Bernhard Peter
Wayang-Kulit-Figuren aus Indonesien


Figuren-Datenbank: Wisanggeni (Bambang, Raden)

Mythologie: Abstammung und Familie
Bambang Wisanggeni ist der Sohn von Raden Arjuna, einem der fünf Pandawa-Krieger, und seiner Frau Dresanala, eine Himmelsnymphe (Bidadari) und eine von ganz vielen Frauen. Der Frauenheld Arjuna, der zu dem Zeitpunkt gerade König des Himmels Kahyangan Kainderan war (eine Art zeitlich befristete Belohnung für eine Heldentat) und den Titel Prabu Karitin trug, trennte sich bereits von ihr, als sie mit Wisanggeni schwanger war. Denn eine andere Frau war auch Teil der Belohnung. Die Trennung war auch der Plan von Betara Guru, der der Entscheidung nachhalf, denn seinerseits sah er sich der Forderung seiner Ex-Frau Durga ausgesetzt, genau das zu erwirken. Dresanala, eine Tochter von Betara Brama und seiner Gemahlin Dewi Saraswati, wird kurz nach der Geburt von Prabu Dewasrani, einem Sohn von Betari Durga, der schon immer auf Arjuna eifersüchtig war, in sein Königreich Nusarukmi gebracht. Denn Durga wollte diese Ehe für ihren Sohn. Wisanggeni gibt es nur in den javanischen Wayang-Geschichten, er kommt nicht im indischen Mahabarata vor, weder als Figur noch als Name. Bambang oder Raden Wisanggeni darf nicht verwechselt werden mit Resi oder Begawan Wisanggeni (so wie bei Franke-Benn, da ist es eine Person).

Kindheit und Jugend
Der Säugling, der der Legende nach in der Einsiedelei Kendalisada als brennender Feuerball geboren wurde, nach einer anderen Version als Frühgeburt, zu der man nachgeholfen hatte, hingegen wird erst einmal in die Einsiedler-Höhle Candradimuka (nach einer anderen Version ein Vulkankrater namens Candradimuka) gebracht, von Betara Brama, der über den Himmel Kahyangan Daksinageni als sein Reich herrschte. Weil der Name Wisanggeni wörtlich „Feuergift“ bedeutet, paßt das zu der Version mit dem Vulkankrater, in den ihn sein Großvater geworfen hatte. Sein Beschützer Betara Narada gab ihm diesen Namen. Das Feuer des Vulkans, das ihn hätte umbringen sollte, stärkte ihn vielmehr. Was bleibt einem anderes übrig, wenn man nicht einmal weiß, wer der eigene Vater ist, und die Mutter gerade in die Ferne entschwunden ist, als augenblicklich erwachsen zu werden, und so geschah es, genau wie auch bei Gatotkaca in der selben Höhle.

Suche nach den Eltern
Natürlich wollte Wisanggeni wissen, woher er denn käme, und er wandte sich zunächst an Betara Narada, seinen Beschützer. Der druckste nur rum und verwies auf Betara Brama. Wisanggeni fragte nun diesen, und nach wiederum langem Rumdrucksen teilte dieser ihm mit, daß er der Sohn von Arjuna sei. So erfuhr er auch, daß er ganz viele Geschwister und Halbgeschwister hat, nämlich u. a. Abimanyu, Sumitra, Bratalaras, Bambang Irawan, Kumaladewa, Kumalasakti, Wilugangga, Endang Pregiwa, Endang Pregiwati, Prabakusuma, Wijanarka, Antakadewa und Bambang Sumbada etc.
Wisanggeni ging in das Königreich Amarta und bat Arjuna, ihn als seinen Sohn anzuerkennen. Arjuna glaubte ihm nicht und weigerte sich. Im sich daraus ergebenden Duell besiegte Wisanggeni Arjuna und die anderen Pandawas. Erst dann durfte Wisanggeni die Wahrheit erzählen, und nun glaubte man ihm. Arjuna begab sich sogar persönlich in das Königreich von Dewasrani, besiegte diesen in einem heftigen Kampf und holte Dresanala zurück.

