Bernhard
Peter
Lotus
- vielfältiges Symbol in Asien
Botanik
Die indische Lotusblume
(Nelumbo nucifera, Familie der Nelumbonaceae) ist entgegen landläufiger Meinung ein
Lotusgewächs, eine eigenständige Familie, kein
Seerosengewächs. Die nächsten Verwandten des Lotus sind nicht
die Seerosen, sondern die südafrikanischen Proteen,
Mohngewächse und die Platane, so ungewöhnlich das im ersten
Moment auch erscheint.
Zwei Unterarten der Lotus-Blume werden unterschieden, die früher als getrennte Arten betrachtet wurden:
Der Name Lotos stammt aus dem Griechischen, wo er schlicht geschätzte Pflanze bedeutete; im Lateinischen wurde er zu Lotus.
An dem im Schlamm wurzelnden Rhizom stehen auf 1-2 m langen Stielen die 20-40 cm großen, flach trichterförmigen, schildförmigen Blätter. Die Blätter sind mit einer Art Wachsschicht überzogen, was den Blättern ein mattes, blaugrün bereiftes Aussehen verleiht. Die Pflanze besitzt Blätter, die im Gegensatz zu denen der Seerosen nicht auf dem Wasser schwimmen, sondern sich darüber erheben. In der zentralen Einsenkung der Blätter rollen häufig Wassertropfen vom letzten Regen wie kleine Ellipsen, deutlich zeigend, daß die Blattoberfläche jede Benetzung ablehnt.
Die dicke, kegelförmig nach unten zugespitzte Fruchtkapsel zeigt im reifen Zustand auf der flachen Oberseite runde Vertiefungen, die mit jeweils einem Samen bestückt sind. Zu Beginn der Regenzeit gelangt durch Löcher Wasser ins Innere, dadurch kann der Samen in geschützter Umgebung quellen und vorkeimen, noch bevor der Fruchtstiel absterbend ins Wasser absackt und die Keimlinge freigibt. Der Lotus ist damit auch ein Beispiel für Brutpflege bei Pflanzen.
Der
Lotus - ein vielfältiges Symbol
Die Lotusblüte ist in Asien
ein häufiges Symbol von vielschichtiger Bedeutung. Die
Lotusblume gilt als Inbegriff einer mythischen Pflanze. Je nach
Zusammenhang kann Lotus stehen für:
Der
Lotus als Symbol der Reinheit
Der Lotus wächst am liebsten
in stehenden schlammigen Gewässern geringer Tiefe, die alles
andere als kristallklare Brunnen sind. Wer Asien bereist, weiß,
daß es sich häufig um die allerletzten Drecklöcher handelt, in
denen der Lotus wurzelt und aus denen heraus sich die Blüte in
makelloser Schönheit und Reinheit erhebt, ohne
daß ihr der Dreck etwas anhaben kann. An der Oberfläche der
Blätter perlt das Wasser ab und die Tropfen nehmen jeden Schmutz
mit. Im Gegensatz zur Seerose, deren Blätter auf dem Wasser
schwimmen und benetzt werden, erhebt sich das Lotusblatt über
die Wasseroberfläche und wird nicht vom Schmuddelwasser benetzt.
Desgleichen ist die Blüte von makelloser Reinheit. Die Ursache
für diese Reinheit ist der sog. "Lotus-Effekt":
Eine fein genoppte Oberfläche ist viel leichter sauber zu halten
als eine glatte Oberfläche. Winzige noppenartige Erhebungen
sorgen dafür, daß Dreck nicht haften kann und, falls er sich
doch dorthin verirrt haben sollte (Wind), sofort vom nächsten
Regen weggespült wird. Eine Pflanze mit Selbstreinigungseffekt!
Die Lotusblätter haben auf ihrer Oberfläche winzige, ca. 20 µm
kleine noppenartige Wachskristalloide. Tropfen und
Schmutzteilchen perlen sofort ab, weil die genoppte Oberfläche
mit Tausenden von Zwischenräumen wenig Haftung bietet. Nicht
möglichst glatte, sondern mikroskopisch rauhe Oberflächen sind
also unverschmutzbar! Dieser Effekt wird mittlerweile auch in der
Technik genutzt. Auch wenn wir eine mikroskopische Erklärung
für den Effekt haben - die Faszination der Unberührbarkeit
und Unberührtheit der Lotusblüte bleibt.
Der
Lotus als Symbol für Vollkommenheit
Durch die oben erwähnten
Eigenschaften und durch die strenge Regelmäßigkeit und die
gleichmäßige radialsymmetrische Anordnung der Blütenblätter
steht der hochästhetische Lotus damit auch für Vollkommenheit.
