Bernhard
Peter
Kunst,
Kultur, Menschen und Natur am Inle-See
Der
Inle-See
Das Gebiet um den Inle-See ist
eines der landschaftlich reizvollsten in ganz Birma. Die Fakten
in Kürze: Zweitgrößter Binnensee Birmas, 22 km lang, 11 km
breit, davon aber nur die Hälfte dauerhaft freie Wasserfläche,
der Rest ist amphibische Landschaft mit Dörfern aus Pfahlbauten,
Reisfeldern, die zur Regenzeit überschwemmt sind, Feldern und
schwimmenden Gärten. Nach Süden geht das Gebiet in eine von
malerischen Pfahlbaudörfern gesäumte Flußlandschaft über, bis
sich die Landschaft zu einem weiteren See wieder weitet, der
wesentlich einsamer und lange nicht so touristisch ist wie der
Inle-See selbst. Hauptort für den Besuch des Inle-Sees ist die
an dem nördlichen Ufer gelegene angenehme Kleinstadt Nyaung
Shwe, in der sich sehr angenehm leben läßt und die sich ideal
eignet als Standquartier für Ausflüge auf den See oder in
Stammesgebiet. Der Inle-See selbst liegt auf 900 m Höhe, das
Klima ist hier sehr angenehm, lange nicht so drückend schwül
wie die tiefer liegenden Gebiete. Man erreicht das Gebiet vom
Flughafen aus in ca. 2 Stunden Taxifahrt. Eigentlich ist die
Strecke kürzer, aber aufgrund der Überschwemmungen sind wir
gezwungen, einen großen Umweg zu fahren. Besonders beeindruckend
an diesem See ist die Lage zwischen zwei Bergketten, fast wie ein
Loch in Schottland (jedenfalls drängt sich der Vergleich zur
Regenzeit auf). Und genauso wirkt das Wetter... Oben wird das
trogartige Tal von einer Wolkendecke abgeschlossen, und das
Wetter mutet fast ebenso highlandartig an...
Doch das ist nur eine kurzfristige Erinnerung, spätestens wenn
abends Scharen weißer Reiher begleitet von ein paar
kiebitzartigen Vögeln über die Felder ziehen und sich in den
wenigen Bäumen sammeln und in die am Kanal stehenden Bäume in
Scharen einfallen, wird einem wieder bewußt, daß es sich hier
um eine einzigartige Szenerie voller Schönheit ohne Vergleich
handelt. Ich bezog in Nyaung Shwe ein hübsches Zimmer in einem
Guesthouse. Von allen Unterkünften ist das das netteste, was ich
hatte. Mit großem Lob sei deshalb hier das May-Guesthouse
hervorgehoben, wegen der ruhigen Lage, seiner sauberen und
preiswerten Zimmer, wegen der familiären Herzlichkeit, die einen
ab der ersten Sekunde umfängt. Vor allem auch wegen der
Kleinigkeiten. Kaum da, hatte man mir schon ein Fahrrad
organisiert. Als erstes legte er mir einen Stadtplan vor und
strich alle Straßen durch, die unter Wasser standen und
markierte das nächste erreichbare Internetcafe. Oder das
Frühstück: War das erste Frühstück noch
international, so bemühte man sich ab dem nächsten
Tag, als man gemerkt hatte, daß ich mich wirklich für das Land
interessiere, um jedes Mal neue landestypische Spezialitäten.
Ich hatte z. B. von Deutschland aus telefonisch reserviert, in
meinem Bestätigungsschreiben hatte ich einfach nur einen Satz
geschrieben, daß es nett wäre, wenn er mir dann jemanden als
Führer für den See empfehlen könnte. Wie man es eben so aus
Höflichkeit schreibt und sich nicht viel dabei denkt. Als ich
hinkam, hatte er sich wirklich ernsthaft Gedanken gemacht
er erklärte mir, daß er lange nachgedacht hätte, wen er mir
mitgeben könnte, und es käme eigentlich nur seine eigene
Schwester Kyi-Kyi in Frage, die eigentlich in der Stadt Taunggyi
Tierärztin ist, die er aber für einen ganzen Tag als Begleitung
für mich abkommandiert hatte. Überflüssig zu erwähnen, daß
nur der Bootsführer abgerechnet würde und die ganztätige
Begleitung reine Nettigkeit war - mir blieb die Spucke weg
angesichts dieser Fürsorge, und es war ein wunderschöner
Ausflug mit äußerst gepflegter und hochinteressanter
Kommunikation.
