Bernhard
Peter
Wayang-Kulit-Figuren
identifizieren, Indonesien 2002
Figuren des Wayang Kulit aus Bali u. Java
identifizieren
Allgemeine Merkmale
1. Figurenaufbau:
- keine beweglichen Teile:
Kekayonan, Gunungan, Api, Pohon kepuh, Pamurtian, Cintia,
Shiva, manche einfachen Dämonen und Riesen, einfaches
Kämpfervolk, d. h. Krieger, die nicht zu den oberen
Kasten gehören
- nur 1 beweglicher Arm: Götter
außer Shiva, Dämonen, Riesen und Unholde wie Rawana =
Dasamuka, Durga, Rarung, priesterliche Ratgeber, Seher,
Weise, begawan Nerada, Drona
- zwei vollbewegliche Arme:
Pandawas und Kaurawas, meistgewählte Konstruktion,
Penasar
- beweglicher Unterkiefer:
Lustige und groteske Typen wie die Penasar (Twalen,
Merdah), sowie Cupak
- bewegliches Bein: Lustige und
groteske Typen wie Cupak
2. Darstellungsweise:
- En face: Hohe Repräsentationen
des Göttlichen, Cintia
- Vollprofil: Penasar (Twalen,
Merdah)
- Gemisch: Unterkörper im
Profil, Oberkörper und Schultern en face, Kopf
Vollprofil: Götter, Pandawas, Kaurawas, Riesen,
Dämonen; überwiegende Darstellungsweise, sozusagen
Normalfall.
- Gemisch: Unterkörper im
Profil, Oberkörper und schultern en face, Kopf Halbprofil:
Affen, Riesen, Dämonen
- Gemisch: Körper komplett
frontal, Füße gespreizt, Kopf im Profil: Betara Shiva
3. Geschlecht:
- S-förmig gebogener Körper,
Oberkörper weit zurückschwingend: Frauen wie
Sita, Durga
- Brust oder Brüste angedeutet:
Frauen niederen Standes, Hexen, Dämoninnen: Durga,
Rarung, ausnahmsweise auch mal bei Kunti
- Gerader Körper, Oberkörper
evtl. nach vorne geneigt: Männer
4. Augen:
- runde Kugelaugen:
grobschlächtige Typen, kämpferische Haudrauf-Typen:
Hanuman, Bima (Pandawa!), Gatotkaca (Pandawa!), Rawana,
Cupak, nie bei Frauen.
- feine Mandelaugen: feine,
zivilisierte Typen von gesitteter Lebensweise: Arjuna,
Sadewa, Nakula, Yudistira, alle Frauen (auch die
Kaurawa-Frauen!)
- Oberlid gerade, Unterlid
halbkreisförmig: Twalen, Spaßmacher
- S-förmige Augen: listige
Typen, hinterlistige Intriganten, Ränkeschmied Drona
- beide Augen sichtbar,
schräggestellt, weit aufgerissen, rund: Ganesha =
Ganapati, königliche Affen Sugriwa und Subali,
tierköpfige Dämonen, Durga, Rangda
5. Gesicht:
- Elefantenrüssel: Ganesha
- Vogelschnabel: Garuda
- Affenschnauze (platte Nase,
wulstige Oberlippe, Affenzähne, Eckzähne): Hanuman,
Sugriwa, Subali, Kapiwara (Hanuman als Einsiedler)
- eckige Schnauze: Lustige Typen
in Nordbali
- große Eckzähne, Hauerzähne:
grober und übler Charakter, Dämonen und Riesen, Durga,
Raksasa, Raksasi
- lange, runde Knollennase:
Kraftvoll ungehobelte Typen wie Bima oder Bayu
- dicke, kurze Knollennase:
Skurrile Typen wie Penasar und Cupak
- feine schmale und spitze Nase,
griechische Nase: Alle feinsinnigen und edlen Typen
mit gesitteten Umgangsformen
6. Kleidung:
- Bongkonan (auch Bokongan) =
bauschig um die Hüfte geschlungenes Tuch, nach hinten
deutlich ausgestellt wie ein Beutel, mit Schal um die
Hüfte fixiert, dessen Schleife hinter der Figur zu sehen
ist: Könige und Prinzen, regierende Fürsten
- nur Lendenschurz (lose
geschlungener Schal), dessen Ende zwischen beiden Beinen
herabhängt: Bima
- Oberkörper entblößt:
Yudistira
- Kamben poleng, aufgemaltes
schwarz-weiß geschachtes Tuch: Bima, Bayu, Hanuman,
Twalen
- Priesterkleidung: Lange
gemusterte Jacke (jubah), über die Schultern geworfenes
Tuch (slendang), das auf dem Rücken in Falten
herabhängt: Drona, Kapiwara (Hanuman als Einsiedler),
begawan Nerada
- reiche Kleidung: Gottheiten
7. Hände und Finger:
- Kuku, dolchförmiger Nagel an
den Händen, keine Finger ausdifferenziert: Bayu und
seine beiden Söhne Bima und Hanuman
- normale Finger: alle anderen
8. Haartracht und Kopfbedeckung:
- Haartracht Gelung supit udang
(spitz zusammenlaufend und im weiten Bogen nach oben
geführt, sog. ornamentaler Garnelenschwanz): Götter,
Könige und Prinzen, alle Pandawas (Arjuna, Bima, Sadewa,
Nakula), nicht aber Yudistira
- Haartracht spiralig eingerollt, einfacher
(indischer) Knoten: Yudistira
- Gelung gembel: Knoten mit
Wellen, Jayadrata
- Bart: Ränkeschmied Drona
- Schopfartige Haarlocke, aus Art
Mütze herausragend: Twalen und Merdah auf Bali
- Haarlocke, die in die Stirn
fällt: Spaßmacher Twalen
- Schopfartiges fransiges
Haarbüschel (Echthaar) auf dem Kopf: Delem
- Ketu: Priesterkrone, Turban mit
Diadem: Gottheiten außer Shiva, Priester der Brahmanen-
und Ksattriya-Kaste, Seher, Weise
- Prabha: wörtl.