Wegen der außerordentlichen Regelmäßigkeit der Anordnung und
der augenfälligen Schönheit jenseits kultureller oder gar
modischer Ansichten wird die sich öffnende Blüte zum Symbol der
Emanation göttlicher Harmonie, wird in der
Blüte für den Betrachter bildhaft nachvollziehbar, wie verborgene
Schönheit des Göttlichen aus dem Abstakten heraus zur Existenz
kommt und sinnlich wahrnehmbare Formen herausbildet. In
bildlichen Darstellungen kann man bisweilen ein Diadem
aus offenen Lotusblumen als Zeichen geistiger Vollkommenheit
finden.
Der
Lotus als Symbol für die Religion
Vergegenwärtigen wir uns noch
einmal das Bild, wie der Lotus in seinem natürlichen Lebensraum
wächst: Er wurzelt im Dreckwasser, aber er schafft es sich
darüber zu erheben, darüberhinauszuwachsen, den Schmutz
abzustreifen und durch seine makellose Reinheit den Schmutz zu
überwinden. Genauso wächst der Mensch in einer Welt voller
Schmutz und Verderbtheit auf. Er braucht ein die Welt als solche
übersteigendes Ziel, eine Orientierung, um nach Höherem zu
streben, um sich über die Banalität des Alltags zu erheben,
über das Alltägliche herauszuwachsen und so als Mensch zu
erblühen und sein schönes inneres Wesen zu zeigen, weit den
Schmutz des Alltags hinter sich lassend. Der Philosophie des
Buddhismus entspricht es, daß sich die Seele des Menschen aus
dem Dreck der materiellen Welt in die reine Wesenslosigkeit des
Nirvana erheben soll, und was könnte dafür ein passenderes
Symbol sein als der Lotus, der im undefinierbaren Grund
schlammiger Tümpel wurzelt und sich rein und unbefleckt darüber
zur Blüte entfaltet? Steht das Gewässer noch für die Weltverhaftetheit,
so steht die Blüte für die Überwindung
derselben, für Wiedergeburt und Heiligkeit.
Der
Lotus als Symbol für den Buddhismus
Der Legende zufolge wurde Buddha
auf einer Lotuspflanze geboren. Es gibt deshalb auch
viele Buddha-Abbildungen, wo Buddha auf einem Lotus im
sogenannten Lotussitz meditiert. Nach seiner Erleuchtung wurde
Buddha das Attribut des Lotusthrones gegeben,
weil der Lotus auch das Symbol der Dvija, der erneuten Geburt
ist. Entsprechend vielgestaltig findet der Lotus Eingang in die
Kunst: Buddhas in Bangkok oder Ayutthaya thronen auf einem
Podest, dessen oberer Rand von stilisierten Lotusblättern
umgeben ist. Viele Pagoden in Birma haben eine Zone mit
stilisierten Lotusblättern. Die Beispiele sind unendlich an der
Zahl. Auch in der Nacht, als Gautama empfangen wurde, soll ein
riesiger goldener Lotus aus der Erde gewachsen sein.
Der Lotus repräsentiert auch den Menschen auf seinem Weg
zum Göttlichen: Drei Zonen gibt es: Die Wurzeln im
Schlamm, den Stengel im Wasser und Blätter und Blüten in der
Luft, die drei Elemente Erde, Wasser
und Luft werden durchquert, entsprechend der materiellen
Welt, der intellektuellen Welt und der spirituellen
Welt. Wenn Buddha auf einer geöffneten Lotusblüte
sitzend dargestellt wird, soll damit Buddhas Herrschaft
über die intellektuelle und philosophische Ebene
gezeigt werden.
Das Herz der Dinge ist wie eine ungeöffnete Lotusknospe: Wenn
sich darin die Tugenden Buddhas entwickeln, kann sich die Knospe
entfalten und die innere Schönheit offenbaren. Die sich
öffnende Lotusblüte steht für die Entfaltung des Bewußtseins.
Auch aus diesem Grunde wird Buddha in einer Lotosblüte sitzend
dargestellt.
Der
Lotus als Symbol der Nacht
Viele Lotus-Arten blühen
nachts. Aus diesem Grund wird der Lotus in Miniaturen
aus der Moghulzeit in Indien oft gewählt, um die nächtliche
Stunde zu symbolisieren.
Der
Lotus als Symbol der Liebe und Zuneigung
Aufgrund der starken Fasern
des Stengels ist Lotus nicht leicht zu knicken. Nur nach Anritzen
der Oberfläche bricht der Stengel leicht. Die Stengel können
sich über eine weite Entfernung einander zuneigen,
ohne zu knicken, wie Liebende sich voneinander angezogen fühlen.
Der
Lotus als Symbol der Welt und der Schöpfung im Hinduismus
Nach hinduistischer
Schöpfungsmythologie schläft anfangs während der Weltnacht Vishnu
auf den Urwassern. Aus seinem Nabel wächst ein
Lotus empor. Dieser ist der Ursprungsort von Brahma,
welcher den Auftrag erhält, die Welt neu zu erschaffen. Damit enthält
der Lotus quasi das ganze Universum. Wie der
Lotusstengel sich aus den Wassern erhebt und die Blüte
hervorbringt, so hat sich einst die Erde bei der Quirlung des
Milchozeans aus dem "Urmeer" emporgehoben.