Seidenweberei
am Inle-See
Insgesamt sind es drei
miteinander verbundene Teak-Häuser, die zur selben Manufaktur
gehören. Die Fabriken gehören einer guten Studienfreundin von
meiner Begleiterin Kyi-Kyi, sie hatte erst als Lehrerin
gearbeitet und hat sich dann mit dieser Manufaktur selbständig
gemacht, ein erheblich lukrativeres Geschäft, denn sie beliefern
Japan, Korea und China. Erst auf Drängen der besichtigenden
Touristen hat sie auch hier einen Shop eröffnet. Die Seide wird
zum Großteil aus Japan importiert, weil es einfach bessere
Qualität ist als einheimische. Alle anderen Schritte, Spinnen,
Färben und Weben finden hier statt.
Das Spinnen ist hauptsächlich der Job älterer Frauen. Drei
große Haspeln gleich riesigen Weberknechten werden gleichzeitig
bedient, über eine Fahrradfelge als Spinnrad laufen alle drei
Fäden gleichzeitig und werden auf drei unterschiedliche Spulen
aufgewickelt. Zur besseren Unterscheidung werden immer möglichst
unterschiedliche Farben gemeinsam gesponnen. Faszinierend
unübersichtlich, einfach und arbeitssparend, wie die drei bunten
Fäden gemeinsam über die ausgestreckte Linke der Frauen laufen.
An einer anderen Station wird Ikat vorbereitet. Nach dem
Einfärben mit der ersten, hellen Farbe werden bestimmte
Abschnitte mit gewachstem Baumwollgarn abgebunden, dann kommt der
zweite Färbeschritt. Es handelt sich hier nur um
Schuß-Ikat.
Am Ende des Häuserensembles ist die Färberei. In der Ecke
raucht ein riesiger Ofen, davor brutzelt irgendeine schwarzbraune
Küpe, im Raum verteilt stehen die unterschiedlichsten
Färbeküpen, auf der Plattform neben dem Haus ist der Färber
gerade dabei, weiße Garne auf einem Steg im Seewasser
auszuwaschen. Ganz große und ebenso offene Frage: Draußen
landschaftliche Idylle, abseits vom Dorf auch mal kristallklares
Wasser mit tiefem blick auf die Wasserpflanzen, hierdrin eine
Hexenküche an Schwermetallbeizen und Färberküpen Was
passiert mit den Altchemikalien? Werden die Spülgänge etwa im
See durchgeführt?
Die Webstühle sind in zwei Teakbauten untergebracht, einer
zweigeschossig, einer dreigeschossig, auf jeder Etage ca. 15
Webstühle. Der Bau derselben ist einfach: Zug auf die Kettfäden
wird mit einem Gegengewicht aus steingefüllten
Chemikalienkanistern oder anderen Beschwerungen ausgeübt. Das
Schiffchen läuft in einer Art Rinne, rechts und links ist
jeweils ein beweglicher Prallklotz. Beide Prallklötze sind mit
einer Schnur verbunden, die durch zwei Umlenkblöcke geschoren
ist und über dem Kopf der Weberin verläuft. In der Mitte dieser
Schnur ist ein Zugseil. Ein kurzer Ruck an diesem Zugseil
der außen befindliche Prallklotz schlägt das Schiffchen wieder
auf die andere Seite und dieses drückt den dortigen Prallklotz
an seine äußere Begrenzung, bereit für den nächsten Impuls.