"Glanz", wirkt wie Flügel um die Schultern,
wird wie eine Art Aureole auf dem Rücken getragen,
Herrschersymbol: Sugriwa, Subali, Gatotkaca, Jayadrata
- Garuda mungkur: nach
hinten schauender Garuda, in eine Haartracht eingebaut,
meist vergoldet: Drestajumna, Siti Sundari, Jayadrata,
Sugriwa, Subali, Gatotkaca
9. Armschmuck:
- kein oder ganz schlichter Armschmuck:
Yudistira, Arjuna. In Bali kann Arjuna auch die Spangen
mit den ausladenden Bögen, wie sie Bima hat, an den
Unterarmen tragen.
- Armschmuck mit doppelten Ringen an
Ober- und Unterarmen: Götter
- Armschmuck mit ausladenden Bögen an
Ober- und Unterarmen: Bima, Bayu, Hanuman
10. Schwanz:
- starrer Schwanz wird im Rücken der
Figur nach oben geführt und folgt der Rundung der
Haartracht oder ringelt sich oberhalb des Haarknotens:
Affen
Merkmale einzelner Figuren des Wayang kulit
1. Basisfiguren
- Kekayonan oder Kayonan:
Weltenbaum, Weltenberg Lebensbaum, vielfältig
einsetzbare Kulisse, lanzettförmige, baumähnliche
Figur, axialsymmetrisch, keine beweglichen Teile, auf
Bali, meist rein floral
- Gunungan oder Kayon:
Gleiche Funktion, auf Java, eckigeres Unterteil, mit
asymmetrischem figürlichen Schmuck
- Api: Feuer, Gegenspieler des
Kayonan, zerstörerisch, grimmiges frontales Gesicht im
tropfenförmigen Flammenkranz, symmetrisch
- Pohon kepuh, Unterweltsbaum,
Gegenspieler des Kayonan, Hexenbaum, total asymmetrisch,
wilder Kapokbaum mit Hexe im Geäst, Totenköpfe zu
Füßen, Hunde
2. Götter
- Pamurtian: Siwamurti, Brahmamurti,
Vishnumurti, Kalamurti: Große vielköpfige
Figur mit Gesichtern von Brahma, Shiva und Vishnu in
kraftvoller göttlicher und schrecklicher Gestalt, viele
Arme, keine beweglichen Teile, werden zu beiden Seiten
der Leinwand aufgepflanzt und begrenzen die Spielfläche.
