Bernhard Peter
Opfergaben überall, Bali 2002
Opfergaben überall in Bali

Es gibt unzählige Arten von Opfergaben. Angefangen von ein paar Tropfen Tee oder Alkohol, die vor dem Trinken vergossen werden, über die alltäglichen Canangs und Segehans, die turmhohen Obstkonstruktionen Banten tegeh zu besonderen Anlässen wie Tempelfesten bis hin zu Tieropfern. Die Möglichkeiten zu Opfern sind unübersehbar, die individuelle Phantasie läßt keine Grenzen. Da der Mensch Balis den Ausgleich sucht, seinen Mittelweg zwischen guten und bösen Kräften zu steuern bestrebt ist, werden beiden Seiten Opfer gebracht, den Göttern wie den Bhutas und Kalas. Allen Opfern ist gemeinsam: Wenn es sich um ein Opfer für die höheren Aspekte Gottes (betara-betari) handelt, muß es so schön wie möglich sein, frisch und in jedem Falle die Sinne erfreuen, und vor allem in Liebe dargeboten werden. Solche Opfer werden immer hoch positioniert, auf kleine Plattformen, auf Simse, Figuren etc. Opfer für die negativen Kräfte dagegen können mit etwas weniger Sorgfalt hergestellt werden, für die genügen auch leicht angegammelte Speisereste vom Vortag, denn Dämonen fressen alles, was ihnen vorgesetzt wird. Deren Opfer kann man auch getrost auf den Erdboden legen.

Canangs

Canangs sind alltägliche Opfergaben, wie sie täglich in großen Mengen hergestellt, auf Märkten verkauft und den Kräften dieser Welt dargeboten werden. Canangs gehören zum Typ des "banten jajahitan" und bestehen aus einer quadratischen Schale von ca. 10 cm Seitenlänge mit ca. 1 bis 2 cm hohem Rand. Das Material ist meist busung, jene jungen, eigentlich unfertigen Kokospalmenblätter, die noch zusammenhaften und noch nicht in die Wedel aufgespalten sind. Frisch sind sie von bleichem hellgelbgrün, nach ein paar Tagen werden sie braun. Aber man sieht auch saftig grüne Canangs aus fertigen Palmblättern. Da drin befinden sich porosan, ein paar bunte Blätter, Blüten verschiedener Farben, beispielsweise ein Hibiskus (rot), Frangipaniblüten (weiß) und gehäckselte Pandanusblätter (grün) - und fertig wäre eine der möglichen Hindu-Farbtriaden.

Wo werden Canangs aufgestellt? Wer Bali kennt, fragt wohl besser, wo sie nicht aufgestellt werden, denn eigentlich kann man die guten und bösen Kräfte überall gnädig stimmen. Doch es gibt ein paar neuralgische Punkte, wo man maximale Wirkung erzielen kann.

Wie stellt man ein Canang richtig auf? Ein solches Opfer wird nicht einfach hingestellt und fertig. Man bedenke: Es enthält viel Schönheit und symbolische Objekte und Farben, die die Adressaten, die Götter oder die Dämonen auch erreichen sollen, damit sie den "Sari" nehmen, sich daran laben und gnädig gesinnt werden. Der "Sari" muß also auf die Reise geschickt werden, am besten geschieht das mit Rauch. Räucherstäbchen (dupa) werden auf das Opfer gelegt, und der Rauch trägt den Sari davon. Ich sehe noch Tjok Sri Agung Astiti in Ubud vor mir auf ihrer morgendlichen Runde durch das Anwesen, ein großes rundes Tablett auf ihrer rechten Handfläche in Kopfhöhe haltend, viele Canangs und ein ganzes Bündel angezündeter Räucherstäbchen darauf. Hier und dort legte sie die Canangs ab, darauf ein Räucherstäbchen, und dann nahm sie eine Blüte vom Canang zwischen die Finger der rechten Hand und wedelte damit elegant dreimal nach vorne über das Opfer, so wurde immer der Sari auf den Weg gebracht. Selbst bei ganz einfachen Opfern sah man sie dreimal mit der rechten Hand leicht über das Opfer wedeln, gute Reise und grüß mir schön die Götter! Auf ihrer Runde kam sie dann auch immer an meinem Pavillon vorbei, um mein canang zu bringen, dabei kamen wir immer ins Gespräch über alle Fragen, die sich aus dem Geschehen des Vorabend ergeben haben, sie erklärte mir alles, was ich über Tempelfeste und Religion wissen wollte, ich erklärte ihr alles, was sie über Europa wissen wollte, das ging so weit, daß wir uns gegenseitig alte balinesische Schrift und alte deutsche Schrift erklärten, und am Schluß war immer der ganze Vorrat Räucherstäbchen auf ihrem Tablett abgebrannt, so daß sie für ihre weitere Runde erst neue holen gehen mußte.

Segehan

Das ist eines der einfachsten Opfer, ganz unscheinbar und doch so wichtig. Jede balinesische Hausfrau zweigt etwas vom gerade Gekochten ab für die Mächte dieser Welt. Meist ist es bißchen gekochter Reis, der in ein Kokospalmenblatt so eingeschlagen wird, daß eine dreieckige kleine Tüte entsteht, die durch einen kleinen Holz- oder Bambusstift zusammengehalten wird. Auch hier wird beim Ablegen im Haustempel dreimal die "ngayah" genannte Geste gemacht: Aus dem Handgelenk dreimal über das Päckchen wedeln, und schon kann sich ein Gott daran erfreuen, oder man kann einen Dämon dazu bringen, sich in diesem Anwesen zurückzuhalten.

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