Bernhard Peter
Spannungsfeld der Bipolarität, Bali 2002
Leben im Spannungsfeld der Bipolarität

Genauso wie die Dreiheit des Trimurti beherrscht die Zweiheit das Leben der Balinesen. Wo begegnet uns die Zweiheit überall?

Gute und böse Kräfte im ewigen Wettstreit: Nie kommt es zu einem endgültigen Sieg - der Balinese ist stets um den Ausgleich beider Kräfte bemüht.

Beim klassischen Kampf des Barong gegen die böse Rangda wird jene zwar verjagt, aber nicht endgültig besiegt.

Beim mythologischen Kampf Pandawas gegen Kaurawas verschwinden die Kaurawas nur auf Zeit in der Unterwelt, nicht für immer

Opfer werden immer sowohl für die guten als auch für die bösen Kräften angefertigt.

Alles findet seine Position zwischen den Polen kaya und kelod und ist im Großen wie im Kleinen Ausdruck der Balance

Ein Dorf ist entlang der Achse Berg (kaya) - Meer (kelod) ausgerichtet

Ein Haus ist immer auf die Achse Berg (kaya) - Meer (kelod) ausgerichtet, ergänzt durch die zwei Seiten.

Ein Dorf hat immer in Kelod-Richtung den Shiva gewidmeten Totentempel Pura dalem und in Kaya-Richtung den Brahma gewidmeten Ursprungstempel Pura Puseh.

Ein Tempel hat sein säkulares kelod-Ende und wird in Richtung auf kaya immer heiliger (dritter Hof)

Die Götter sind in kaya-Richtung, denn sie wohnen auf den Vulkanen, die Dämonen aber wohnen im Meer (kelod)

Friedhöfe, Tierhaltung, Abfallgruben oder unreine Dinge werden immer in Kelod-Richtung angeordnet, reine Dinge in Kaya-Richtung

Selbst der Mensch hat ein reines Ende, den Kopf, und ein unreines Ende, seine Füße

Jedes gute, konstituierende Element hat seinen Gegenspieler in Form eines zerstörerischen Elementes

Im Wayang kulit gibt es neben den Weltenbäumen Kayonan oder Gunungan die Gegenspieler Api (Feuer) und Pohon kepuh, den Unterwelts- oder Hexenbaum.

Den guten Kräften im balinesischen Pantheon stehen die Bhutas und Kalas entgegen, die Dämonen und Riesen.

Candi bentar, gespaltene Tore: Der Tempeleingang ist symbolisch ein Weltenberg, der aufgeteilt ist in seine gute und böse Hälfte, zwischen denen man durchgeht. Nur gemeinsam bilden beide Eigenschaften das Tor, durch das man zum ausgeglichenen Mittelweg und damit zum Heil gelangt. Gemeinsam haben aber die beiden Hälften die Kraft, jeden Dämon, der hindurchschlüpfen möchte, zu zermalmen.

Schwarz-weiß-Symbolik: Typisch ist das Kamben poleng, ein schwarz-weiß geschachtes Tuch. Das Stoffmuster steht für die Einheit der Gegensätze von Gut und Böse, von Heil und Unheil, von Göttern und Dämonen, von guten und negativen Kräften, von Licht und Schatten. Deshalb gilt dieses Tuch als heilig und ist mit einer ganz besonderen magischen Kraft geladen. Im Wayang Kulit ist es auf bestimmte Figuren aufgemalt wie Bima, Bayu, Hanuman, Twalen

Die Pecalangs (Tempelwächter) tragen Sarong und Udeng aus diesem Tuch. Steinerne Wächterfiguren vor den Tempeltoren, aber auch göttliche Steine oder besonders heilige Bäume werden damit bekleidet.

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© Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2002-2005
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