Eigenschaften
Bambang Wisanggeni war klug, intelligent und besaß übernatürliche Kräfte. Seien übernatürlichen Kräfte waren der Legende nach größer als die von Antareja, Gatotkaca oder Abimanyu. Er ist bekannt für seinen Mut und seine Standhaftigkeit. Er war ein stattlicher junger Mann mit einem sehr bescheidenen und zurückhaltenden Wesen. Seine Höflichkeit und seine Umgangsformen machten ihn zu einem sehr angenehmen jungen Mann. Er verbrachte die meiste Zeit seines Lebens zusammen mit seinem Großvater Betara Brama, nachdem er sich mit ihm ausgesöhnt hatte. Er verwendet als Sprache kein Hoch-Javanisch, sondern ganz schlichte Sprachebene.

Heirat und Nachkommen
Wisanggeni heiratete Dewi Mustikawati, die Tochter von Prabu Mustikadarma, dem König von Sonyapura. Nachkommen sind keine bekannt.

früher Opfertod
Bambang Wisanggeni starb kurz vor Ausbruch des Baratayuda-Krieges gemeinsam mit seinem Cousin Antasena, dem Sohn Bimas. Es war eine Art Freitod und ein Opfer für den Sieg der Pandawas.Wisanggeni und sein Verwandter Antasena hatten gemeinsam Sang Hyang Wenang aufgesucht, dem Stammahn der Götter, um dessen Segen für den Sieg der Pandawas über die Koravas zu erbitten. Dieser mußte ihnen jedoch mitteilen, daß unter den gegebenen Umständen ein Kriegseintritt der Pandawas zu ihrer Niederlage führen würde. Wisanggeni und Antasena beschlossen auf Geheiß von Sang Hyang Wenang, nicht in die Welt zurückzukehren und sich zu opfern. Wisanggeni war unbesiegbar, und die Götter hatten deswegen Sorge, daß seine Teilnahme im Baratayuda-Konflikt die vorherbestimmten Wege des Schicksals anderer Protagonisten stören könnte. Beide schrumpften daraufhin zu einem Nichts und wurden schließlich im Mokhsa-Zustand vom Himmel von Sang Hyang Wenang absorbiert. Nach einer anderen Version war es Betara Brama, der Wisanggeni bat, sich zu opfern. Er forderte Wisanggeni auf, auf den Punkt zwischen seinen Augen zu schauen. Dieser tat genau so und wurde immer kleiner, bis er verschwand.

Darstellung als Wayang-Figur
Seine Figur ist die eines edlen Kriegers, aber extrem schlicht. Er besitzt edle Gesichtszüge mit schmalen Augen und schmaler Nase. Der Blick geht geradeaus. Sein unbedecktes Haar ist als Sanggul kadal-menek im Bogen nach oben frisiert; er trägt weder Diadem noch Kopfbedeckung. Lediglich hinter dem Ohr gibt den spitz zulaufenden Schmuck, der der Biegung des Haares nach oben folgt. Der Oberkörper ist frei, um die Hüfte trägt er einen Kain katongan, das kurze Hüfttuch mit herabhängenden Bändern und Ornamenten.

Literatur, Links und Quellen:
Thomas Moog, Hardjowirogo: Java - Wayang Kulit, Göttliche Schatten: 1300 Namen, Mackinger-Verlag, 2013, 301 S., ISBN-10: 3950321470, ISBN-13: 978-3950321470, S. 287
Christiane Franke-Benn: Schattenspielfiguren aus Mitteljava, Versuch und Anleitung, die Individualität einzelner Figuren selbst zu bestimmen, Verlag: Harrassowitz, Wiesbaden 1981, ISBN 10: 3447022051, ISBN 13: 9783447022057, S. 140
Raden Wisanggeni:
https://tokohpewayanganjawa.blogspot.com/2014/06/wisanggeni.html 
Wisanggeni (Raden) in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden:
https://skd-online-collection.skd.museum/Details/Index/3908481
Wisanggeni in der Digital Wayang Encyclopedia:
https://villaorlado.github.io/wayangnetworks/html/characterPages/Wisanggeni.html 
Eintrag in der Wikipedia:
https://id.wikipedia.org/wiki/Wisanggeni - https://jv.wikipedia.org/wiki/Wisanggeni 
Wisanggeni im Museum of International Folk Art: https://collection.internationalfolkart.org/objects/24885/wisanggeni


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