder. Dazu hatten die meisten Grundsteine für
die Holzpfosten den Brand überlebt; ca. 2000 Grundsteine
erlaubten die exakte Positionierung aller Pfosten an der alten
Stelle. Mit der Sichtung und wissenschaftlichen Auswertung dieses
Materials hatte man schon 1992 begonnen. Anhand dieser Unterlagen
war man in der Lage, den Honmaru Goten originalgetreu zu
restaurieren. Die abschnittsweise in drei Bauphasen
untergliederten Arbeiten begannen 2009 und wurden 2018
abgeschlossen. Das Zypressenholz (Hinoki) wurde in den Wäldern
des Kiso-Tals in der Provinz Nagano geschlagen. 2013 konnte der
Omote-Shoin-Bereich im Osten eröffnet werden, 2016 folgte der
Taimenjo-Bereich, und 2018 war die Gebäudegruppe komplett
fertiggestellt. Das Ergebnis ist ein zwar nagelneuer, aber bis
ins kleinste Detail außen wie innen rekonstruierter Burgpalast
der Zeit nach 1615, der seinerzeit schon zu den besten gehörte.
Es wurde nicht nur ein kunstgeschichtlicher Höhepunkt des Landes
wiedererrichtet, sondern es wurde das gebaute feudale
Lebensgefühl der damaligen Zeit wiederbelebt, so gut, so
detailliert und so vorlagengetreu wurde der Neubau wie vor 400
Jahren zuvor ausgeführt. Neuneinhalb Jahre Bauzeit erscheinen
einem angesichts der herausragenden Ergebnisse noch eher wenig.
Gliederung
des Honmaru Goten
Die gänzlich aus
Zypressenholz (Hinoki) errichtete Palastanlage mit 13
Einzelgebäudestrukturen, über 30 Räumen und einer Grundfläche
von 3100 m2 hat einen zunächst unübersichtlichen Grundriß ohne
durchgehende Außenlinien. Das liegt daran, daß für den
Shoin-Stil typischerweise mehrere Hallen mit einem System aus
Korridoren vernetzt werden, alles im rechten Winkel angesetzt. So
entsteht ein lockeres Netz mit vielen Innenhöfen (hier sind es
insgesamt vier Innenhöfe und zwei fast geschlossene Höfe) und
den einzelnen Hallen als Bebauungsschwerpunkten. Dennoch lassen
sich baulich und funktional drei Bereiche unterscheiden, der
Omote-Shoin (vorderer Shoin) mit dem früheren Haupteingang im
Südosten und mit dem Bereich, wo allgemein Audienzen abgehalten
wurden, dann der etwas privatere Taimenjo-Bereich in der Mitte,
der Audienzen mit vertrauteren Vasallen vorbehalten war, und
schließlich der private Bereich des Jorakuden, der exklusiv dem
Shogun als Wohnbereich vorbehaltene Teil. Und ganz im Westen gibt
es noch den Bereich mit dem privaten Badehaus und
Rückzugsräumen.
Anmerkungen
zum Plan
Der hier verwendete Plan ist
ein Hybrid aus dem Soll-Zustand und dem Ist-Zustand des
"zweiten zweiten" Honmaru Goten. Mehrere Punkte sind im
Plan so, wie es die Rekonstruktion erfordert, aber nicht dem
aktuellen Befund entsprechend: Alle Räume, die zum Auslegen mit
Tatami-Matten gedacht waren, sind hier mit Tatami-Matten
(blaßgelb) dargestellt. Tatsächlich sind die Korridore, in
denen die Besucher an den Prunkräumen vorbeilaufen, entweder gar
nicht mit Tatami-Matten ausgelegt, das würden diese nicht lange
überstehen, oder zu ihrem Schutz mit grauen Abdeckungen
versehen. Im Norden, wo der Eingang zum Museumsshop liegt, ist
anstelle der kurzen, steilen Holztreppen eine breitere
Doppeltreppenkonstruktion mit Geländer vorgebaut, die weiter in
den Honmaru hineinreicht und oben ein Podest hat. Die kurzen
steilen Holztreppen, die dem Original entsprechen, sind zwar
überallvorhanden, aber kein Besucherzugang. Ferner wurde ein
Teil der ehemaligen Küchen im Nordtrakt zu sanitären Anlagen
umgewandelt. Der Zugang erfolgt auf der Westseite des Langen
Nordflügels, und hier ist eine lange, behindertengerechte Rampe
vorgebaut, die am Nordflügel entlang führt. Eine zweite solche
Rampe ist auf der Nordseite des Ostflügels angebaut, so daß man
hier barrierefrei in den Raum mit den Schließfächern gelangen
kann. Diese modernen Zubauten wurden in der
Rekonstruktionszeichnung weggelassen.
