Bernhard Peter
Das hinduistische Gebet auf Bali

Das Gebet im Tempel findet gemeinschaftlich statt. Bei großem Andrang, z. B. bei Tempelfesten, werden immer nur soviel Personen in den betreffenden Hof gelassen, wie Platz haben, danach leert sich der Hof durch ein Tor, während durch ein anderes Tor Gläubige nachströmen. Pecalangs, das sind die Tempelwächter in ihren typischen schwarzweiß-geschachten Sarongs und Udengs sowie schwarzen Poloshirts mit roten Kanten, regeln den Strom der Gläubigen an den Toren. So wird das Gebet in unendlicher Wiederholung zum Perpetuum mobile, bis keiner sich mehr zum Beten einfindet. Hunderte warten in unendlicher Geduld in den äußeren Höfen, bis die Reihe an ihnen ist, jeder kommt dran, und wenn die Priester zehnmal das Gebet leiten müssen.

Man nimmt dann seinen Platz ein, fein säuberlich in Reihen nebeneinander, Frauen knien und sitzen auf den Fersen, Männer hocken im Schneidersitz, in bunter Mischung, es gibt keine privilegierten Plätze. Nur der Priester sitzt erhöht auf seinem Podest. Vor sich plaziert man die Gebetsutensilien, ein kleiner Canang mit Blüten und ein Räucherstäbchen.

Am faszinierendsten ist die vollkommen offene Hilfsbereitschaft, wenn man sich als Fremdling in diesen Reihen niederläßt. Egal, welcher Religion der Gast angehört, man ist willkommen, egal wie heilig die Zeremonie ist, unter drei Bedingungen:

   Korrekte Kleidung (siehe dort)

   Nie stehenbleiben und gaffen, nie höher sitzen oder hocken als ein Priester oder andere Gläubige. Am besten gebückt vor Menschen vorbeigehen, Hand dabei ausgestreckt mit der Handfläche nach unten vor sich in tiefer Position halten, das heißt soviel wie "Tut mir leid, daß ich vorbeimuß, ich würde mich gerne kleiner machen, wen ich könnte", sich sofort hinhocken oder hinsetzen, das gilt als höflich. Und wer nach Betreten eines Tempelhofes vom Zauber ergriffen stehenbleibt, vielleicht gar auf der Treppe, wird bestimmt bald dezent zum Hinsetzen aufgefordert.

   Nie vor Betenden hergehen oder gar vor einem sitzenden Priester in Aktion, nur hinter ihnen.

Wenn man das beherzigt, ist man herzlich willkommen, Nachbarn stecken einem Gebetsutensilien wie Blüten zu, wenn man sie nicht hat, Priester schließen einen in ihren Wasser- und Reis-Segen ein, und die Nachbarn, meist des Englischen nicht mächtig, drehen sich demonstrativ zu einem um und demonstrieren, was man mit dem Wasser bzw. Reis anfängt, und sie strahlen über das ganze Gesicht, wenn man es richtig nachmacht.

Das Gebet beginnt mit einem durch den auf einem Podest sitzenden Priester geleiteten Anrufen der Götter, unterstützt durch Läuten seiner Glocke. Die Details bleiben dem neugierigen, aber sprachunkundigen Touristen meist verschlossen. Die Anrufung erfolgt insgesamt meist fünfmal, jedesmal werden dabei die zusammengelegten Hände hochgehoben, manchmal verschieden hoch je nach gerade angedachtem Gott, manchmal unter Hochheben verschiedenfarbiger Blüten und Palmblattgestecke zwischen den zusammengelegten Händen.

Nach Abschluß der Anrufungen geht ein Pemangku oder ein Helfer in weißem Gewand mit dem heiligen Wasser durch die Reihen der Betenden, um den Segen auszugeben. Immer drei oder vier Personen werden in einem Rhythmus bedacht, dann geht der Mann oder die Frau mit dem heiligen Wasser weiter zur nächsten Gruppe.

1.   Zuerst hebt der Betende beide Hände mit geöffneten und leicht nach oben ausgerichteten Handflächen rechts und links des Kopfes ca. in Höhe der Ohren hoch. Der Pemangku nimmt einen kleinen Wedel oder Besen oder mit einer Blüte und verspritzt dreimal (ngitisin) heiliges Wasser aus dem Vorratsbehälter, einem silbernen Gefäß oder einem Behälter aus einer polierten Kokosnuß (cedok).

2.   Dann legt der Betende beide Hände ineinander, die rechte über die linke (nunas) und reicht sie so dem Pemangku, der etwas Wasser in die Hände gießt. Dieses wird anschließend getrunken. Der Vorgang wiederholt sich dreimal (nunas tirtha).

3.   Dann, beim vierten Mal, wird das erhaltene Wasser ins Gesicht gerieben und auf die Haare geträufelt (nunas tirtha).

4.   Danach werden die Hände wieder rechts und links des Kopfes hochgehoben, es wird wieder dreimal mit heiligem Wasser gespritzt.

5.   Anschließend wird den Betenden aus einem Tablett etwas gekochter Reis (bija) in die rechte Hand gegeben, welchen er dann in die linke Hand überführt und ihn sich portionsweise auf die Stirn, an rechte und linke Schläfe sowie an den Halsansatz klebt, die letzten Körner werden gegessen.

Nach Austeilung des Segens erhebt sich die Gemeinde langsam, paßt auf, daß man nicht vor jemandem hergeht, der noch betet, und macht Platz für die nächste Gruppe.

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© Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2002-2005
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