Mit den Füßen werden Bambusstäbe bewegt, die das Auf und Ab
der Kettfäden steuern. Standard sind vier Stück. Es ist soviel
Aufwand, das alles einzufädeln, daß mehrere Tücher gleich
hintereinander gewebt werden, mit jeweils ca. 15 cm Abstand, aus
denen dann die Fransen werden.
Einfache Seidendamaste werden so hergestellt, aber genauso findet
sich die aufwendigere Ikat-Technik, bei der nach jedem Schuß die
Lage der Farbzonen überprüft wird, ehe der Kammbalken den
frischen Schuß festdrückt.
Schmiede
am Inle-See
In den Dörfern des Inle-Sees
findet man Silberschmiede und Eisen-Schmiede. Während die
Silberschmiede nur eine winzige Esse mit nur ganz wenigen
Holzkohlenstückchen benutzen sowie einen an der Decke
aufgehängten Blasebalg mit Zugschnur (die Luft wird mit einer
Art Gartenschlauch in die Esse geleitet), geht es bei den
Eisenschmieden anders zu: Hinter der Esse ragen zwei senkrechte
Rohre hoch. Auf einem erhöhten Platz sitzt ein Junge und bewegt
mit den Händen abwechselnd die beiden senkrechten Ventilstangen
rauf und runter. In dieser Schmiede werden vor allem Messer,
Sensen etc für den täglichen Bedarf der Dorfbevölkerung
hergestellt. Der Amboß ist ein großer Eisenpflock, eingelassen
in einen horizontal gelagerten Baumstamm. Wenn der Schmied einen
rotglühenden Rohling mit der Zange aus der Esse entnimmt,
gruppieren sich drei Helfer um diesen Amboß herum. Der Schmied
hält mit zwei Zangen den Rohling, während jetzt die drei Helfer
mit Vorschlaghämmern im Rhythmus immer abwechselnd auf den
Rohling eindreschen. Zum Abschluß wird das Teil senkrecht
gehalten, um die Form wieder herzustellen, dann kommt es wieder
in die Esse bis zum nächsten Ausschmieden.
Die Handwerker sind hier nicht bunt gemischt, ein Dorf hat sich
mehr aufs Schmieden spezialisiert, ein anderen mehr auf das
Weben.
Häuserbau
in den Dörfern am Inle-See
Die Häuser sind alle
Pfahlbauten. Erstaunlicherweise bestehen selbst dreistöckige
Häuser ganz aus einem Teakholzrahmen aus fast nur horizontalen
und vertikalen Teakbalken fast ohne sichtbare
Diagonalverstrebungen. Die Wände werden durch von außen
angenagelte Teakholzbretter gebildet. Große Fenster lassen Licht
in die besseren Häuser und Manufakturen. Die Häuser sind
ansonsten schmucklos, ein fast schon lieblos zu nennendes
Wellblechdach bedeckt sie. Der Reiz dieser Häuser ergibt sich
weder aus der Architektur noch aus irgendeinem Bauschmuck.
Vielmehr bestehet der Reiz in der konsequenten Pfahlbauweise, dem
Miteinander von natürlichen Materialien und enger Verwachsung
mit den Elementen der Natur, dem Eingebundensein in das
dörfliche Ensemble mit seinen Hütten und Anlegestegen,
verbindenden Brücken und als Kulisse für vorbeiziehende Boote.