Zwei
Eingänge
Die Besichtigung beginnt im
äußersten Osten, im Naka-no-guchi (Naka-no-guchi-beya,
Seiteneingangshalle), im dem der warme Ton frischen
Zypressenholzes dominiert. Früher trafen sich hier die
wichtigeren Vasallen, außerdem wurden hier Amtsgeschäfte
erledigt, heute dient der Bereich der Organisierung der Besucher.
Nach Passieren des Ticket-Office, Ablegen der Schuhe und
Verstauen der Taschen in den Schließfächern geht es nach dem
Naka-no-guchi zunächst geradewegs durch den Tamari-no-ma
genannten Wartebereich nach Süden, um dann in die Südostecke
abzubiegen, den Genkan. Dort ist außen der Kuruma-yose mit
seinem geschwungenen Giebel (Karahafu) vorgebaut, der frühere
Haupteingang mit Wagenvorfahrt. Dort kamen früher die
höhergestellten Besucher zu Pferde oder in einer Tragesänfte
an. Das geschweifte Giebeldach über der Vorfahrt wird mit
Zedernholz-Schindeln (Kokera-Schindeln) bedeckt, viele Lagen aus
3 mm dicken Holzschindeln, die mit Bambusnägeln fixiert werden.
In dieser Art ist das komplette Dach der ganzen Anlage
ausgeführt, einzige Ausnahme: Ganz im Norden über dem
Küchenbereich ist der Mittelteil mit Ziegeln gedeckt. Zurück
zum Kuruma-yose: Diesen Eingang nehmen aber die heutigen Besucher
nicht. Und auch in früheren Zeiten war dieser Eingang dem Shogun
und seinen wichtigsten Vasallen vorbehalten, es war eine Ehre,
hier vorgelassen zu werden. Die ganzen anderen Besucher nahmen
auch früher den Seiteneingang, genau wie wir heute als
Touristen. Noch ein Blick auf den Kuruma-yose: Die beiden
wuchtigen Pfosten, die den Eingang flankieren, sind die dicksten
des ganzen Palastes.
Genkan -
der Eingangsbereich
Vom Eingang aus kommt man
jedenfalls zu zwei nebeneinander liegenden Räumen (Genkan
ichi-no-ma im Westen, für die ranghöheren Besucher, Genkan
ni-no-ma im Osten, für die rangniederen Besucher) des Genkan,
deren bemalte Wände mit Tigern und Leoparden dekoriert sind,
Tiger an einem Wasserfall, Tiger im Bambuswald (Chikurin-Hyoko),
sogar mit Baby-Leopard, alles mit goldenem Hintergrund. Typisch
für den Shoin-Stil ist die abgeteilte erhöhte Nische im
Hintergrund, daneben eine kleinere Nische mit Fächern und
höhenversetzten Regalbrettern (Chigaidana). In diesen beiden
Räumen, die auch wegen der Dekoration Tiger-Räume genannt
werden, warteten die Besucher, bis sie vorgelassen wurden. Die
Wahl der Motive stimmte die Besucher auf das ein, was sie
erwartete: die Begegnung mit der Macht. Insofern sind die Tiger
und Leoparden nichts anderen als eine Allegorie der Macht, Kraft
und Gefährlichkeit, die vom Landesherrn ausging. Das Problem bei
diesen Tieren ist, daß es sie in Japan nicht gab, man mußte
sich beim Malen darauf verlassen, was Malereien und Erzählungen
aus Korea oder China als Bild übermittelten. So glaubte man, der
Leopard sei ein weiblicher Tiger, daher kommt die Mischung der
beiden Raubkatzen. So gesehen werden am Bambuswald einfach
Tigermädchen mit Tigereltern dargestellt, eine Tigerfamilie,
auch wenn zwei davon Flecken und Kreise statt Streifen haben.
Oben wurde gesagt, daß die originalen Gemälde 1945 durch
Auslagerung der Zerstörung entgingen; sie werden manchmal im
Rahmen von Sonderausstellungen gezeigt (in den Abbildungen sind
zwei originale Schiebewände mit dem Motiv Chikurin Hyoko-zu zu
sehen, ausgeführt von einem Maler der Kanou-Schule). In den
Räumen installiert sind jedenfalls permanent die Kopien. Die
beiden Räume haben zwar thematisch das gleiche Motiv, doch der
höherwertige Raum ist durch Tokonoma und Chigaidana als der
etwas bessere für die besseren Besucher kenntlich gemacht
worden.
Der
Omote-Shoin: Drei Vorzimmer
Von diesem noch zum
Genkan-Bereich gerechneten Wartebereich führt ein sehr breiter
Korridor (Ou-rouka) nach Westen in den Omote-shoin (vorderer
Shoin), dem regulären Audienzbereich des Herrschers, den
Räumen, in denen er seine Vasallen empfing. Das war vor dem Bau
des Ni-no-maru-Goten das alleinige administrative Zentrum für
Tokugawa Yoshinao, den Daimyo des Lehens Owari. Dieser Bereich
wurde 1615 als erstes gebaut, und bei der Wiederherstellung baute
man ebenfalls diesen Teil zuerst, sodaß er schon 2013 für die
Besichtigung freigegeben werden konnte. Während der Edo-Zeit
wurde dieser aus fünf Räumen bestehende Bereich Hiroma genannt.
