Bernhard
Peter
Wayang-Kulit-Figuren
aus Indonesien
Figuren-Datenbank: Parikesit (Raden, Prabu)
Mythologie:
Abstammung
Raden Parikesit, der spätere
Prabu Parikesit, ist der Sohn von Raden Abimanyu (dem
Plangkawati-Krieger Angkawijaya) und Dewi Utari. Damit ist er der
Enkel von Raden Arjuna und Dewi Wara Sumbadra väterlicherseits
und Prabu Matswapati aus dem Königreich Wirata und Dewi Sudesna
mütterlicherseits. Sein Ururgroßvater war Abiyasa, und deshalb
trägt Parikesit auch wie dieser den Namen Kresnadipayana. Er
blieb als Waisenkind nach dem Baratayuda-Krieg übrig, um das
Königreich Astina (Hastinapur) später mal als Thronfolger zu
regieren. Sein Vater war im Baratayuda-Krieg bei Kurukshetra
gestorben, als er noch im Mutterleib war.
Mythologie:
Angriffe auf sein Leben
Wie durch ein Wunder
überlebte er noch im Mutterleib den Angriff von Aswatama mit
dessen tödlicher Waffe Brahmastra. Dazu gibt es die Legende,
daß gegen Ende des Krieges Aswatama gegen Arjuna kämpfte. Beide
waren sich ebenbürtig, und beide konnten mit der Waffe
Brahmastra umgehen. Es bestand die Gefahr ihrer Zerstörung.
Deshalb trennte ein Weiser die beiden Kontrahenten und forderte
sie auf, ihre Waffen zurückzuholen. Dies gelang Arjuna, nicht
aber Aswatama. So sollte dieser seine Waffe woanders hin richten,
und dieser charakterlose Mörder richtete sie gegen den
Ungeborenen in Dewi Utaris Gebärmutter. Um jeden Preis wollte
Aswatama die Pandawas auslöschen. Draupadi und Subhadra beteten
zu Krishna, und dieser rettete den getroffenen Fetus, indem er
ihn nach einer Version schütze, nach einer anderen Version
wiederbelebte. Deshalb trägt Parikesit auch den Namen
Wisnurata (der von Wisnu Beschützte), weil so der
Gott Wisnu in Gestalt Krishnas die Pandawas vor dem Aussterben
rettete.
Als der Krieg zu Ende war, war er noch ein Säugling, doch Aswatama, Krepa und Kartamarma versuchten dennoch, ihn zu töten und als Thronfolger auszuschalten. Dazu brachen sie in den Palast des Königreichs Astina (Hastinapur), wohin die Familie Pandawa von Amarta (Indraprastha) aus gezogen war, ein und brachten dabei viele Menschen um, darunter auch Dewi Banowati. Instinktiv schrie der kleine Parikesit so laut, daß sich dadurch der Pfeil, der im Bogen seines Großvaters Arjuna eingespannt war, durch die Erschütterung löste und Kartamarma und Aswatama gleichzeitig durch den Hals schoß und so tötete. Von Grauen ergriffen, floh der dritte Mordgeselle, Krepa.
Mythologie:
König von Astina
Parikesit wurde schließlich
als Nachfolger von Arjunas älterem Bruder Yudistira, der in
Hastinapur, der Hauptstadt der Kuru, 36 Jahre lang regierte,
König von Astina (Hastinapur). Nun war er Prabu Parikesit, oder
auch Prabu Dipayana oder Prabu Kresnadipayana (s. o.) oder Prabu
Pariksita. Die anderen Pandawa-Prinzessinnen bekommen nach dem
Baratayuda-Krieg aufgrund eines Fluches keine lebenden Nachkommen
mehr, so daß Parikesit die Ausnahme blieb. Er erbte ein von
Konflikten gezeichnetes Königreich. Parikesits Herrschaft wird
als weise, ehrlich und gerecht beschrieben, und unter seiner
Regierung kehrte wieder Frieden und Wohlstand im Königreich
Astina (Hastinapura) ein.
Mythologie:
Frauen und Nachkommen
Parikesit war mehrfach
verheiratet, und es gibt mehrere Versionen und Geschichten dazu,
indische und javanische, die absolut nicht deckungsgleich sind.
Eine Geschichte geht folgendermaßen: Der Dämonenpriester
Sukanda zwang ihn zur Heirat mit Dewi Sukandi, nachdem diese
nachts davon geträumt hatte, mit Parikesit Sex zu haben. Sukanda
wurde bei Parikesit vorstellig, und schlug die Hochzeit vor.
Dieser lehnte dankend ab, in der Annahme, daß er eine Dämonin
heiraten sollte. Daraufhin schlug Sukanda Parikesit nieder,
schleifte ihn zu seiner Tochter - und oh Wunder, diese erstrahlte
in so unglaublicher Schönheit, daß Parikesit sie sofort
begehrte und die Heirat folgte. Andere Versionen und Geschichten
sprechen von fünf Gemahlinnen und acht Söhnen: Mit Dewi
Puyangan zeugte er Ramayana und Pramasata, mit Dewi Gentang den
Sohn Dewi Tamioyi, mit Dewi Satapi zeugte er Yudayana und Dewi
Pramasti, mit Dewi Impun zeugte er den Sohn Dewi Niyedi, und mit
Dewi Dangan schließlich zeugte er die Söhne Ramaprawa und
Basanta. Wieder andere Versionen nennen Dewi Lesmanati als Mutter
von Yudayana, Endang Satapi als Mutter von Ramayana und Sri
Medang als Mutter von Ramaprawa. Weitere Geschichten nennen
wieder andere Frauen und Söhne.