Wasserhyazinthen:
Blauviolett blühende Kissen
treiben auf dem See und in den Dörfern, schwimmfähig durch
blasig aufgetriebene Verdickungen, wie kleine Inseln. Auf den
ersten Blick wunderschön durch die zart violetten Blüten, aber
beim zweiten Hinsehen wird deutlich, daß sie hier wie Unkraut
wuchert und gedeiht und ganz und gar nicht ursprünglich in
dieses Biotop gehört, sondern sich hier wie eine Landplage oder
vielmehr Wasserplage breitgemacht hat. Ein besseres Biotop kann
sie gar nicht finden als die flachen und warmen Gewässer mit
geringer Strömung. Die Wasserhyazinthe stammt ursprünglich aus
den mittelamerikanischen Urwäldern. Ende des 19. Jahrhunderts
wurde sie von europäischen Pflanzenexperten zur Zierpflanze
kultiviert und auf der Insel Java neu angesiedelt. Von dort wurde
sie nach Thailand und von da nach Birma eingeschleppt. Mit
anfänglicher Begeisterung wurde sie kultiviert und geriet dann
schnell außer Kontrolle. Jeden Tag erzeugt die Wasserhyazinthe
3-4 neue Ableger, in einer Woche bis zu 30, und in einem Monat
bis zu 120 neue Ableger! Im benachbarten Thailand verstopfte sie
schon 10 Jahre nach der Einfuhr so sehr die Klongs (Kanäle),
daß schon 1913 eine Verordnung die Wasserhyazinthe als
Schädlingspflanze ersten Ranges behandelt. Weltweit, auch in
Australien, Japan und in den Südstaaten der USA wurde versucht,
der unkontrollierten Ausbreitung Herr zu werden, mechanisch mit
Mähern, chemisch mit Herbiziden, sogar mit Feuer umsonst.
Es ist eine der widerstandsfähigsten Pflanzen, und sie
überlebte alle Versuche zu ihrer Vernichtung. Also machte man
aus der Not eine Tugend und nutzte sie wegen ihres hohen
Proteingehaltes als Kraftfutter für Vieh- und Fischzucht, ferner
findet sie als Dünger Verwendung. Ein ganz spezieller Nutzen
ist, daß die Wasserhyazinthe in der Lage ist, Schwermetalle zu
binden. Das wäre auch insbesondere am Inle-See von Nutzen, denn
es ist unwahrscheinlich anzunehmen, daß die Färbereien ihre
Chemikalienabfälle umweltgerecht entsorgen. Nach nur 6-8 Wochen
Wachstum ist die Wasserhyazinthe in der Lage, wirksam metallische
Schadstoffe und sogar Ölfilme von der Wasseroberfläche zu
absorbieren. Nach 4 Monaten Wachstum wird die Pflanze zum
regelrechten Schadstoff-Schlucker. Das Problem ist
nur, daß die Schwermetalle nicht einfach weg sind,
sondern nur gebunden. Ein Absterben der Pflanzen und
anschließendes Verfaulen muß verhindert werden, weil sonst die
Schwermetalle wieder in die natürlichen Kreisläufe geraten.
Nach 5 Monaten müssen die älteren Pflanzen daher entfernt
werden, damit sie nicht das Wasser wieder verunreinigen. In den
USA wird am Mississippi erfolgreich die Wasserhyazinthe als
ökologisches Reinigungssystem erprobt. Aber diese Gedanken sind
in Birma noch Zukunftsmusik.