Der Besucher umschreitet in der heutigen Wegeführung vier dieser
Räume im Uhrzeigersinn und sieht daher zuerst das San-no-ma
(drittes Zimmer), das größte und zugleich rangniedrigste. Das
die Nordwand beherrschende Thema der Malerei zeigt Zibetkatzen
(Jako-neko) am Flußufer neben dort wachsenden Azaleen und
anderen blühenden Bäumen wie Malus halliana (Hana-kaido), im
Hintergrund sind ferne Hügel zu sehen. Der hintere Teil der
linken (westlichen) Wand ist frei von Motiven und einfach nur von
Gold bedeckt; vermutlich gab es hier früher einen zweiten Zugang
zum innenliegenden Lagerraum (Nando-no-ma).
In der Mitte folgt das kleinere Ni-no-ma (zweites Zimmer), dessen nördliche Rückwand einfach nur eine Goldmalerei ohne weitere Motive zeigt; dahinter liegt der bereits erwähnte, nicht von außen einsehbare Stauraum. Hier war die ursprüngliche Ausmalung nicht dokumentiert, deshalb die einfache Goldfläche; man weiß einfach nicht, welche Motive hier vorher waren. Die Seitenwände zeigen sparsam gesetzte Pflanzen und Bäume, einen Ahornbaum in Herbstfärbung, auch eine Kiefer als Symbol der Ausdauer und des langen Lebens, dazu Vögel. Sukzessive steigern sich im Uhrzeigersinn der Rang der Zimmer und die Qualität der künstlerischen Ausstattung.
Dann folgt das genauso große Ichi-no-ma (erstes Zimmer), dort sind auf den Wänden Frühlingslandschaften mit blühenden Kirschbäumen (Sakura) und Fasanen (Kiji) dargestellt. Gerade die Kirchblüte ist nicht nur einer der jahreszeitlichen Höhepunkte japanischer Ästhetik, sondern wegen ihrer erlesenen Schönheit und Kurzlebigkeit auch ein Symbol für die Ideale der Samurai und des Buddhismus. Die Unbeständigkeit und das kurze Leben implizieren Vergänglichkeit und Schicksal, dennoch aber dient das kurze Leben der Entfaltung von Perfektion und Schönheit. Die Fasanen sind glückverheißende Symbole, denn sie stehen für Macht, Überfluß und gute Verheißungen. Im Ichi-no-ma besteht wie in den beiden vorhergehenden Räumen die Decke aus einer geraden und flachen Kassettendecke (Kogumigou-tenjou, ko-gumi = kleines Raster, tenjou = Decke) aus naturfarbenem Holz. Die Ramma über den Wandpaneelen und Schiebetüren sind ein schlichtes feines naturfarbenes Gitter in schwarz lackiertem Rahmen.
Der
Omote-Shoin: Audienzzimmer
In der Nordwestecke des
Omote-shoin befindet sich der beste Raum dieses Komplexes, das
Zimmer Jodan-no-ma (höher gelegenes Zimmer), ein Zimmer mit
gegenüber den anderen erhöhtem Bodenniveau, ein gebauter
Rangunterschied, denn in diesem Zimmer hielt sich der Lehnsherr
bzw. Shogun auf, während er Gästen und Vasallen öffentliche
Audienzen gewährte. Die hier dominierende Dekoration der
bemalten Wände sind immergrüne Kiefern mit braunen Stämmen vor
goldenem Grund, ein Symbol für die Langlebigkeit und Ausdauer.
Überhaupt dominiert in diesem öffentlichsten der drei Bereiche
die Farbe Gold als Hintergrund. Im Jodan-no-ma besteht die Decke
aus einer Kassettendecke mit gekehltem Übergang zur Wand
(Ori-age-Kogumigou-tenjou, oriage = erhöht, Rest siehe oben). An
der Ostseite dieses Zimmers führt eine besonders schmuckvolle
doppelte Schiebetür (Chodai-ga-mae) in einen Nebenraum, dort
konnten Wachmannschaften postiert werden, und man konnte hier im
Stauraum Sachen lagern. Es ist aber kein Chodai im konkreten
Sinne, also kein Privatbereich. Die Türen, die so aussehen, als
würden sie in einen Chodai führen, sind hier rein dekorativ.