- Cintia = Sang Hyang Tunggal:
Allerheiligste Einigkeit, das höchste, alle anderen
Götter umfassende göttliche Wesen, kindliche
unbekleidete Figur, en face dargestellt, Art Tanzpose
keine beweglichen Teile
- Shiva, Betara Guru: rein
frontal, gespreizte Füße, menschenähnlich, 4 Arme,
keine beweglichen Teile
- Götter allg.: Ketu =
Priesterkrone, Art Turban mit Diadem, meist nur 1
beweglicher Arm
- Prabu Krishna: 2 bewegl. Arme,
großes Diadem über der Stirn, feines Mandelauge, Kopf
und Füße im Profil, Schultern nach vorn gedreht,
Oberkörper im Halbprofil, Bongkonan, Prabha, Garuda
mungkur, Krone
- Vishnu: 2 bewegl. Arme, feines
Mandelauge, großes Diadem über der Stirn, Kopf und
Füße im Profil, Schultern nach vorn gedreht,
Oberkörper im Halbprofil, Bongkonan, Prabha, Garuda
mungkur, Krone
- Bayu (Windgott): dolchförmiger
Nagel Kuku an den Händen, längliche Knollennase,
aufgemaltes schwarz-weiß geschachtes Tuch, auffällige
mit Bögen versehene Armspangen wie Bima und Hanuman
(seine Söhne), 2 bewegliche Arme, kein Bongkonan
- Indra: 2 bewegl. Arme,
einfacherer Nackenkranz, feines Mandelauge, Kopf und
Füße im Profil, Schultern nach vorn gedreht,
Oberkörper im Halbprofil, Bongkonan
- Ganesha: Elefantenrüssel,
Krone, 2 Augen sichtbar, schräggestellt, weit
aufgerissen, Prabha, Garuda mungkur
- Dewi Saraswati: 4 Arme, hält
in zwei Händen die Gitarre Vina, in der dritten die
Gebetskette und in der vierten ein schmales
Lontar-Manuskript, reitet auf der Gans Brahmas, keine
beweglichen Teile
- Götter in schrecklicher Gestalt:
Sie ähneln sehr stark Dämonen, die Grenzen auch in der
gestalterischen Darstellung zwischen Kala, Durga und Yama
einerseits und Riesen und Dämonen sind fließend.
- Durga: 2 Kugelaugen, kurze
Stummelnase, schreckliches Gebiß mit riesigen
Eckzähnen, Garuda mungkur, Diadem über der Stirn
- Yama: Toten- und Höllengott,
gleicht aufs Haar dem Riesen Rawana, bis auf ein Detail
seiner Kopfbedeckung!
3. Penasar auf Bali und Panakawan auf Java
Allg.: Lustige Dienergestalten mit göttlicher
Macht, alles im Vollprofil dargestellt, alle Typen in Bali haben
einen beweglichen Unterkiefer, in Java degegen nicht, sehr
gedrungen und plump in Bali, grotesk in Java, fehlende Schultern,
Arme oft an einem gemeinsamen Drehpunkt befestigt (Vollprofil)
- Twalen (in Bali): dick und
skurril, schmales Hängeauge, schopfartige Haarlocke auf
dem Kopf mit einem verzierten Band hochgebunden,
Haarlocke in die Stirn, aufgemaltes schwarz-weiß
geschachtes Tuch, extrem langer Abstand zwischen der
kurzen Nase und der Oberlippe, was ihm ein kantiges
schnauzenartiges Profil verleiht.
- Merdah (in Bali): dick und
skurril, schmales Hängeauge, schopfartige Haarlocke auf
dem Kopf, mit verziertem Band hochgebunden,
charakteristisch eine dicke, kugel- bis knollenförmige
Nase fast direkt über der Oberlippe
- Delem (in Bali): dick und
skurril, rundfes Kugelauge, fransiger Haarschopf
senkrecht auf dem Kopf
- Sangut (in Bali): dick und
skurril, rundfes Kugelauge, kein Haarschopf, dafür
hängt eine Locke in die Stirn
- Semar (in Java): grotesk,
aufgeblasen dick und skurril, ungeheurer Bauch und
riesiges Gesäß, kurze und dicke Beine, Triefauge,
Rotznase, kleiner weißer Haarschopf springt nach vorn,
ansonsten kahl
- Nala Gareng (Java): notorischer
Lügner, Sohn des Semar, dicke Knollennase, rundes Auge,
Pupille schaut leicht rückwärts nach oben, vorderer
Teil des Kopfes kahl, hinten Schopf., fliehendes,
fleischiges Kinn, runder Bauch, starkes Gesäß, kurze
dicke Beine, dünne verkrüppelte Ärmchen
- Togog (Java): opportunistischer
Diener und habgieriger Nichtsnutz, Körper wie Semar,
Mund groß, zahnlos und schnabelförmig, weit
aufgerissenes Auge, extrem kleine Nase.