Schwimmende
Gärten und Tomatenanbau
Die Besonderheit der
landwirtschaftlichen Nutzflächen im Gebiet des Inle-Sees sind
die schwimmenden Gärten. Die Grenze zwischen Festland und See
ist ohnehin fließend. Halb Nyaungshwe stand unter Wasser, man
patschte in den Straßen durch knöcheltiefes Wasser. Im Norden
von Nyaungshwe stand die Straße so unter Wasser, daß sie nach
Shwenyaung unpassierbar war. Reisfelder sind überflutet, in
flachen Nachen geht die Bevölkerung auf die Jagd nach Fischen,
von den Straßendämmen aus machen sie Jagd mit Harpunen auf
Fische. Harpunen das sind schlanke Stöcke, die vorne
einen Aufsatz mit fünf in Kreuzstellung angeordneten Spießen
haben. An langer Schnur werden sie geworfen, wenn die Schnur
reißt, werden die Harpunen von den Booten aus wieder
eingesammelt. Im Süden von Nyaungshwe führt ein ca. 5 km langer
Kanal zur freien Wasserfläche des Inle-Sees, er ist gesäumt von
unzähligen Parzellen Land, Stichkanäle gehen Booten Zugang
zwischen zwei Parzellen, Schilder numerieren die einzelnen
Anbauflächen. Das ist aber alles noch Festland. Die Gegend lebt
vom Tomatenanbau. Von hier aus wird das ganze Land mit Tomaten
versorgt. Ende September war gerade Erntezeit. Lange Motorboote
sind mit Misten und Körben voller Tomaten vollgepackt und landen
ihre Ware in Nyaungshwe an, dort werden sie in riesige
Lagerhallen am Ufer umgeladen und in LKWs verladen, die wegen der
Überschwemmung aber einen weiten Umweg auf schlechter Straße
nach Shwenyaung nehmen müssen. Richtig schwimmend werden die
Gärten im Südwesten des Inle-Ses. Es handelt sich wirklich um
schwimmende Ackerflächen, schmal und langgestreckt, mit ein paar
langen Stöcken im Grund verankert, damit sie nicht wegtreiben,
eine Bootsbreite auseinander. Wenn auch die schwimmenden Gärten
in der Regel vom Boot aus bestellt, bepflanzt, gedüngt und
geerntete werden, so sind die Erdzeilen doch in der Lage,
Menschen zu tragen. Nur die einfachen Hütten zwischen den
Ackerzeilen sind wirklich Grund verankert. Die Ackerzeilen aber
heben und senken sich mit dem jeweiligen Wasserstand entlang der
Verankerungsstäbe. Entsprechend sind sie auch ganzjährig gut zu
bestellen, während die Fußböden der einfachen
Bambusunterstände jetzt zur Regenzeit reichlich unter Wasser
stehen. Auch auf den schwimmenden Gärten ist Hauptagrarprodukt
die Tomatenzucht. Die Vielzahl der 1-2 Meter langen Bambusstäbe
dient nur dem Ziehen der Tomaten, nicht der Verankerung. Unter
diesen Erdsoden ist Wasser, das Erdreich ist ohne Verbindung zum
Seegrund. Was unten wegfault, wird obendrauf wieder nachgefüllt
man sieht die Menschen in Booten vom Seegrund
Wasserpflanzen wie Tang oder Algen mit langen Haken oder Gabeln
etc. hoch holen, mit denen die schwimmenden Gärten gedüngt
werden, so daß immer oben wieder Material ergänzt wird. In zwei
riesigen Haufen mit Lücke mittschiffs wird der Tang in das Boot
geladen, bis der Freibord fast Null erreicht, schwer beladen
werden dann die schwimmenden Gärten angesteuert, das Material
wird unter den Tomatenpflanzen verteilt.
Einbeinruderer auf
dem Inle-See
Bemerkenswert ist die
spezielle an Akrobatik grenzende Rudertechnik der Fischer: Sie
stehen am äußersten Ende des flachen Nachens, so daß der Bug
weit aus dem Wasser ragt und das Heck zur schmalen Linie auf dem
Wasser wird, sie schlingen ein Bein um das senkrechte Paddel und
bewegen dieses mit einer Hand und einem Fuß. Der Fuß ist das
Widerlager, wenn der Arm nach vorne gedrückt wird bzw. der Fuß
schiebt das Paddel nach hinten, während der Paddelknauf mit der
Hand gehalten wird, oder es ist eine koordinierte Bewegung, die
höchste Gleichgewichtskontrolle verlangt, denn mit der freien
Hand werden die Fischernetzt bzw. die Fischreuse bedient,
während der Fischer nur auf einem einzigen Standbein steht, bei
etwas Wind und Seegang nicht ganz einfach.