Dieser sozusagen im Inneren befindliche Raum (Nando-no-ma,
Lagerraum) wird bei der Besichtigung nicht eingesehen. Links
neben der Tokonoma-Nische befindet sich ein in den umlaufenden
Gang hineingebaute Nische mit erhöhtem Boden (Tsuke-shoin,
Schreib-Alkoven, auch als Zashiki-Kazari benutzt). Während man
den Korridor an diesen beiden letzten Zimmern des Omote-Shoin
entlanggeht, hat man auf der anderen Seite einen guten Ausblick
auf den Irimoya-Giebel des dritten Bereiches, des privaten
Lebensbereiches des Shoguns.
Der
Taimenjo-Bereich
Nach Passieren des Jodan-no-ma
führt ein kurzes Zwischenstück in den mittleren Palastteil, den
Taimenjo-Bereich, der als zweites errichtet wurde und dessen
Wiederaufbau 2016 eröffnet werden konnte. Seine Räume bilden
das Herzstück der Anlage, obwohl der Bereich an der Südfront
gar nicht markant in Erscheinung tritt. Dafür ragt er im Norden
weit in den Platz des Honmaru hinein, im Grundriß ein großen
"L" bildend. Dieser Teil besitzt sowohl repräsentative
Räume als auch funktionale Räume wie die Küchen. Die Natur
dieses Komplexes ist privater als beim Omote-Shoin, während in
jenem eine größere Öffentlichkeit Zutritt hatte, gelangten in
diesen mittleren Bereich nur die engeren Vasallen, Minister und
Vertrauten. Hier traf sich der Shogun mit seiner Familie, hier
wurde gefeiert, hier ergab sich durch die Küchennähe auch eine
größere Präsenz des Hauspersonals. Die Motive der Malereien
trumpfen nicht mit Machtsymbolen auf, sondern zeigen auch viel
gemeines Volk, um die Atmosphäre lockerer und entspannter zu
gestalten. In diesem Bereich fand z. B. die Hochzeit zwischen
Tokugawa Yoshinao (2.1.1601-5.6.1650), dem neunten Sohn von
Tokugawa Ieyasu, und Prinzessin Haruhime statt; er war zu dem
Zeitpunkt 15, sie war 13 Jahre alt. Yoshinao wurde später der
erste Daimyo des Lehens Owari, zu dem Nagoya gehörte. Er
begründete die Owari-Tokugawa-Linie der Familie. Haruhime war
die Tochter von Asano Yoshinaga, der erst Daimyo des Lehens
Wakayama auf der Halbinsel Kii und später Daimyo des Lehens
Hiroshima war.
Taimenjo,
Küchen und nördliche Räume
Im einzelnen gibt es dort
folgende Räume: Im nördlichen Kopfende liegt an der Westseite
die große Küche für den Shogun und seine Familie,
Kami-daidokoro, aus fünf Kompartimenten bestehend. In der Mitte
des Nordtraktes liegt der Einzelraum Yanagi-no-ma
(Weiden-Zimmer). Südlich schließt daran der Raum Kujaku-no-ma
(Pfauen-Zimmer) an und bildet den "unteren Abschluß des
vertikalen L-Schaftes". Beide Räume sind schlicht,
Schiebetüren und Wandpaneele sind ohne Bemalung. Das liegt
daran, daß hier die Originale verlorengegangen sind und auch
nicht dokumentiert waren. So sind die Kompositionen unbekannt,
auch wenn der Name der Räume das Thema nennt. Der eigentliche
Taimenjo ist der "horizontale L-Strich", in dem fünf
Räume unterschieden werden. Die beiden nördlichen Räume der
Zentraleinheit dienen zum Aufbewahren von Dingen, sie werden als
Nando-ichinoma (erster Lagerraum) und Nando-ninoma (zweiter
Lagerraum, der einzige Raum, der von Besuchern betreten werden
darf) bezeichnet. Im Nordteil dieser Baueinheit, wo früher
die Küchen waren, ist ein von außen, also von der Nordseite her
separat zugänglicher Museums-Shop eingerichtet; dieser Teil wird
bei der Innen-Besichtigung ausgeklammert.
Taimenjo,
zwei Prunkräume
Die beiden südlichen Räume
sind Jodan-no-ma (der südwestliche mit dem erhöhten
Bodenniveau) und Tsugi-no-ma (der südöstliche Vorraum).
Ersterer besitzt eine schmuckvolle Ausstattung mit erhöhter
Tokonoma und mit einem höhenversetzten Regal (Chigaidana)
daneben, typische Ausstattungsmerkmale der jeweils besten Zimmer
im Shoin-Stil. Der Jodan-no-ma besitzt eine interessante
Kassettendecke aus schwarz lackiertem Holz mit umlaufender
Kehlung am Rand; sie hat zwei Ebenen; das Mittelrechteck ist
höher gesetzt mit erneuter Kehlung. So eine Decke bezeichnet man
als Kuro-urushi-nuri nijuu oriage kogumigou-tenjou, wobei kuro =
schwarz, urushi = Lack, oriage = erhöht und ni-juu = zwei
Ebenen, zwei Stockwerke und tenjou = Decke bedeutet. Die
rückwärtige Nordwand besitzt einen schwarz lackierten Rahmen um
die gemalten Paneele mit vielen vergoldeten Beschlägen.
