Bernhard Peter
Wayang-Kulit-Figuren aus Indonesien


Figuren-Datenbank: Palasara (Raden, Resi, Begawan)

Mythologie: Abstammung und Familie
Raden oder auch Resi Palasara (auch: Parasara) ist der einzige Sohn von Bambang Sakri aus der Einsiedelei Retawu und Dewi Sati, der Tochter von König Partawijaya, König von Tabelasuket. Palasaras Großeltern väterlicherseits sind Raden Sakutrem (= Begawan Manumayasa) und Dewi Nilawati. Palasara bedeutet "mächtige Waffe"; diesen programmatischen Namen hatte sein Großvater Sakutrem ihm gegeben, weil dieser von den Göttern für ihn ausgesucht war. Palasara ist ein Vorfahr der Pandawas und der Korawas, denn sein Sohn war Begawan Abiyasa, und dessen Söhne waren Pandu und Destarastra, ersterer der Vater der Pandawas, letzterer der Vater der Korawas.

Eigenschaften
Paralasara war dem Kontemplativen und der Meditation schon seit seiner Kindheit sehr zugetan. Er wird als sanft, ruhig und voller Mitgefühl und Liebe für alle fühlenden Wesen beschrieben. Er war begeisterungsfähig und studierte die Heilkunde, insbesondere die Kräutermedizin. Palasara war auch mit übernatürlichen Kräften ausgestattet, mit denen er alles erschaffen konnte, was er sich wünschte. Die Götter wollten einst wissen, wie ernst es ihm mit seiner Meditation war, und ihn in Versuchung führen. Dazu verwandelten sich Betara Guru und Betara Narada in ein Sperlingspaar, das auf Palasaras Kopf ein Nest bauten, dort Eier legten und ausbrüteten. Palasara meditierte weiter. Erst nach dem Schlüpfen der Jungvögel unterbrach Palasara seine Meditation, um die Vogeleltern zu suchen, damit die kleinen Schreihälse endlich Futter kriegten. Als er die Spatzeneltern endlich gefunden hatte, verwandelten diese sich zurück in ihre wahre Natur und erzählten Palasara von Lara Amis, was zum nächsten Abschnitt überleitet. Damit war Palasara wieder in die Welt zurückgekehrt.

Ehe und Nachwuchs
Resi Palasara heiratete Dewi Durgandini, die Tochter von Prabu Basukesti, König von Wirata, und Dewi Andrika. Er hatte sie kennengelernt, als sie ihn in einem Boot über den Fluß Bengawan (Bengawan ist ein altjavanisches Wort für „Fluß“, gemeint ist der Ganges) setzte. Sie stank fürchterlich nach Fisch („Lara Amis“), doch die Götter Betara Guru und Betara Narada (siehe vorheriger Abschnitt) hatten Palasara rechtzeitig vorher mit einem Wunderöl ausgestattet, namens Jayengkaton, mit dem er sie nun einrieb und so von ihrem Leiden heilte. Denn eigentlich war seine Frau eine Götterfee. Da Parasara sie erfolgreich geheilt hatte, durfte er sie nun zur Frau nehmen. Und noch auf dem Wasser liebten sie sich. Da kam ein Sturm auf, und das Boot zerbrach noch auf dem Fluß. Daraus ergaben sich zwei verschiedene Sorten von Nachkommen: Aus der „ins Wasser geworfenen Krankheit" von Lara Amis entstanden 6 Nachkommen: Dewi Rekatawati, Harya Settama, Harya Gandawana, Rajamala, Kencakarupa und Rupacenca. Für Palasara waren das quasi Adoptivkinder (andere Versionen ordnen diese Kinder statt dessen verschiedenen Frauen zu). Und dann gab es noch den leiblichen Sohn Abiyasa, später auf dem Festland geboren, und außerdem noch den Sohn namens Seta. Abiyasa wurde hoffnungsvoller Stammhalter und Stammvater der Pandawas und Korawas. Mit Seta hingegen gab es Probleme: Seta wollte nicht, daß seine Schwester Dewi Rekatawati (Dewi Ni Yustinawati) Prabu Matswapati aus dem Königreich Wirata heiratet. Abiyasa versucht, seine Meinung zu ändern, doch da entflammte der Zorn in Seta, und es kam zum Kampf, in dem Abiyasa seinen Bruder Seta tötete. Daraufhin stand der Hochzeit zwischen Matswapati und Rekatawati nichts im Wege, und sie fand unbehelligt statt. Erfolgreich, denn bald stellte sich Nachwuchs ein, der wiederum ist die Wiedergeburt von Seta.