- Petruk (Java)
4. Pandawas
Allg.: Kopf und Füße im Profil, Schultern nach
vorn gedreht, Oberkörper im Halbprofil, zwei bewegliche Arme,
viele edle Typen mit feinen Mandelaugen
- Arjuna: feines Mandelauge,
Haartracht Gelung supit udang, halbrunder Bongkonan,
normale Finger
- Bima: runde Kugelauge,
dolchförmiger Nagel Kuku an den Händen, Haartracht
Gelung supit udang, nur mit Lendenschurz (lose
geschlungener Schal) bekleidet, der mehr betont als
verhüllt, dessen Ende zwischen beiden Beinen
herabhängt, lange runde Knollennase, aufgemaltes
schwarz-weiß geschachtes Tuch, auffällige Armspangen
wie Hanuman und Bayu, Schlangenhalsschmuck
- Yudistira = Ngamarta:
oblonger Bongkonan, Haar spiralig eingerollt (einfacher
oder indischer Knoten), kleines Diadem (jamang),
Oberkörper entblößt, kein oder ganz schlichter
Armschmuck, feines Mandelauge, normale Finger
- Sadewa: Bongkonan, Haartracht
Gelung supit udang, feines Mandelauge, normale Finger
- Nakula: Bongkonan, Haartracht
Gelung supit udang, feines Mandelauge, normale Finger
- Gatotkaca (Sohn Bimas): rundes
Kugelauge, normale Finger, Gelung supit urang-Haartracht,
dreifaches Diadem, garuda mungkur, prabha,
Verwechslungsgefahr mit Jayadrata, Unterschied nur in der
Haartracht
- Drestajumna: Edelsteindiadem
auf der Stirn, Garuda-Kopf hinten in den gelung supit
udang gesteckt
5. Kaurawas
Allg.: Kopf und Füße im Profil, Schultern nach
vorn gedreht, Oberkörper im Halbprofil, zwei bewegliche Arme,
viele gewalttätige Typen mit runden Kugelaugen. Alle Kaurawas
lieben Prunk.
- Dursasana: rundes Kugelauge
- Duryodana: rundes Kugelauge,
Bongkonan
- Durmagati: rundes, weit
aufgerissenes Kugelauge, breite Nase (wie ein Steven
einer Prau), einfaches, aber protziges Diadem.
- Jayadrata: rundes Kugelauge,
normale Finger, Gelung gembel-Haartracht, dreifaches
Diadem, garuda mungkur, prabha, er ist ein Fürst,
Verwechslungsgefahr mit Gatotkaca, Unterschied nur in der
Haartracht
6. Priesterliche Ratgeber, Weise und Seher
Allg.: Kopf und Füße im Profil, Schultern nach
vorn gedreht, Oberkörper im Halbprofil, Ketu = Priesterkrone,
Art Turban mit Diadem, meist nur 1 beweglicher Arm, Kleidung für
Priester ist oft eine lange gemusterte Jacke, dazu ein über die
Schultern geworfenes Tuch (slendang), das auf dem Rücken in
Falten herabhängt
- Drona, der Ränkeschmied:
S-förmig geschwungene Augen, Bart
- begawan Nerada, Priester:
7. Dämonen, Riesen, Unholde
Allg.: große, weitaufgerissene Augen,
fürchterliches Gebiß mit gewaltigen Eckzähnen, Kopf im Profil
oder Halbprofil, oft nur 1 dicker beweglicher Arm, einfache
Figuren sind auch ohne bewegliche Teile.
- Rawana = Dasamuka:
Riesendämon, Krone, 1 bewegl. Arm, Kugelaugen, Achtung:
Verwechslungsgefahr mit Yama! Unterschied nur in der
Kopfbedeckung.
- Raksasa = dämonische Riesen,
extrem große Kugelaugen
- Raksasi = Dämoninnen
- Bhutas und Kalas =
zerstörerische Geister, extrem große Kugelaugen, keine
beweglichen Teile oder nur ein beweglicher Arm, der eine
Waffe tragen kann
- Yaksa Rewang: Dämon, hüpfende
Gestalt, hat ein abgehauenes Menschenbein in seiner
Linken und schwingt in seiner Rechten einen Säbel
8. halbgöttliche Affen
Allg.: 2 Augen sichtbar, schräggestellt, weit
aufgerissen, Affenschnauze mit Oberlippenwülsten, Hauerzähne,
runde Kugelaugen, Kopf im Halbprofil, starrer Schwanz wird im
Rücken der Figur nach oben geführt
- Hanuman: Kuku = dolchförmiger
Nagel an den Händen, keine Finger ausdifferenziert,
Haartracht Gelung supit udang, Haarschopf über der Stirn
oder Diadem, Schwanz folgt der Rundung der Haartracht,
aufgemaltes schwarz-weiß geschachtes Tuch, auffällige
Armspangen wie Bima und Bayu
- Kapiwara (Hanuman als
Einsiedler): Gemusterter Mantel (jubah), über die
Schultern geworfenes Tuch (slendang), das auf dem Rücken
in Falten herabhängt, ansonsten Züge wie oben, nur ein
Arm beweglich, trishula = Stab mit Dreizack
- Sugriwa (königlicher Affe):
normale Finger, Schwanz ringelt sich oben über dem
Schmuck über Schultern und Hinterkopf,
edelsteinbesetztes Diadem in der Stirn, Prabha, Garuda
mungkur
- Subali (königlicher Affe):
genau wie Zwillingsbruder Sugriwa
9. Sonstige
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Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2002-2005
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