In diesen weniger öffentlichen Räumen, die ebenso eine Abfolge von rangmäßig unterschiedlich eingestuften Kompartimenten bilden, sieht man nicht mehr das dominante Gold als Hintergrund der Wände wie im öffentlicheren Omote-Shoin, sondern vielmehr das feinere Weiß, Gelb oder Creme. Die Räume des Taimenjo sind mit Sansui-kacho-zu-Malerei dekoriert: Die Motive sind Berge, Wasser, Vögel und Blumen. Für die bessere Sichtbarkeit der Malereien wurden viele der einst zum Gang hin trennenden Shoji-Wände entfernt, so wie auch die Korridore abschnittsweise Shoji-Wände eingesetzt hatten. Wo also heute die Besucher dem durchgehenden Weg folgen, waren früher die Übergänge in intimere Räumlichkeiten deutlicher wahrnehmbarer.
Die Wandmalereien stellen im Jodan-no-ma (Wohnbereich von Yoshinao) auf hellbeigem Untergrund den Yoshida-Schrein und den Kamigamo-Schrein in Kyoto dar, zu denen die Familie Tokugawa eine besonders enge Beziehung pflegte. Am Yoshida-Schrein wird Yudate Shinji gezeigt, ein Schreinmädchen taucht einen Bambuszweig in einen großen Behälter mit heißem Wasser und verspritzt dann das Wasser auf die anwesenden Betenden. Den Kamigamo-Schrein erkennt man an der Darstellung eines Pferderennens. Im Tsugi-no-ma (Wohnbereich von Haruhime) wird hingegen auf gelbem Untergrund Wakano-ura dargestellt, der Geburtsort der Braut Haruhime, die so weniger Sehnsucht nach ihrem Zuhause haben sollte. Wakano-ura ist eine Bucht an der Mündung des Flusses Kino; die dortige Landschaft war für Dichter der Nara-Zeit und der Heian-Zeit ein gerne gewählter Ort kultureller Inspiration. Heute ist die Bucht am südwestlichen Stadtrand von Wakayama zu finden, knapp 5 km von der Burg Wakayama entfernt. Im Herbst wird eine Art Erntegebet abgehalten; Schiffe und Salzgewinnung sind zu sehen. Die beiden genannten Räume boten die Kulisse für die Hochzeit von Tokugawa Yoshinao und Prinzessin Haruhime.
Taimenjo,
Anrichteküchen
Dann gibt es noch den Raum
Shimo-gozensho (untere Anrichteküche), dieser befindet sich
rechts am Ende des unteren L-Striches, durch einen Innenhof vom
südlichen Omote-Shoin getrennt. Dieser Raum diente der
Vorbereitung und dem Anrichten der in der Küche hergestellten
Speisen. Von hier aus wurden der Omote-Shoin und der Taimenjo mit
Essen versorgt. In der Mitte des mit Holzdielen ausgelegten
Raumes ist eine mit Stein gerahmte und mit Sand gefüllte
Vertiefung bzw. Aussparung im Fußboden, wo mehrere Dreifüße
aufgestellt sind, dort konnten Kessel mit Speisen erwärmt
werden. In der Decke ist ein Dunst- und Rauchabzug eingebaut.
Dieser Raum wird aber erst gegen Ende des üblichen Rundgangs
erreicht. Mehrere Staffeleien tragen große Tafeln, auf denen die
Wiederherstellung des Honmaru Goten unter besonderer
Berücksichtigung der Gewinnung und Verarbeitung des
Zypressenholzes illustriert wird.
Weiter im Westen gibt es noch ein Gegenstück mit gleicher Funktion: Im Norden des Jurakuden liegt, durch einen Hof von diesem getrennt, eine vom Taimenjo aus erschlossene Halle; diese gehört funktional zum Servicebereich; sie heißt Kami-gozensho (obere Anrichteküche), und sie diente zum Vorbereiten der Speisen für den Shogun und seine Familie, also das Gegenstück zum Shimo-gozensho, nur diesmal exklusiv für den "Chef". Von hier aus wurde ausschließlich der Joraku-den mit Essen versorgt. In der Mitte ist im Boden eine Feuerstelle ausgespart, und dort sind mehrere Dreibeine aufgestellt, auf denen die Kessel positioniert werden konnten. Dieser Raum ist reihum mit Tatami-Matten ausgelegt, im Laufbereich der Besucher sind sie allerdings mit grauen Matten abgedeckt. In der Decke ist ein Abzug für Rauch und Dunst eingebaut.