Königtum, Rückzug und Ende
Für die junge Familie wurde mit göttlicher Fügung in einem einstigen Wald ein Königreich eingerichtet. Seine Soldaten und Untertanen wurden aus allen im Wald lebenden Lebewesen erschaffen. Seine Namen als König lauten Prabu Dipaneswara oder Prabu Dwipakeswara. Palasara ist aber eher der Kontemplation zugewandt und würde viel lieber als weiser Eremit leben, auch wenn er ein guter König ist. Schließlich überwog sein Drang nach dem religiösen Leben, und er gab Reich und Frau großzügig weiter und zog sich selbst zurück, nun Begawan Palasara. Durgandini heiratete daher nun in zweiter Ehe Prabu Sentanu, den König von Astina, dem sie zunächst als Amme für dessen verwaisten Sohn Dewabrata (Bisma) zur Verfügung stand. Mit Sentanu hat sie zwei weitere Söhne: Citragada und Citrawijaya. Von diesen ging später das Königreich Astina auf Palasaras Sohn Abiyasa über. Palasara brachte Abiyasa zurück in die Einsiedelei Retawu. Er selber starb hochbetagt in der Einsiedelei Srungga im Saptaarga-Gebirge.

Darstellung als Wayang-Figur
Palasara ist vom edlen Typ mit feinen Gesichtszügen und schmalen Augen sowie schmaler Nase. Der Blick des schwarzen Gesichts ist gesenkt. Sein offenes Haar fällt in großen Wellen auf die Schultern herab. Entsprechend seinem eher meditativen Wesen wird er ohne Schmuck an Armen und Beinen dargestellt. Er trägt fürstliche Kleidung mit Kain Bokongan. Am Hinterkopf ist ein Garuda munkur zu sehen; er trägt aber kein Diadem im Haar, wohl aber Schmuck hinter dem Ohr, der der Haarpracht folgt, nach hinten aufwärts gebogen ist und spitz zuläuft. Er trägt aufgrund seiner Nähe zum Göttlichen den Selendang, den einmal gefalteten Schal über der Schulter.

Literatur, Links und Quellen:
Thomas Moog, Hardjowirogo: Java - Wayang Kulit, Göttliche Schatten: 1300 Namen, Mackinger-Verlag, 2013, 301 S., ISBN-10: 3950321470, ISBN-13: 978-3950321470, S. 196
Christiane Franke-Benn: Schattenspielfiguren aus Mitteljava, Versuch und Anleitung, die Individualität einzelner Figuren selbst zu bestimmen, Verlag: Harrassowitz, Wiesbaden 1981, ISBN 10: 3447022051, ISBN 13: 9783447022057, S. 62
Palasara = Parasara (Raden) in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden:
https://skd-online-collection.skd.museum/Details/Index/3908455
Parasara in der Digital Wayang Encyclopedia:
https://villaorlado.github.io/wayangnetworks/html/characterPages/Parasara.html 
Palasara:
https://tokohpewayanganjawa.blogspot.com/2014/05/palasara.html
Eintrag in der Wikipedia:
https://id.wikipedia.org/wiki/Parasara - https://jv.wikipedia.org/wiki/Parasara - https://en.wikipedia.org/wiki/Parashara - https://de.wikipedia.org/wiki/Parashara 
Palasara im Museum of International Folk Art: https://collection.internationalfolkart.org/objects/24798/palasara


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