Der Schwimmende
Markt von Iwama
Besonders schön ist das Bild
der Boote vor der Kulisse der vielen Pagoden, die sich aufgrund
des erhöhten Wasserstandes direkt aus der braunen Brühe
erheben. Es gibt sie noch, die Boote mit Obst und Gemüse, mit
harzigem Brennholz und Kochgeschirr aus China, aber die gute
Hälfte der boote ist voll mit Touristen-Nepp, die mit der
typischen Aufdringlichkeit längsseits gehen und partout die
Bordwand nicht loslassen wollen, ehe der eigene Bootsführer ein
freundliches Machtwort spricht. Weil es der einzige schwimmende
Markt in diesem Fünf-Dörfer-Fünf-Tage-Zyklus ist, wird er
entsprechend stark von Touristen besucht und ist dadurch in
seinem Charakter gewandelt, nicht zum Besten. Schnell wieder in
touristenfreie Zone!
Das
Kloster der springenden Katzen
Auf einer Insel im See gelegen
findet sich eines der ältesten Klöster der Gegend, ganz
schlicht gebaut, ein einfacher Kasten aus Teakholz auf
Stelzen im Wasser, einfache glatte Wände aus
Teakbrettern, rhythmisch gegliedert durch 2- bzw. 3-teilge
Fenster. Nichts überladenes deutet auf die heilige Stätte hin,
nur der schlichte Rhythmus aus den im Sumpf verankerten
Teakstämmen, den abgestuften Dächern und den endlosen
Fensterreihen verleihen dem Gebäude Schönheit durch Gleichmaß.
Diese Klöster im See haben nichts Lautes, Überladenes,
Verspieltes an sich. Genau genommen sind sie außen fast ohne
jeden Schmuck. Und gerade darin liegt ihrer Stille Würde. Aber
auch in der Abgelegenheit, in der Isoliertheit im See liegt ihr
Reiz. Diese Klöster imponieren durch ihre Lage als einsamer Ort
der Einkehr, abgelegen im See, sie beeindrucken durch die
Schlichtheit und Ruhe der Architektur. Vor allem bei ruhigem
Wasser ist der Anblick der Einheit des Klosters mit seiner
Spiegelung sehr malerisch. Auf diesen Inselklöstern läßt sich
viel eher zur Ruhe und Einkehr kommen als in denen im lauten
Mandalay.
Innen im Halbdunkel verändert sich der Eindruck. Die
Frömmigkeit vieler Stifter hat hier eine Vielzahl aufwendigst
geschnitzter Schreine geschaffen, die nebeneinander im Halbdunkel
aufgebaut sind. Meine Begleiterin Kyi-Kyi zeigt mir stolz den
Schrein, den ihre Großmutter gestiftet hatte, einer der
reichsten. Über Geschmack läßt sich trefflich streiten, aber
wie sie berichtet, welche Geschichte der Stein hat, welche
verborgenen Schätze er birgt, wie die zentrale Buddhastatue
gestohlen wurde, weil es doch wohl doch nicht ein
hundertprozentiges Geheimnis war, daß er im Innern unsichtbar
einen großen Rubin eingearbeitet war, da stellt sich die Frage
nach ästhetischen Kriterien gar nicht mehr, man ist ergriffen
von der uralten frommen Tradition, die hier in düsteren und
muffigen Korridoren im Halbdunkel zwischen den tragenden
Teakholzstützen vor sich hin verstaubt.
Der Abt des Klosters liebt Katzen über alles, insgesamt wohnen
hier 13 Stück. Träge lümmeln sie sich auf dem Boden oder noch
lieber auf dem schoß von Touristen, unter deren
Streicheleinheiten sich prima kuscheln läßt. Nur wenn ein
Mönch die Plastikdose mit dem Futter holt und verheißungsvoll
damit klappert, sind die Katzen wie elektrisiert. Erst
Kunststücke, dann Fressen, so lautet die Regel. Der Mönch hockt
sich auf den Boden und hält einen roten Reifen hoch, stupst die
Katze so lange unters Kinn, bis sie aus dem Sitzen senkrecht hoch
und durch den Reifen springt, Belohnung folgend. Nach diversen
Sprüngen kann man sich dann gesättigt wieder trollen, nach dem
nächsten Touristenschoß Ausschau halten und den nächsten
Tagesabschnitt träge verstreichen lassen, andere Pläne hat der
Tourist ja bestimmt nicht für den Rest des Tages.