Der
Joraku-den
An der Südwestecke des
Taimenjo erfolgt der Übergang zum dritten, privatesten Bereich
des Honmaru Goten: Der westliche Abschnitt ist der Bereich des
Joraku-den, der private Wohnbereich des Shoguns. Dieser Teil des
Palastes wurde aber nicht mehr unter Tokugawa Ieyasu errichtet,
und auch nicht für seinen Sohn Tokugawa Yoshinao, sondern 1634
unter dem dritten Shogun, Tokugawa Iemitsu. Der Bereich trägt
den Namen Joraku-den, weil der Shogun hier auf der Reise von Edo
zum Kaisersitz Kyoto hier Station machte und Quartier nahm, und
Joraku bedeutet genau das: nach Kyoto gehen. Dieser Bereich wurde
bei der Wiederherstellung zuletzt vollendet und konnte im Herbst
2018 für den Publikumsverkehr geöffnet werden.
Joraku-den,
Reiher-Korridor
Gleich am Anfang beginnt der
Bereich mit dem Sagi-no-rouka, dem Reiher-Korridor, der zeitlich
auch ins Jahr 1634 zu datieren ist. Er leitet vom Mittelteil
über und führt am L-Winkel des Taimenjo entlang. Er heißt so,
weil auf den Wandgemälden vor goldenem Hintergrund weiße Reiher
auf schneebedeckten Weiden-Bäumen dargestellt werden. Das warme
Gold der Fläche läßt die grau-weißen Äste und das stahlblaue
Wasser der Winterlandschaft noch eisiger und kälter erscheinen.
Die Kassettendecke besitzt naturfarbene Füllungen und schwarz
lackierte Gitterraster mit goldenen Beschlägen an den
Kreuzungen. Die Malereien oderhalb des Nageshi (dekorative
Balken) stammen aus der Kan-ei-Zeit.
Joraku-den,
Pflaumen-Zimmer
Nördlich dieses Korridors
liegt der Raum Ume-no-ma, das ebenfalls 1634 entstandene
Pflaumenzimmer. Normalerweise wird der Raum erst auf dem Rückweg
von der Besichtigung des westlichen Teils erreicht. Beherrschend
sind die knorrigen Äste wilder Pflaumenbäume vor goldenem
Hintergrund mit weißen Wolkenbänken und stahlblauem Wasserlauf,
bereichert durch Fasanen und andere Vögel. Auch dies ist eine
Winterlandschaft. Das Thema der Malerei wird Sechu-roubai-zu
genannt, der alte Pflaumenbaum im Schnee. Dieser Raum war der
Aufenthalts- und Warteraum für die Besucher des Daimyo in diesem
Teil des Palastes. Seine Dekoration ist edel, aber schlicht, um
noch Steigerungsmöglichkeiten im nächsten Teil zu haben.
Joraku-den,
drei Vorzimmer
Der eigentliche Joraku-den
besitzt vier kostbar ausgestattete Räume, deren Bezeichnungen
derjenigen in den anderen Hallen folgen: Der beste Raum, der
Jodan-no-ma mit dem erhöhten Boden, mit der Tokonoma und dem
Staffelregal (Chigaidana), also das Arbeits- und Schreibzimmer
des Shoguns, befindet sich in der nördlichen Reihe ganz im
Westen. Die drei südlichen Zimmer werden von Westen nach Osten
durchgezählt: Ichi-no-ma (erstes Zimmer), Ni-no-ma (zweites
Zimmer) und San-no-ma (drittes Zimmer). Alle vier Zimmer sind
äußerst luxuriös ausgestattet und stellen das Beste an
Handwerkskunst dar. Der große Einfluß traditioneller
chinesischer Landschaftsmalerei ist an den Wandgemälden
abzulesen. Absolute Höhepunkte sind die Holzschnitzereien mit
Vögeln im oberen Bereich der Trennwände und die
Metallbeschläge der konstruktiven Elemente. Der Grundriß ist
noch nicht vollständig, denn auf der Nordseite der Halle liegen
weitere Räume, wie man an der großartigen Doppelschiebetür an
der Ostwand des Jodan-no-ma sehen kann. Dahinter waren Zimmer
für Wachen, Schlafzimmer, Stauräume.
Der Besucher erreicht zuerst das San-no-ma (drittes Zimmer). Die Wandgemälde stellen im Gegenuhrzeigersinn aufeinander folgend die vier Jahreszeiten dar mit jeweils passenden Blumen und Vögeln. Die Sommerlandschaft (Sanbe-matsuki-zu) ist im Westen angebracht, mit einer Kiefer, einem Wasserfall und einem ruhig auf Beute wartenden Reiher.