Mythologie:
Parikesits Tod:
Parikesit starb in Erfüllung
eines alten Fluches: Er hatte einst eine tote schwarze Schlange
um den Hals eines Menschen gehängt, und daraufhin verfluchte ihn
ein Weiser, der Brahmane Granggi (Srenggi), der dadurch verletzt
wurde, denn das Opfer des Spaßes, Samiti (Samika), war sein
Vater. Parikesit sollte innerhalb von sieben Tagen an einem
Schlangenbiß sterben, so der Fluch. Parikesit verzichtete auf
seinen Königsstatus und begab sich in der ihm verbliebenen Zeit
auf eine spirituelle Reise und suchte Erleuchtung u. a. beim
Weisen Suka. Diese Schicksalsergebenheit und die daraufhin
unternommene spirituelle Reise illustrieren die Weisheit dieser
hochmoralischen Figur. Der Letzte der Familie Pandawa starb dann
wirklich durch den Biß der Schlange Naga Taksaka im Alter von 60
Jahren nach 24jähriger Regierung. Die Schlange hatte sich als
Raupe in einer Frucht versteckt, um an das Opfer heranzukommen.
Bedeutung
der Figur:
Parikesit gilt als letzte
wichtige Persönlichkeit aus den Geschichten des Wayang Purwa
(bis zum 8. Jh.). Alles, was nach ihm kommt, gehört dem Wayang
Madya an (8. - 13. Jh.). Parikesit markiert also den Wechsel
einer Ära und ist der letzte Vertreter der alten
Zeit, des heroischen Zeitalters der Pandawas. Er
symbolisiert das Erbe der Pandawas, das über ihn fortbesteht.
Und seine Geschichte steht gleichzeitig für die Transition von
einer Ära des Aufruhrs, in der er geboren wurde, zu einer Zeit
der Wiederherstellung von Ordnung, Gerechtigkeit, Recht und
Moral, zu einer Zeit der Heilung der Konflikte, allgemein zu
einer Ära des Dharma (Rechtschaffenheit). Aus javanischer Sicht
gehen alle javanischen Fürsten auf den Stammvater Parikesit
zurück. So steht die Figur des Parikesit für Kontinuität
einerseits und Erneuerung andererseits.
Mythologie:
Nachfolger
Von seinen ganzen Söhnen
wurde gemäß Bhagavata Purana und anderen Purana Janamejaya zum
Thronfolger und Nachfolger als König von Astina. Dieser
heiratete Janamejaya Vapustama, mit der er zwei Söhne hatte,
Satanika und Sankukarna. Davon wurde Satanika der nächste
König. Mit seiner Frau, Prinzessin des Königreichs Vidheha,
hatte er den Sohn Aswamedadata, der nächste legendäre König
über das Königreich Kuru. Aber das ist schon nicht mehr Stoff
des Epos Mahabarata.
Darstellung:
Parikesit wird typischerweise
als schlanke Gestalt mit sehr feinen Zügen, edlem Gesicht und
mit gesenktem Kopf dargestellt. Er trägt einen freien
Oberkörper und Bokongan, das bogig nach hinten ausgestellte
Hüfttuch mit Schleife. Sein Diadem hat zwei gestaffelte Zacken.
Hinter dem Ohr trägt er einen im Bogen geschwungenen Schmuck,
der sich im Nacken nach oben biegt. Im Nacken ist ein sehr groß
proportionierter Garuda-Schmuck angebracht. Er trägt, sofern er
als junger Mensch dargestellt wird, offenes langes Haar, das den
Nacken in einer langen Matte aus Locken herabhängt. Allgemein
ist das ein Zeichen für Jugend. Seine Halskette hat einen
halbmondförmigen Anhänger, wie es für junge Prinzen typisch
ist. Mit zunehmendem Alter variieren die Merkmale. Wird er als
König von Astina (Hastinapur) dargestellt, so hat die
Wayang-Figur die gleichen Merkmale wie als Raden, aber
zusätzlich die hohe Krone auf dem Kopf.
Photo: Bernhard Peter
Photo: Bernhard Peter
Literatur,
Links und Quellen:
Thomas Moog, Hardjowirogo:
Java - Wayang Kulit, Göttliche Schatten: 1300 Namen,
Mackinger-Verlag, 2013, 301 S., ISBN-10: 3950321470, ISBN-13:
978-3950321470, S. 201
Christiane Franke-Benn: Schattenspielfiguren aus Mitteljava,
Versuch und Anleitung, die Individualität einzelner Figuren
selbst zu bestimmen, Verlag: Harrassowitz, Wiesbaden 1981, ISBN
10: 3447022051, ISBN 13: 9783447022057, S. 63
Parikesit: https://tokohpewayanganjawa.blogspot.com/2014/05/parikesit.html
Eintrag auf Wikipedia: https://id.wikipedia.org/wiki/Parikesit - https://en.wikipedia.org/wiki/Parikshit
Parikesit auf Doc.wayang.io: https://doc.wayang.io/chapter-one/wayang-parikesit
Parikesit im British Museum, London: https://www.britishmuseum.org/collection/object/A_As1859-1228-636
Yale University Art Gallery: https://artgallery.yale.edu/collections/objects/236417
Parikesit im Museum of
International Folk Art: https://collection.internationalfolkart.org/objects/24792/parikesit
Übersicht über die Charaktere des Wayang Kulit
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