Derweil erzählt mir Kyi-Kyi ihre Geschichte: Sie ist die
Schwester des Betreibers meines Guesthouses. Eigentlich ist sie
Tierärztin und hat in Taunggyi eine Kleintierpraxis. Großtiere
behandelt sie nicht, weil sie dazu auf die Dörfer raus müßte.
Ihre Mittel sind äußerst beschränkt, z. B. Operationen ohne
gescheiten OP-Tisch, mit Assistentinnen, die beim Operieren
umkippen, wenn Blut fließt, und selber fast mehr Aufmerksamkeit
benötigen als das zu operierende Tier. Impfstoffe z. B. muß sie
selber in Jangon holen wegen der Kühlkontrolle, häufige
Stromausfälle bedrohen vorrätige Impfstoffe. Sie kommt schlecht
an Narkosemittel und Tranquillizer heran, weil Taunggyi schon im
Grenzland zum Goldenen Dreieck liegt und die behördlichen
Kontrollen sehr streng sind. Hier im Grenzland gibt es zu viele
Drogenabhängige, es ist nicht weit bis zur Heroinproduktion in
abgelegenen Labors des Goldenen Dreiecks. Während die
thailändische Seite clean ist, gibt es auf birmanischer Seite
noch genügend Opiumbarone. Außerdem sitzt den Birmanen das Geld
gewiß nicht locker, und jeder einzelne Kyat wird dreimal
umgedreht, bevor man ihn zur Tierärztin trägt, die Bürger von
Taunggyi sind froh, wenn sie das Futter für ihre Hunde und
Katzen bezahlen können. Leben kann man von dem Job nicht, aber
sie verdient sich ein Taschengeld dazu, wie sie es ausdrückt.
Ich bewundere ihren Idealismus, unter diesen Bedingungen zu
arbeiten.
Kyi-Kys Mutter wurde in einem schönen Holzhaus in Sichtweite des
Klosters geboren. Nach ihrer Heirat zog ihre Mutter fort und gab
das Haus als Stiftung dem Erziehungsministerium, damit es als
Schule genutzt wird. Ein paar Jahre wurde es auch als Schule
benutzt, doch seit längerer Zeit steht es jetzt leer, weil
kein Bedarf an Unterricht besteht. Mit Wehmut
betrachtet sie das Haus, das einst ihrer Familie gehörte, für
einen wirklich guten Zweck selbstlos zur Verfügung gestellt
wurde, und das jetzt weder als Wohnraum noch als Unterrichtsraum
genutzt wird.
Boote
auf dem Inle-See:
Es gibt drei Arten von Booten:
Fischerkähne, Transportboote in Spantenbauweie und
Transportboote in Flachbodenbauweise. Die Fischerkähne sind
kurze Boote mit flachem Boden und extrem flach angeschrägtem Bug
und Heck, so daß sie in der Mitte einen kleinen, vertieften
Ladeplatz haben und vorn und achtern zwei langgezogene
Plattformen. Wenn der Fischer auf dem Heck steht, ragt der Bug
spitz aus dem Wasser, das Heck ist nur eine schmale Linie
oberhalb der Wasseroberfläche. Dieser Bootstyp ist leicht und
wendig und wird nur von den Fischern benutzt, die damit ihre
Treibnetze auslegen (häufiger) oder von dort aus mit Reusen
(selten zu sehen) auf dem flachen See oder mit selbstgebastelten
Harpunen auf den noch flacheren überschwemmten Reisfeldern auf
Fischfang gehen. Die heute am häufigsten zu sehenden
Transportboote sind langgausgezogene Boote, deren Außenwände so
schräg sind, daß auch bei schneller Fahrt das Spritzwasser vom
Bug schön nach außen weggedrückt wird. Es ist eine
Konstruktion mit Spanten, Planken und innen auf jeder Seite ein
paar Längsstringern. Angetrieben von einem kräftigen Diesel mit
relativ knapp unter der Wasseroberfläche gefahrener Schraube,
ragen diese Schiffe in schneller Fahrt meistens vorne bis zu
einem Drittel ihrer Länge steil aus dem Wasser und ziehen eine
gewaltige Spritzwolke hinter sich her. Nur wenn die Boote bis
oben mit Kisten voller Tomaten beladen sind, liegen sie schwer
und gleichmäßig im Wasser. Sie haben nur wenig Tiefgang und
können auch locker über die überfluteten Reisfelder fahren,
wobei bei jedem trennenden Erdwall der Motor gedrosselt und die
Schraube kurz angehoben wird, was der Fahrerei etwas Ruckartiges
verleiht. Daneben gibt es noch ältere Boote, die in Form und
Gestalt den eben beschriebenen Booten ähneln, aber ganz anders
gebaut sind: Die Boote haben zwei steilere Längswände, die mit
Querbrettern verbunden sind wie bei einer Dschunke, so daß vorn
und achtern ein stark geneigter Spiegel entsteht, über den die
Längsstreben auf jeder Seite wie kleine Hörner herausragen.