Der
Lotus als Symbol der Kostbarkeit
Am Inle-See in Birma
gibt es Lotusweberei - Stoffe aus dem
kostbarsten Material, weil die Ausbeute an Fasern relativ gering
ist, gemessen an anderen Faserpflanzen.
Der
Lotus in der Architektur der Baha'i
In Neu-Delhi
wurde ein Baha'i-Tempel der Neuzeit errichtet. Der Architekt, Fariburz
Sahba, wählte die Gestalt einer sich gerade öffnenden
Lotusblüte, deren äußere Blütenblätter schon entfaltet sind,
deren innere aber noch das Allerheiligste umschließen. Zur Wahl
dieser Form erklärte der Architekt: " Der Lotus hat nicht
nur einen Bezug zu allen Religionen Indiens, sondern ist
wahrscheinlich die perfekteste Blume der ganzen Welt."
Der
Lotus als Symbol der hinduistischen Kosmologie
Das alte hinduistische
Weltbild geht von einem zentralen Kontinent aus, der konzentrisch
von weiteren Kontinenten und Ozeanen umgeben ist, ganz außen der
Milchozean, durch dessen Quirlung die Welt entstanden ist. Im
zentralen Kontinent erhebt sich der Weltenberg Meru, auf dem die
Götter ihren Wohnsitz haben und um den herum die Gestirne und
Planeten kreisen. Der markante Fruchtknoten des
Lotus erhebt sich gleichsam wie der Weltenberg
Meru aus dem Blütenboden, die vielen Blütenblätter
strahlen in alle Richtungen wie die Himmelsrichtungen
und symbolisieren die Vielfalt der Länder und Kulturen, die sich
um den Weltenberg gruppieren. Damit wird der Lotusstengel
die aus den Urwassern aufsteigende Weltachse, auf der
die Erde ruht. Und genausoso wie es beim Lotus eine Ebene
darunter gibt, nämlich den Stiel und die Wurzeln in einem
schlammigen Gewässer, so liegen auch unter der Erde Unterwelten. In Indien heißt die
Lotosblume Padma. Padma war im alten
Indien das Urmeer, aus dem das Universum entstand.
Der
Lotus als Symbol im Zusammenhang mit dem Göttlichen oder mit
einzelnen mythologischen Gestalten im Hinduismus
Der Lotus ist eng mit Göttern
und mythologischen Gestalten verbunden:
Darüberhinaus gibt es im Sprachgebrauch vielfältige Assoziationen mit Lotus: Die Lotuszentren im Yoga, der Lotussitz der Meditation etc. Psychische Zentren im Körper, verbunden mit dem Aufsteigen der Kundalini oder der "Shakti"-Energie, werden oft als Lotusse dargestellt. Lotus ist ferner unverzichtbarer Bestandteil von Opfergaben in Tempeln in Thailand oder Birma, ebenso darf bei wichtigen hinduistischen Festen wie Durga Puja Lotusschmuck nicht fehlen.
Lotus
in vielen Farben
Bei bildlichen Darstellungen
ist die Farbe des Lotus bedeutungstragend. Z. B. steht weißer
Lotus für Bodhi, den Zustand totaler
menatler Reinheit und spiritueller Perfektion. Dies ist
der Lotus des erleuchteten Buddhas. Gerne wird
auch durch 8 Blütenblätter auf den achtfachen Pfad im
Buddhismus angespielt. Roter Lotus ist der Lotus
des Herzens, der Leidenschaft, der Hingabe, der
Tat. Das ist der Lotus von Avalokiteshvara. Blauer
Lotus symbolisiert den Sieg des Geistes über die Gefühle, es
ist der Lotus der Weisheit und des Wissens.
Pinkfarbener Lotus dagegen ist der Lotus höchster
Göttlichkeit. Purpurfarbener Lotus
wiederum ist eine mystische Farbe, die nur in esoterischen
Bereich eine Rolle spielt.
Lotus
- kann man ihn in Deutschland kultivieren?
Früher dachte man aufgrund
des Vorkommens in tropischen Ländern, Lotus sei eine rein
tropische Pflanze. Ursprünglich stammt die Pflanze jedoch aus
den gemäßigten Regionen Chinas, wo es auch im Winter kalt wird.
Die Lotuspflanze verträgt Winterkälte. Sie ist sogar in
Oberitalien eingebürgert. Am Lago Maggiore (z. B. Villa
Tarantula), am Lago di Mantua in der Nähe von Mantua gibt es
riesige Bestände. Auch im Wolgadelta ist Lotus heimisch. Z. B.
im Botanischen Garten Bonn wird Lotus seit 1991 ohne jede
künstliche Heizung im Freien kultiviert und regelmäßig zur
Blüte gebracht.
Ein paar Bedingungen sollten jedoch für die Freilandkultur erfüllt sein:
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Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2005
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