Bernhard
Peter
Kyoto,
Hauptbahnhof (Kyoto Eki)
Futuristisch, avantgardistisch und gigantisch, so ist der erste Eindruck des mit der Bahn Anreisenden bei der Ankunft in der alten Kaiserstadt. Der Bahnhof von Kyoto (Kyoto Eki) ist einer der größten Bahnhöfe Japans, weil er an der Hauptroute der Tokaido-Strecke liegt und Anschluß an das Shinkansen-Netz hat. Das führt zu einer Zweiteilung des Bahnhofs: Der nördliche Teil ist für das normale Streckennetz der JR West (Nara-Line, Kosei-Line, Sanin-Main-Line, Tokaido Main Line), der südliche Teil für das Shinkansen-Netz (Tokaido-Shinkansen), dessen Gleise höher liegen als die des normalen Netzes, also im zweiten Obergeschoß (in Japan das dritte Geschoß). Baulich sind beide Teile getrennt, aber durch eine Fußgängerbrücke miteinander verbunden. Das spart Platz, weil sich die Gleise höhengestaffelt überlappen können. Dazu kommt noch die U-Bahn der Karasuma Line, so daß hier Gleise in drei Ebenen übereinanderliegen. Außerdem gibt es noch eine Schnittstelle mit der privaten Kintetsu Kyoto-Line. Die Nordseite des Bahnhofs ist die Karasuma-Seite, die südliche Seite die Hachijo-Seite. Nördlich und südlich des Gebäudes befinden sich die verschiedenen Busbahnhöfe, so daß der Bahnhof zum Dreh- und Angelpunkt der meisten in der Stadt zur Verfügung stehenden Verkehrsmittel wird.
Die einzelnen Linien haben in der Regel fest zugewiesene Gleisbereiche. Das direkt als erstes zugängliche Gleis 0 wird von der Hokuriko Line nach Fukui und Kanazawa bedient, von der Tokaido Line nach Maibara und Nagano, außerdem manchmal von der Biwako Line, der Kosei Line und der Kusatsu Line. Auf den Gleisen 2 und 3 verkehren die Biwako Line und die Kosei Line. Die Gleise 4 und 5 sind für die Kyoto Line nach Osaka und Sannomiya bestimmt. Die Gleise 6 und 7 sind für die Kinokuni Line, die Chizu Express Line und einige wenige morgendliche Linien nach Osaka und zum Flughafen Kansai International. Die Nara-Line verkehrt auf den Gleisen 8, 9 und 10. Die Gleise 11-14 gehören dem Shinkansen. Auf den seitlich im Westen zugänglichen Gleisen 30-33 verkehren die Züge der Sagano-Sanin Line nach Fukuchiyama, Kameoka und Sonobe. Auf Gleis 30 hält in den meisten Fällen der Haruka Express zum Kansai International Airport.
Das in einigen Teilen 15 Stockwerke umfassende, 70 m hohe und 470 m lange Gebäude wurde von Hiroshi Hara (9.9.1936-) entworfen und 1997 fertiggestellt. Dieser Architekt entwarf u. a. auch das Yamato International Building in Tokyo, das Umeda Sky Building in Osaka, den Shimokita Snow-Resistant Dome in Mutsu, Aomori, und den Sapporo Dome auf Hokkaido. Auch der Komaba II Campus der University of Tokyo und die Hiroshima Municipal Motomachi High School in Hiroshima stammen von ihm. Außerhalb Japans entwarf er u. a. die Casa Experimental im bolivischen La Paz, eine ebensolche in Montevideo, Uruguay, und in Cordoba, Argentinien. Es handelt sich um das vierte Bahnhofsgebäude der Stadt, seit Kyoto 1876 Eisenbahnanschluß bekam. Die vorhergehenden Bahnhofsgebäude wurden 1877, 1914 und 1952 fertiggestellt. Das gegenwärtige Gebäude gönnte sich die Stadt zum 1200. Geburtstag.
Das Gebäude wurde und wird kontrovers diskutiert, weil es mit seiner Architektur und seinen monströsen Dimensionen überhaupt nicht zu unserem Kyoto-Klischee paßt. Wir sehen die Stadt durch die Brille des Kunstliebhabers und Geschichtsinteressierten, für uns sind die Hauptziele die Kulturgüter, und so baut sich die Erwartungshaltung auf, daß schon am Bahnhof die alte traditionelle Kultur Kyotos beginnt und das Gebäude auch einer Weltkulturerbestadt entspricht. Diese retrospektive Erwartung vieler Touristen wird enttäuscht - hier dominieren Glas, Metall und Beton, und das in gewaltigen Dimensionen. Das Erdgeschoß ist in schwarz-bläulichem Granit verkleidet. Dabei wird ganz übersehen, daß Kyoto auch eine gut durchorganisierte moderne Großstadt ist und zum überwiegenden Teil auch modern bebaut ist, und daß hier jährlich riesige Passagierzahlen abgefertigt werden, 2016 waren das allein im Bereich der JR-West-Gleise 200426 zusteigende Passagiere täglich, das sind 73 Millionen im Jahr. Dazu kommen noch (2016) 123360 Passagiere der U-Bahn, 45 Millionen im Jahr, und der Shinkansen. Damit kommt der Bahnhof an zweiter Stelle hinter dem von Osaka für den Bereich JR West, was die Passagierzahlen betrifft. Und das Bewältigen dieser Passagierzahlen gelingt mit der typisch japanischen Effizienz.