Phaung
Daw U
Ganz besondere Boote sind aber
die, die beim Phaung Daw U Fest verwendet werden. Das
Hauptboot kann man in Phaung Daw U in einem offenen Unterstand
nahe der Phaung Daw U-Pagode bestaunen. Es ist eigentlich ein
Katamaran, eine Doppelrumpfkonstruktion. Auf den beiden
Bootsrümpfen ist eine große Plattform angebracht, die in der
Mitte einen offenen Pavillon mit viel aufwendiger und vergoldeter
Schnitzerei trägt. Vorne und achtern sind vergoldete
Konstruktionen in Form eines Vogel-Vorderteils mit Kopf bzw.
eines Vogel-Hinterteils mit gestaffeltem Schwanz. An anderer
Stelle werden ebenfalls in einem seitlich offenen Unterstand auf
einer Plattform die entsprechenden Aufsätze für ein ebenso
schön geschmücktes Begleitboot aufbewahrt, ebenfalls in Form
eines Vogels. Auch die kleineren Begleitboote kann man mitsamt
ihrem vergoldeten Zierrat im Bootshaus bewundern. In diesen
Booten werden anläßlich des Phaung Daw U Festes vier der
fünf Buddha-Statuen in alle Dörfer rings um den See gefahren,
um eine Nacht in jedem Dorf zu verbringen. In den drei Wochen vor
dem Oktobervollmond, Thadingyut, findet dieses Hauptfest des
südlichen Shan-Staates statt. In einer Bootsprozession werden
die hoch verehrten Buddhafiguren aus der Paung-Daw-U-Pagode von
einem Ort zum anderen gebracht. Damit die Bewohner eines Dorfes
die Buddhafiguren verehren können, bleiben sie über Nacht in
einem Tempel, bevor es am nächsten Tag wieder auf Reisen geht.
Anläßlich des Festivals findet zudem ein Wettrennen der
Einbeinruderer statt, dazu herrscht eigentlich auf dem ganzen
Seegebiet Markttreiben. Die Hintha begegnet einem zusätzlich
nochmal auf einem Pfahl mitten im See. Das ist die Stelle, an der
einst eine der fünf Buddhafiguren im See versank. Ihre Rettung
grenzte an ein Wunder. Seitdem gehen nur noch vier der fünf
Statuen auf die Reise. Die Statuen selbst sind in der Phaung Daw
U-Pagode ausgestellt und genießen höchste Verehrung. Und da
sich Verehrung im Aufbringen von Blattgold ausdrückt, haben die
Statuen inzwischen jegliche Form verloren. Ganz tief drinnen ist
sicherlich eine Buddhastatue, wie es sich gehört. Aber die
äußere Erscheinung ist die von Kugeln oder aus Goldkugeln
geformter Schneemänner. Irgendeine Ähnlichkeit mit einer
menschlichen Figur besteht bei keiner der Figuren mehr.
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Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2004 und 2005
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