Bernhard Peter
Wayang-Kulit-Figuren aus Indonesien


Figuren-Datenbank: Pandu (Prabu)

Mythologie: Abstammung
Prabu Pandu, auch unter dem Juniornamen Raden Sudarma und dem Alias Pandudewanata bekannt, ist eine der zentralen Figuren des Epos Mahabarata. Er ist der Sohn von Prabu Abiyasa, König von Astina (Hastinapur), und seiner zweiten Gemahlin, Dewi Ambalika, Tochter von Prabu Darmamuka (Darmahambara) und der Göttin Swargandini aus dem Königreich Kasi. Seine Halbbrüder sind Prabu Destarastra und Raden Yamawidura. Er und sein erstgenannter Bruder sind damit die Väter und Familienoberhäupter der beiden Lager, der Pandawas, die sich von Pandu ableiten, und der Korawas, die sich von Destarastra ableiten. Das Epos Mahabarata handelt im wesentlichen davon, wie die Söhne des einen gegen die Söhne des anderen kämpfen. So ist eine der Schlüsselfiguren des mythologischen und epischen Großwerks. Es gibt mehrere Versionen davon, daß Pandu, im Prinzip gutaussehend, mit einem kleinen Fehler geboren wurde, Version 1: Er sei ein Albino gewesen, was sich davon ableitet, daß im Sanskrit „pandu“ „bleich“ bedeutet. Version 2: Er hätte einen verdrehten Nacken gehabt. Das sei angeblich die Folge davon, daß seine Mutter sich beim Anblick seines Vaters, der mit dem ungepflegten Äußeren eines Asketen erschien, vor Furcht den Kopf abgewandt hätte.

Kronprinz und Regierung
Pandu genoß eine Ausbildung, wie es sich für einen Kronprinzen gehört, er studierte die heiligen Schriften, er lernte Reiten und den Kampf mit Schwert und Streitkolben, er lernte Staatsführung, und er lernte, mit Elefanten umzugehen. Bogenschießen war seine besondere Fähigkeit, und er war der beste Schütze in seiner Familie. Pandu war aktiv an der Vermittlung der Hochzeiten seiner Cousins beteiligt. Nachdem sein Vater die Regierung niederlegte und sich in die Einsiedelei von Retawu zurückzog, um dort als Brahmane zu leben, trat Pandu die Nachfolge als König von Astina an. Er war zwar nicht der älteste Sohn seines Vaters, doch sein älterer Bruder war seit Geburt blind, daher ging der Thron an ihn, nun Prabu Pandudewanata oder Prabu Gandawakstra genannt. Einerseits wurde das Reich Astina unter seiner Herrschaft reich und mächtig, denn er unternahm mehrere Eroberungszüge, um Land zurückzuerobern, das in der Vergangenheit an andere Könige verloren gegangen war. Meherere andere Stämme und Herrscher wurden von ihm besiegt, und das Reich konnte vergrößert werden. Andererseits war Pandu ein eher spirituell interessierter Herrscher, der sich lieber in die Einsamkeit zurückzog, insbesondere nach dem Zwischenfall mit den Hirschen (s. u.) und seinen älteren Bruder Destarastra und dessen Ratgeber Bisma die Staatsgeschäfte lenken ließ.

Verhältnis zu den Göttern
Pandu leistete den Göttern und dem Götterhimmel Suralaya zahlreiche Dienste. So besiegte er für sie den Riesenkönig Prabu Nagapaya, der sich in einen Drachen verwandeln konnte. Die Götter zeigten sich erkenntlich und übernahmen nicht nur spirituelle Vaterschaften für Pandus Söhne, sondern gaben ihm auch den Titel Dewanata. Pandu baute jedoch zweimal Mist, was das Verhältnis zu den Göttern trübte. Einmal baute er am Palast von Astina (Hastinapur) den Garten Kadilengleng, der exakt dem Garten Tejamaya im Götterhimmel Suralaya nachgebildet war. Da er nicht Sang Hyang Manikmaya um Erlaubnis gefragt hatte, war das sozusagen eine glatte Urheberrechtsverletzung und Anmaßung obendrein, und entsprechend verschnupft reagierten die Götter. Und das zweite Mal ließ er sich von seiner Frau Madrim breitschlagen, sich mal eben den Stier Andini auszuleihen, das Reittier von Betara Guru. Und auch dieser reagierte sehr verschnupft, als er feststellte, daß sich mal eben jemand ungefragt seinen "Porsche" geborgt hatte. 

