Bernhard
Peter
Buddhismus:
Die Vier Edlen Wahrheiten
Ein zentraler Punkt der buddhistischen Heilslehre, wenn nicht gar der zentrale Punkt, ist die Lehre vom Leiden. Am Beginn seiner Lehrtätigkeit erklärte Buddha in seiner berühmten "Predigt von Benares" die Vier Edlen Wahrheiten (Ariya-sacca, Ariya-Saccesu Kicca). Seine Erkenntnis über die Vier Edlen Wahrheiten ist die Grundlage der religiösen, sozialen, philosophischen und künstlerischen Kultur der buddhistischen Welt.
1.
Wahrheit: Dukkha - die Wahrheit vom Leid
Das Leben im Kreislauf der
Existenzen ist letztlich von Leid (Dukkha) geprägt. Das Leiden
hat viele Gesichter: Die Geburt ist schon vom Leiden bestimmt,
das Altern desgleichen, der Tod ebenso; dazu ist das Leben voller
Kummer, Klagen, Schmerz und Verzweiflung. Leiden wird einem von
anderen Mitmenschen zugefügt, und durch sein eigenes Handeln und
durch seine eigenen Ansprüche fügt man wiederum seinen
Mitmenschen Leid zu. Gesellschaft mit dem Ungeliebten ist Leiden,
Unzufriedenheit bedeutet Leiden, das Gewünschte nicht zu
bekommen ist Leiden, der Frust durch unerfülltes Verlangen
bedeutet Leiden. Kurz, die fünf Aneignungen oder
Anhaftungsgruppen (Skandha im Sanskrit, Khandhah in Pali) sind
Leiden. Die fünf Anhaftungsgruppen sind im einzelnen die
Körperlichkeitsgruppe, die Gefühlsgruppe, die
Wahrnehmungsgruppe, die Geistesformationengruppe und die
Bewußtseinsgruppe.
"Dies, ihr Mönche, ist die edle Wahrheit vom Leid: Geburt ist leidvoll; Altern ist leidvoll; Krankheit ist leidvoll; Sterben ist leidvoll; Kummer, Jammer, "Dies, ihr Mönche, ist die Schmerz, Trübsal, Verzweiflung sind leidvoll ; mit Unlieben vereint sein, ist leidvoll; von Lieben getrennt sein, ist leidvoll; und wenn man etwas, das man sich wünscht, nicht erlangt, ist das leidvoll; kurz gesagt: die fünf Konstituentien / Komponenten bedingt entstandenen Daseins (Khandhah) sind leidvoll."
2.
Wahrheit: Samudaya - die Wahrheit von der Entstehung des Leides
Das Leid ist nicht per se in
der Welt, sondern entsteht durch verschiedene Ursachen.
Hauptursachen des Leidens sind Verlangen, Gier, selbstsüchtiges
Begehren, Haß und Verblendung der Menschen. Das Verlangen der
Menschen ist ein Schlüsselbegriff bei der Entstehung des
Leidens. Das Verlangen (Trsna im Sanskrit, Tanha in Pali) nach
materiellen Gütern, nach Sinneslust, das Verlangen nach Werden,
das Verlangen nach Nicht-Werden, alles Verlangen nach materiellen
oder immateriellen Objekten unserer Begierde, sei es Eitelkeit,
Karriere, Sex (außer Ehepartner), Geld, Reichtum, Titel, Ehre,
Erfolg, dieses Begehren führt letztendlich zu immer neuer
Wiedergeburt., insbesondere wenn es von Leidenschaft und Genuß
des Erreichten begleitet wird. Denn dadurch kommt es zum Anhaften
an Dinge, die im Grunde nicht von Bestand sind. Anhaften bedeutet
das Festhalten an den Objekten unserer Begierde und erzeugt damit
Leiden.
"Dies, ihr Mönche, ist die edle Wahrheit von der Entstehung des Leidens: es ist die Gier, die das Entstehen von Leid bewirkt; die Gier, die Wiederentstehen bedingt, die von Freude und Leidenschaft begleitet ist, die hier und dort ihre Freude findet; die Gier nach Sinnenlust, die Gier nach Werden, die Gier nach Vergehen."
3.
Wahrheit: Nirodha - die Wahrheit von der Beendigung des Leides
Es ist möglich, das Leiden zu
beenden. Dazu ist es lediglich notwendig, gegen die Ursachen des
Leidens anzugehen. Erlöschen die Ursachen, erlischt das Leiden.
Da die Hauptursache das Verlangen (Trsna im Sanskrit, Tanha in
Pali) ist, ist es notwendig, sich durch Abkehren, Abtreten,
Aufgeben und Loslassen von genau diesem Verlangen zu befreien.
Dann endet auch das Leiden. Durch die Kenntnis kommt es zu einem
Versiegen des Verlangens. Dadurch kommt es zum Versiegen der
Karmabildung und des Anhaftens. Dadurch wiederum kommt es zum
Erlöschen von Leiden was schließlich die Durchbrechung des
Wiedergeburtszykluses möglich macht.
"Dies, ihr Mönche, ist die edle Wahrheit von der Aufhebung des Leidens: es ist die Aufhebung eben dieser Gier durch völlige Leidenschaftslosigkeit, das Aufgeben, Sich- der Beendigung des Leidens, Entäußern, Sich-Loslösen, Sich-Befreien, Unabhängigwerden von dieser Gier."
4.
Wahrheit: Magga - die Wahrheit vom Weg zur Beendigung des Leides
Zum Erlöschen des Leidens
führt der "Edle Achtfache Pfad" (Ariya Atthangika
Magga in Sanskrit, Ariya Atthangika Marga in Pali). Wer ihn
beschreitet, wird früher oder später durch die Befolgung
desselben erleuchtet. Im einzelnen umfaßt er: Rechte Sicht,
rechte Entschlossenheit, rechtes Reden, rechtes Handeln, rechter
Lebensunterhalt/-erwerb, rechtes Bemühen, rechte
Aufmerksamkeit/Achtsamkeit, rechte Konzentration.
"Dies, ihr Mönche, ist die edle Wahrheit vom zur Aufhebung des Leidens führenden Weg: es ist der edle achtgliedrige Pfad, nämlich (1) rechte Ansicht, (2) rechte Gesinnung, (3) rechte Rede, (4) rechtes Handeln, (5) rechter Lebensunterhalt, (6) rechte Anstrengung, (7) rechte Achtsamkeit, (8) rechte Sammlung."
Was getan
werden muß:
Deshalb muß etwas getan
werden, um das Leiden zu beenden. Jede der vier Wahrheiten
erfordert eine andere Handlung, die zu tun ist, um letztendlich
den Kreislauf des Leidens zu durchbrechen und Erlösung
herbeizuführen:
1. Wahrheit: Pariññâ, Erkenntnis des Leidens. Gefordert ist die Durchschauung der Anhaftungsgruppen. Heißt das Erkennen der wahren Natur der Dinge.
2. Wahrheit: Pahâna, Aufgeben der Gier. Gefordert ist die Überwindung der Unwissenheit und des Daseinsbegehrens sowie allen anderen Begehrens und der Ich-Verhaftetheit.
3. Wahrheit: Sacchi-Karana, Verifikation der Beendigung des Leidens. Gefordert ist die weise Verwirklichung von Wissen und Erlösung durch dasselbe. Heißt Anstreben der Erlösung durch Erleuchtung.
4. Wahrheit: Bhâvanâ, Entfaltung des Edlen Achtgliedrigen Pfades. Heißt Befolgen der Empfehlungen zur Ethik, Erkenntniserlangung und Meditation.
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Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2005
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