Bernhard Peter
Gedanken über Trimurti, Bali 2002
Trimurti - Leben auf Bali im Spannungsfeld aus Schöpfung, Bewahrung und Zerstörung

Trimurti - das ist die balinesische Dreieinigkeit, die den schöpferischen, den erhaltenden und den zerstörerischen Aspekt Gottes beschreibt. Ich schreibe mit Absicht nicht Schöpfergott, Bewahrergott und Zerstörergott, denn anders als der Hinduismus indischer Prägung kennt der balinesische Hinduismus, Hindu Dharma, einen einzigen Gott, von dem Shiva der zerstörerische Aspekt, Brahma der schöpferische Aspekt und Vishnu der erhaltende Aspekt sind. Ein Dorf hat immer in Kelod-Richtung den Shiva gewidmeten Totentempel Pura dalem und in Kaya-Richtung den Brahma gewidmeten Ursprungstempel Pura Puseh, und in der Dorfmitte den Vishnu gewidmeten Dorftempel Pura Desa. Alle drei Aspekte sind Manifestationen des Einen Gottes. Vielleicht ist dies die Ursache für das für selbstverständlich erachtete Nebeneinander von Schöpfung und Zerstörung. Bali ist voller Zerstörung und voller Schöpferwillen zugleich, voller Geburt, Leben und Tod. Die Insel ist immer Schauplatz großer Naturkatastrophen wie Vulkanausbrüche, die ganze Dörfer in Schutt und Asche legen. Und gerade das ist die Basis für einen lebendigen Schöpferaspekt, ständig müssen Tempel neu gestaltet werden, muß erneuert werden, was den Vulkanen oder einfach der schnellen Verwitterung im tropischen Klima anheimfällt. Ganze Dörfer sind nur damit beschäftigt, den Bedarf der Insel an Steinskulpturen zu befriedigen. Aber auch fast jeder ist in der Lage, traditionelles Kunsthandwerk herzustellen, Tempel in traditionellem Stil zu restaurieren. Die Zerstörung hält die Schöpferfähigkeit am Leben. Jedem Balinesen liegen die traditionellen Ornamente im Blut, die gewohnten Formen finden wie von selbst zueinander unter seinen Händen. Minimale Vorzeichnungen genügen, alles andere folgt gewohnten, lebendigen, weil nie unterbrochenen Abläufen. Wir in unseren europäischen Ländern sind sehr stark auf eine zielgerichtete Schaffenskraft fixiert. Wir wollen eine schöpferische Tätigkeit in dem Sinne, daß wir das Ergebnis bis in alle Zeiten bewahren können. Der Shiva-Aspekt, die Zerstörung, die Vergänglichkeit, ist uns ein Dorn im Auge und paßt nicht so in unser Wertesystem. Ganz anders in Bali: Der geschaffene Wert ist nicht das Beständige, das Bleibende. Kaum fertiggestellt, ist er schon wieder Objekt der Vergänglichkeit. Was zählt, ist vielmehr die Aufrechterhaltung des Zyklus aus Schöpfung, Erhaltung und Zerstörung. Jede Schöpfung birgt in sich Zerstörung. Jede Zerstörung ist Voraussetzung für erneute Schöpfung. Die Welt im steten Fluß, das allein ist beständig. Unsere Aufgabe ist es, diesen stetigen Prozeß, den Fluß der Welt, diese Zyklen mitzutragen. Weltlauf ist immer Werden und Vergehen, Brahma-Aspekt und Shiva-Aspekt, arrangieren wir uns also in der Spanne dazwischen, in der das Bewahren Vishnus Aufgabe ist! Das Wesen von Trimurti ist es, sich stets aller drei Aspekte des Lebens bewußt zu sein und eine Position des Ausgleichs zu suchen. Das heißt die breite Akzeptanz der Veränderung im Detail, weil es dem Bestand des Systems insgesamt dient. Nichtsdestotrotz gibt es auch im Hinduismus verschiedene Verehrungsrichtungen, die jeweils den eines Aspekt im Kult übergewichten, den Brahmaismus, den Shivaismus etc.

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