Ehen und Nachwuchs
Pandu war dreimal verheiratet, und aus jeder Ehe gab es Nachwuchs. Aus der Ehe mit Dewi Kunti (Dewi Prita, Tochter von König Basukunti = Kuntiboja und der Göttin Dayita (Dewi Bandondari) aus dem Königreich Mandura), die er in einem Wettbewerb im Land Mandura gewonnen hatte, entsprossen Raden Arjuna, Raden Bima und Puntadewa (der spätere Prabu Yudistira). Aus der Ehe mit Dewi Madrim (eine Tochter von König Mandrapati aus dem Königreich Mandraka), die er als Trophäe bekam, nachdem er Salya, den älteren Bruder der Prinzessin, besiegt hatte, gab es die Zwillinge Pinten = Raden Nakula und Tansen = Raden Sadewa als Nachwuchs. Und schließlich zeugte Pandu mit Dewi Trijata die Tochter Dewi Jembawati, die Prabu Kresna heiratete. Die fünf Söhne bilden gemeinsam die Pandawas. Er gewann noch eine vierte Frau, Prinzessin Gandari aus dem Königreich Plasajenar, nachdem er ihren Bruder, König Gendara, besiegt hatte. Er übergab Dewi Gandari aber seinem älteren Bruder Dhritarastra.

Doch Götter als Väter? Spirituelle Vaterschaften
Wir wären nicht in der Mythologie, wenn es nicht mehrere Versionen gäbe. Eine ganz andere Version beschäftigt sich mit der Frage der Zeugungsunfähigkeit Pandus, die Folge eines Fluches. Jetzt mußten auf Pandus Wunsch hin andere Väter für die Pandawas her - der Gott Yama bzw. Darma für Yudistira, der Gott Bayu für Bima und der Gott Indra für Arjuna, und die Zwillinge Nakula und Sadeva wurden den Ashwin-Zwillingen als göttlichen Vätern zugewiesen. Der völlig unterschiedliche Charakter der fünf Pandawas spiegelt diese spirituellen Vaterschaften wider. Die Legende der Zeugungsunfähigkeit dient also der Schaffung von spirituellen Vaterschaften, die in Einklang mit dem jeweiligen Charakter steht.

ein nächster Fluch und Tod
Pandu hatte einst als passionierter Jäger und hervorragender Bogenschütze Hirsch und Hirschkuh erlegt, die gerade Spaß miteinander hatten. Dabei wußte er nicht, daß es sich in Wahrheit um den Priester Resi Kimindama und seine Frau handelte, die sich in Hirsch und Hirschkuh verwandelt hatten, damit sie ungesehen und ungestört Vergnügen haben wollten. Der Tod ereilte die Beiden auch in anderer Gestalt, und der sterbende Resi verfluchte Pandu für die Tötung der Tiere (natürlich hat es nicht wissen können, wer das in Wahrheit war, aber er hätte wenigstens warten können, bis die Hirsche mit ihrem Liebesspiel fertig waren) - dieser hielt sich zwar zunächst erfolgreich zurück, doch irgendwann überkam ihn ein unstillbares Verlangen, und er starb beim nächsten Geschlechtsakt (genau das war der Inhalt des Fluches) mit seiner jungen Gemahlin Madrim, und diese folgte ihm in den Tod.

Das Schicksal seiner Söhne, der Pandawas
Begawan Abiyasa, der als Brahmane lebende alte Vater von Pandu, verfügte nun, daß sowohl das Königreich Astina als auch seine fünf jungen Söhne in die Obhut seines anderen Sohnes, Prabu Destarastra, gegeben werden sollen, mit der Auflage, daß die Söhne bei Erreichen der Volljährigkeit das Königreich zurückerhalten sollten. Die Pandawas und die Korawas wurden also gemeinsam erzogen, und letztere neidetetn ihnen die Ansprüche auf das Königreich Astina von Anfang an. Schließlich gaben sich die Pandawas mit der Hälfte zufrieden, und selbst die machten ihnen die Korawas streitig, bis es zum großen Krieg kam.

Literatur, Links und Quellen:
Thomas Moog, Hardjowirogo: Java - Wayang Kulit, Göttliche Schatten: 1300 Namen, Mackinger-Verlag, 2013, 301 S., ISBN-10: 3950321470, ISBN-13: 978-3950321470, S. 198-199
Christiane Franke-Benn: Schattenspielfiguren aus Mitteljava, Versuch und Anleitung, die Individualität einzelner Figuren selbst zu bestimmen, Verlag: Harrassowitz, Wiesbaden 1981, ISBN 10: 3447022051, ISBN 13: 9783447022057, S. 59
Pandu (Prabu) in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden:
https://skd-online-collection.skd.museum/Details/Index/3908450
Pandu auf Doc.wayang.io:
https://doc.wayang.io/chapter-one/wayang-pandu 
Pandu in der Digital Wayang Encyclopedia:
https://villaorlado.github.io/wayangnetworks/html/characterPages/Pandu.html 
Pandu:
https://tokohpewayanganjawa.blogspot.com/2014/05/pandu.html
Eintrag in der Wikipedia:
https://id.wikipedia.org/wiki/Pandu - https://de.wikipedia.org/wiki/Pandu_(Mythologie) - https://jv.wikipedia.org/wiki/Pandhu - https://en.wikipedia.org/wiki/Pandu
Peabody Museum:
https://collections.peabody.harvard.edu/objects/details/647817
Pandudewanata, Prabu Pandudewanata, Museum Folkwang Sammlung Online:
https://sammlung-online.museum-folkwang.de:443/eMP/eMuseumPlus?service=ExternalInterface&module=collection&objectId=12660&viewType=detailView


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