Bernhard Peter
Xuánkong Sì - das Felsenkloster im Hengshan

Um das Xuánkong Sì zu besichtigen, führt der Weg in eines der fünf heiligen Gebirge Chinas. Die Gruppen heiliger Berge in China (Shèngshan) sind je nach Religion unterschiedlich, denn es gibt buddhistische und daoistische heilige Gebirge. Während die Buddhisten vier heilige Gebirge (Sìdà Fójiào Míngshan, Shan = Berg) kennen, den Jiuhua Shan in der Provinz Anhui, den Emei Shan in der Provinz Sichuan, den Wutai Shan in der Provinz Shanxi und den Putuo Shan in der Provinz Zhejiang, haben die Daoisten eines mehr, nämlich fünf heilige Gebirge (Wuyuè, Yuè = Gipfel), die nicht deckungsgleich mit ersteren sind: den Tai Shan in der Provinz Shandong, den Héng Shan in der Provinz Shanxi in Nordchina, und um genau diesen geht es hier, den gleichnamigen Héng Shan in der Provinz Hunan in Südchina, den Song Shan in der Provinz Henan und den Hua Shan in der Provinz Shaanxi. Der ca. 150 km lange Gebirgszug Heng Shan in der Provinz Shanxi wird auch Nordgipfel genannt (Bei Yuè) genannt, und seine höchste Erhebung namens Xuanwufeng oder Tianfeng Ling erreicht 2017 Höhenmeter.

Die Hauptattraktion des Heng Shan ist das Xuánkong Sì, das Hängende Kloster, ein architektonisches Unikum ca. 5 km südlich des Ortes Hunyuan und 75 km südöstlich von Datong gelegen. Natürlich hängt es nicht, sondern steht wie alle anderen Klöster auch, aber seine spektakuläre Lage an einer steilen, über 150 m hohen Felswand des Cuiping Shan und seine abenteuerliche Architektur, die sich in drei zusammenhängenden Baugruppen auf in Löcher der Felswand getriebene horizontale Balken und auf lange, in der darunterliegenden Felswand verankerte, vertikale Stangen stützt, gaben ihm seinen Namen. Früher waren es Holz- und Bambusstangen, heute sind es Holzstangen und Metallrohre, die die fragile Architektur abstützen. Die fragile Konstruktion unter maximaler Ausnutzung der gegebenen Lage, die geschwungenen Dächer, die filigranen Stangen, all das bildet einen wirkungsvollen Kontrast zu der steinernen Wucht der dahinter liegenden Felswand, und man kann erkennen, daß jeder Vorsprung, jede Verschneidung, jede natürliche Höhlung geschickt ausgenutzt wurde, um mit dem Menschenwerk eins zu werden.

Tief unter dem Kloster verläuft die Schlucht des Goldenen Drachen (Jinglong Xia). Die Idylle täuscht etwas, nur wenige Schritte links vom Kloster sperrt nahe des Passes eine Staumauer das Tal, und ein Überlauf ist in Form eines gewaltigen Tores in den Felsen gesprengt. Im Spätsommer ist der Fluß eher ein Rinnsal, aber man kann sich vorstellen, daß es die Wilden Fluten in der Gebirgsschlucht waren, die die Mönche zu dieser erhöhten Bauweise zwangen, die zugleich Sicherheit vor Überfällen o. ä. brachte. Insgesamt hat das Kloster ca. 40 Räume und 152,5 Quadratmeter, also im Durchschnitt ist ein Raum kleiner als 4 Quadratmeter. Besonders spektakulär wirkt die Verbindungsbrücke zwischen den beiden Klosterteilen, die vor dem am schwersten zu bebauenden Teil der Felswand die Kluft überspannt. Viel Platz war an der Felswand nicht; die teilweise in den Felsen gehauenen Räume sind winzig, die Durchgänge extrem schmal, die Treppen nicht für große Langnasen gebaut - das Leben hier mag zwar höchst meditativ und still gewesen sein, aber alles andere als bequem, zumal jeder Tropfen Frischwasser und jedes Korn Reis erst einmal die ca. 30 m (linke Seite) bis 50 m (rechte Seite) von der Talsohle nach oben geschafft werden mußten. Früher schien das Kloster noch höher an der Wand zu hängen, aber die Talsohle hat sich seitdem etwas verfüllt, insbesondere seit der Staudamm die Kraft des Gebirgsbaches bremst. Der letzte Mönch aber hat die Anlage schon lange verlassen, heute ist das Gebäude im Besitz des Staates.

Wegen der Kleinheit der Anlage und der Beliebtheit auch bei chinesischen Inlandstouristen schlängelt sich der Besucherstrom von Steg zu Galerie, von Leiter zu Leiter und zum nächsten Ausguck durch das puppenstubenhaft dimensionierte Kloster, die Masse drängt einen vorwärts, Gegenverkehr wäre unmöglich und bei den niedrigen Brüstungen gefährlich. Wegen der Enge der Gebirgsschlucht ist ein Besuch des Klosters nur am Vormittag ab ca. 09.30 Uhr sinnvoll, so daß es im Licht ist, bereits ab 11 Uhr beginnt sich Schatten über die Gebäude zu legen.

Einerseits bietet die Felswand einen guten Witterungsschutz, andererseits wird das Kloster durch Steinschlag permanent bedroht. Auch wenn die Gebäude und Dächer später erneuert wurden, geht die Anlage doch auf eine Gründung des 6. Jh. zurück. Angeblich wurde das erste Kloster von einem Mönch namens Liao Ran in der Zeit der nördlichen Wei-Dynastie (386-534 AD) erbaut. Damit gibt es hier eine mehr als 1400jährige Tradition der Verehrung. Um 1900 wurde die Anlage restauriert, wie auch während der gesamten Bestehenszeit immer wieder Arbeiten vorgenommen wurden, sodaß die heutigen Teile zwar die alte Form haben, substantiell aber meist neueren Datums sind. Seit der Zhou-Dynastie gilt das Gebirge als heilig.

Literatur, Links und Quellen:
Anke Kausch, China, DuMont Kunstreiseführer, 5. Auflage 2008, ISBN 978-3-7701-4313-9, S. 225-226.
Hängendes Kloster:
http://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%A4ngendes_Kloster
Hängendes Kloster:
http://german.cri.cn/21/2005/06/23/1@31750.htm
Hängendes Kloster:
http://www.chinaculture.org/gb/en_travel/2003-09/24/content_32449.htm
Hängendes Kloster:
http://yourenotfromaroundhere.com/blog/hanging-monastery-temple-datong-china/
Hängendes Kloster:
http://bethei.blogspot.de/2008/02/hanging-monastery-built-1400-years-ago.html
Heilige Berge:
http://de.wikipedia.org/wiki/Heilige_Berge_in_China

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