Das Thema der in Richtung Westen nachfolgenden Räume Ichi-no-ma und Ni-no-ma bilden hingegen Szenen aus der chinesischen Geschichte, die aus dem Teikanzusetsu entnommen sind, einer von Zhang Juzheng geschriebenen Kaisergeschichte (Teikanzu). Der Autor war ein chinesischer Staatsmann und Oberster Großsekretär unter den Kaisern Longqing und Wanli während der Ming-Dynastie, war de facto Regent von China und lebte 1525-1582. Auf seine Reformen geht die Stärkung des Zentralstaates zurück. Jedenfalls diente dieses Buch den Malern der Kanou-Schule als Vorbild für die Ausmalung der beiden Räume, wobei sie aber nur die Geschichten der guten Kaiser auswählten und die der schlechten geflissentlich übergingen. Denn hier ging es ja nicht um neutrale Geschichtsschreibung, sondern um eine ansprechende Kulisse für den Shogun, der ebenso wie der Autor des Geschichtswerk die tatsächliche Macht im Kaiserreich Japan ausübte. Insbesondere Kanou Tanyuu war hier als Maler tätig.
Im Ni-no-ma beeindrucken erneut die Holzschnitzereien im oberen Teil der Wände (Ramma): Es ist eine durchbrochene Arbeit, aber auf beiden Seiten der Wand ist nicht einfach das spiegelbildliche Motiv zu sehen, sondern ein anderes Thema. Wir sehen dort z. B. Schmuckhühner, von denen ein Hahn auf einer runden Trommel steht. Wolken und ein Dickicht aus Büschen und Bäumen bilden den verwirrend komplizierten Hintergrund jedes Filigran-Reliefs. Im Jorakuden sollte man auch den Blick zu den Decken richten: Es handelt sich zwar von der Konstruktion um eine einfache Kassettendecke, doch alle Kreuzungen sind mit vergoldeten Beschlägen versehen (Kintsujigu).
Joraku-den,
Zimmer des Shogun
Im besten Zimmer dieser Halle
kommt zwar auch dieses Grundprinzip zur Anwendung, zusätzlich
ist diese Decke mit zwei Ebenen versehen (ni-juu) und besitzt
noch Malereien in den einzelnen Feldern (Tenjou-e = bemalte
Decke). Auch die Beschläge sind von erlesener handwerklicher
Qualität: Man achte auf die Türgriffe (Hikite) und die
Abdeckungen der Stellen, wo Holznägel sichtbar wären
(Kugikakushi). Im Juraku-den sind diese besonders prächtig; auf
den schwarz-goldenen Schmuckplaketten sieht man öfter das Motiv
von Eichhörnchen und Weintrauben, Budo ni Risu zu. Dabei handelt
es sich um ein Wortspiel, denn Budou = Traube und Budou =
Bushidou, Weg des Kriegers, und Rissu = Verhalten und Risu =
Eichhörnchen. Hier wird als Rebus dargestellt: Verhalten wie ein
Krieger, ein beliebtes Motiv in der Kunst. Viele dieser
Beschläge tragen das Wappen (Ka-mon) der Tokugawa-Familie, die
drei Aoi-Blätter im Dreipaß. Im Jodan-no-ma gibt es nicht nur
Tokonoma und Chigaidana, sondern auch eine exquisite Tür
(Chodai-ga-mae) mit zwei Schiebetüren (Fusuma) zu einem
Nebenraum. Dieser Teil des Palastes wurde auch Onari-shoin
genannt.
Äußere
Anbauten am Joraku-den: O-yudono-shoin und Kuroki-shoin
Zum Bereich des Joraku-den
gehören noch zwei weitere, kleinere Hallen, die im Westen
angebaut und mit dem Joraku-den verbunden sind. Dennoch kann der
Besucher bei der Innenbesichtigung nicht einfach dorthinein
wechseln; der Durchgang ist nicht offen. Da diese 1634 erbauten
Hallen sehr klein dimensioniert sind, sind sie nur im Rahmen
einer geführten Tour mit maximal 15 Teilnehmern zugänglich; die
Tickets gibt es im O-yudono-shoin, also einmal um den Palast
herum laufen und dort außen im Südwesteck anstellen. Es kostet
nicht extra, es geht allein um die Begrenzung der Teilnehmer.
Diese beiden Hallen heißen O-yudono-shoin (Bade-Zimmer,
eigentlich mehr ein Dampfbad, denn das Wasser wurde im
nördlichen Nebenraum heißgemacht, und der Dampf wurde durch
Schlitze im Boden in die "Sauna" in der Mitte des
Gebäudes geleitet) und Kuroki-shoin (innerer Empfangsraum, eine
Abfolge sehr privater Räume).