Wenn man ankommend die Kontrollschranken passiert hat, landet man in einer gigantischen Halle, die von einem verglasten geodätischen Netz aus Stahl überzogen ist, das den Raum zwischen zwei Hochhausblöcken zu einer Halle überspannt. Der eine seitliche Block im Osten wird vom Hotel Granvia Kyoto eingenommen, der andere im Westen vom Einkaufszentrum Isetan Departement Store (Einkaufsstraße auf der zweiten Ebene des Bahnhofs). Dazu kommen mehrere "Freßmeilen", eine in den obersten Stockwerken des Westbaus, eine im Untergeschoß unter dem nördlichen Bahnhofsvorplatz und unter dem Busbahnhof und eine dritte unterhalb der Shinkansen-Bahnsteige, die hauptsächlich von der Südseite des Bahnhofs erschlossen wird. Von der Haupthalle aus führen mehrere Rolltreppen nach oben, wo man u. a. im Westteil auf eine keilförmige Freifläche in Treppenform gelangt (Daikaidan-Treppe mit 171 Stufen und 35 m Höhenunterschied), die vom 4. Geschoß zum 15. Geschoß (japanischer Zählung) hochführt und wie Sitzreihen eines Theaters wirkt und auch so benutzt wird, wenn im 4. Geschoß auf der kleinen Zwischenebene Konzerte oder Aufführungen stattfinden. Es lohnt, von hier die oberen Bereiche des Bahnhofs zu erkunden, denn über den Skyway-Tunnel gelangt man von der Restaurantebene im 11. Stockwerk über die zentrale Halle hinweg zum East Square.
Um von der Nord- auf die Südseite des Bahnhofs zu kommen, gibt es prinzipiell drei Möglichkeiten auf verschiedenen Ebenen. Im Westen führt eine Einkaufspassage im ersten Obergeschoß auf die andere Seite, am Isetan-Kaufhaus vorbei, mit Zugang zu dem Gleisbereich (West Gate). Diese Passage endet im Süden am Asty Square auf der Hachijo-Seite. In der Mitte verläuft innerhalb der im Norden und Westen angebrachten Zugangsschranken eine Brücke über die Gleise, und Treppen führen auf die einzelnen Bahnsteige hinunter. Ganz im Süden kommt man so auf die Shinkansen-Bahnsteige. Im Osten gibt es eine unterirdische Verbindung, die Anbindung zur U-Bahn hat und nördlich in die Restaurant- und Einkaufszone Porta und südlich in die Restaurantzone Asty Road überleitet.
Die Tourist-Information befindet sich in der westlichen Einkaufspassage. Im Isetan-Gebäude befindet sich im 9. Stockwerk (von der Passage aus: Lift ist etwas versteckt hinter dem rechts gelegenen Eingang des Isetan-Kaufhauses) das Kyoto Prefectural International Center, eine Informationsstelle für längerfristig hier lebende Ausländer. Man findet sie auf der Südseite der Daikaidan-Treppe. Informationen über das Gebäude und seine Geschäfte etc. bekommt man an der Kyoto Station Building Information auf der Nordseite des Bahnhofs im ersten Obergeschoß; hier gibt es auch Pläne des Gebäudes, neben Mr. Donuts.
Immer wieder beeindruckt die unglaubliche Höhe dieser Bahnhofshalle
Hier ist es noch morgendlich ruhig. Die Ticketgates sind rechts im Hintergrund unter der Anzeigetafel. Links leuchten die Fahrrkarten- und Reservierungsautomaten grün.
Im Hintergrund an der linken Schmalseite der Halle befindet sich das JR-Reisecenter. Nach hat es am frühen Morgen geschlossen. In einer Stunde wird es hier schwarz vor Menschen sein, die zur Arbeit müssen.
Auf der Nordseite liegen die ganzen Bussteige.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf google maps:
https://www.google.de/maps/@34.9851238,135.7586272,17z - https://www.google.de/maps/@34.98544,135.7588336,360m/data=!3m1!1e3
Bahnhof Kyoto auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Bahnhof_Ky%C5%8Dto - https://en.wikipedia.org/wiki/Ky%C5%8Dto_Station
Eigene Seite des Bahnhofs: https://www.kyotostation.com/ - https://www.kyotostation.com/kyoto-station-building-facilities/
Übersichtskarte: https://www.kyotostation.com/kyoto-station-map-finding-your-way/
Architekt: https://en.wikipedia.org/wiki/Hiroshi_Hara_(architect)
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