Im erstgenannten konnte der Shogun ein Saunabad im Kamaya genannten Raum nehmen oder einen der drei Ruheräume (Jodan-no-ma im Westen, Ichi-no-ma im Süden und Ni-no-ma in der Mitte) aufsuchen oder im zweitgenannten ganz privat Besucher empfangen. Die Dekoration im Kuroki-shoin ist sehr zurückhaltend, edel, aber eben privat, hier mußte nicht mit viel Gold und kräftigen Kontrasten aufgetrumpft werden, hier mußten keine staatstragenden Symbole gezeigt werden, vielmehr sind es edle, feine Malereien, dominierend sind Weiß und Gold, ein Kontrast zu den schwarz lackierten Rahmen. Der Kuroki-shoin ist als einziges Gebäude des ganzen Palastes nicht aus Zypressenholz, sondern aus Kiefernholz gebaut, angeblich aus der Burg Kiyosu (Tenshu heute wiederaufgebaut), einer ehemaligen Burg von Tokugawa Ieyasu, die ausgeschlachtet wurde und deren Baumaterial in der Burg Nagoya an mehreren Stellen wiederverwendet wurde.
Literatur,
Links und Quellen
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@35.1849776,136.899778,19.33z - https://www.google.de/maps/@35.1849496,136.8997887,137m/data=!3m1!1e3
Webseite der Stadt Nagoya zum Honmaru Goten: https://www.nagoyajo.city.nagoya.jp/en/nagoyajo/honmarugoten/ mit Video https://www.youtube.com/watch?v=W8FmR02aw9Q - einzelne Räume: https://www.nagoyajo.city.nagoya.jp/en/nagoyajo/honmarugoten/room/ - über den Palast allgemein: https://www.nagoyajo.city.nagoya.jp/en/nagoyajo/honmarugoten/about/ - virtuelle Tour: https://my.matterport.com/show/?m=GiSAw5KfCmz
Honmaru Goten auf Japan-Guide: https://www.japan-guide.com/ad/nagoya/
Artikel zum Honmaru Goten auf Japantravel: https://en.japantravel.com/aichi/the-new-honmaru-goten-palace/59382 und https://en.japantravel.com/aichi/nagoya-castle-reconstruction-status/4211
Burg Nagoya auf Wikipedia: https://en.wikipedia.org/wiki/Nagoya_Castle - https://de.wikipedia.org/wiki/Burg_Nagoya
Bericht auf Japan Experience: https://www.japan-experience.com/all-about-japan/nagoya/attractions-excursions/nagoya-castle-hommaru-palace
Beschreibung auf Centrip-Japan: https://centrip-japan.com/article/1075.html
Artikel zum wiederhergestellten Honmaru Goten: https://ittekuru.com/2014/10/22/field-report-nagoya-13-february-2014-part-12/ (2014) - https://ittekuru.com/2016/06/09/field-snapshot-the-honmaru-palace-of-nagoya-castle-japan-06-june-2016/ (2016) - https://ittekuru.com/2017/08/05/field-snapshot-yet-another-peek-at-the-honmaru-palace-of-nagoya-castle-japan-24-november-2016/ (Ende 2016) - https://ittekuru.com/2017/08/05/field-snapshot-yet-another-peek-at-the-honmaru-palace-of-nagoya-castle-japan-24-november-2016/ und https://ittekuru.com/2019/07/20/field-report-the-honmaru-palace-of-nagoya-castle-japan-28-november-2018/ (Ende 2018)
Burg Nagoya und der Honmaru Goten: https://uexinja.blogspot.com/2020/12/
Artikel in Japan Daily: https://japandaily.jp/a-national-treasure-rises-from-the-ashes-5446/
Honmaru Goten: http://kikuko-nagoya.com/html/honmaru-goten.html
Seite der Stadt Nagoya: https://www.nagoyajo.city.nagoya.jp/en/nagoyajo/honmarugoten/about/
Burg Nagoya auf Centrip-Japan: https://centrip-japan.com/article/1079.html
Burg Nagoya: https://www.japan-guide.com/e/e3300.html
Burg Nagoya: http://kikuko-nagoya.com/html/nagoya-castle.html
Bericht auf JCastle: https://www.jcastle.info/view/Nagoya_Castle
ausführliches Video zur Burg Nagoya und dem Honmaru Goten: https://www.youtube.com/watch?v=tsmJrhaWBI0
Nagoya-jo, Teil (2): Honmaru goten, Außenansichten - Nagoya-jo, Teil (3): Honmaru goten, Genkan-Bereich - Nagoya-jo, Teil (4): Honmaru goten, Omote-shoin - Nagoya-jo, Teil (5): Honmaru goten, Taimenjo-Bereich - Nagoya-jo, Teil (6): Honmaru goten, Jorakuden: Sagi-no-rouka, Ume-no-ma und San-no-ma - Nagoya-jo, Teil (7): Honmaru goten, Jorakuden: Korridore im Osten und Süden - Nagoya-jo, Teil (8): Honmaru goten, Jorakuden: Korridore im Süden und Westen - Nagoya-jo, Teil (9): Honmaru goten, Jorakuden: Ni-no-ma und Jodan-no-ma - Nagoya-jo, Teil (10): Honmaru goten, Jorakuden: Ichi-no-ma
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