Bernhard Peter
Schlammiger Markt in Maying Pyo

Dieses Dorf am Südrand des Inle-Sees teilt sich seinen Markt mit fünf anderen Dörfern. Im Fünftagesrhythmus wandern die Marktbeschicker von Dorf zu Dorf und nutzen dort fest installierte hölzerne Unterstände, um ihre Ware auszulegen. Nur die Ware wird von den Beschickern mit Booten oder Ochsenkarren zum nächsten Dorf gebracht. Abends wird alles vorbereitet, frühmorgens eröffnet der Markt, mittags wird schon wieder zusammengepackt und verladen. Ich bin mit Bootsführer und einem Pa-O-Führer gemeinsam unterwegs, weil wir noch weiter nach Kakku wollen. Mit dem Boot nähern wir uns dem Dorf. Schon viele hundert Meter vorher wird das klare Wasser des Inle-Sees, durch das man die ganzen Wasserpflanzen des Bodens in geringer Tiefe sehen kann, trübe und schließlich schmutzig-braun. Das Dorf liegt direkt am Ufer, der Schlamm ist überwältigend. Die Boote liegen nebeneinander am schlammigen Ufer, daneben harren geduldige Ochsen dösend oder wiederkäuend aus, bis sie wieder gebraucht werden.

Schon beim ersten Blick auf das Ufer wird klar, daß hier Trekking-Schuhe völlig fehl am Platze sind. Schlamm, wohin man blickt. Zum Glück habe ich Badeschlappen dabei. Also runter mit den Trekkingschuhen, rein in die Badeschlappen, Augen zu und durch. Irgendwann wird der Boden schon fester werden. Klebriger Schlamm, von dem man nicht sagen kann, ob es Erde oder Exkrement ist, umschließt schmatzend die Füße. Zwei Schritte, ein gurgelndes Geräusch, ein Beinahe-auf-die-Schnauze-Fallen – ich stecke fest. Irgendwo im Schlamm tief unten kleben die Badeschlappen, die Plastikriemen dehnen sich, wildes Rudern mit den Armen, kein Fortkommen mehr möglich. Ein letzter Versuch, ein kräftiger Ruck, und mit einem lauten Schmatzer löst sich der Schlappen und wirft mit seinem langen Ende eine Handvoll Schlamm über uns, direkt auf das blütenweiße Hemd meines Führers. Ich wäre am liebsten noch weiter im Boden versunken. Er kommentierte meine wortreichen Entschuldigungen nur mit einem trockenen „You’d better walk without shoes and with bare feet“ und zeigte mir, wie man am besten die Schuhsohle seitlich hochklappt und die Schlappen nur noch als seitliches Anhängsel trägt. Jeder Andere wäre wohl aus der Haut gefahren, und wahrscheinlich besaß er nur dieses eine gute Hemd, aber jetzt durfte ich mal wieder von der ausgesuchten birmanischen Höflichkeit profitieren. Wir boten wohl einen seltsamen Anblick: Mein Pa-O-Führer in blütenweißem Hemd und bordeauxfarbenem Longyi, richtig elegant, ich in ebenso blütenweißem Hemd und dunkelblauer Hose, bis zu den Knien hochgekrempelt, beide mit seitlich am Fuß hängenden Badeschlappen, beide von oben bis unten mit Schlammspritzern voll. So und mit Pokerface gingen wir auf Marktbesuch. Aber auch die Sache mit den hochgetretenen Sohlen endete beinahe im Totalverlust, also im Schlamm buddeln, Schlappen herauskramen, jetzt auch noch die Arme bis zum Ellenbogen dreckig. In den Händen zwei Etwasse, die mal Badeschlappen waren, die Füße selber nur noch unförmige schwere Schlammklumpen, mit jedem Schritt erneut im Morast versinkend, staksten wir voran. Dieser Tag war wohl der absolute Hygiene-Tiefpunkt der ganzen Reise. Nach 100 Metern hatte die Hose ihre blaue Farbe gänzlich eingebüßt.

Die Wege zwischen den Marktständen sind fast knietief voll Schlamm. Und doch haben sich einige Pa-O-Frauen dort mit ihren Waren niedergelassen: Eine kleine Aufschüttung aus Stroh, ein paar Handtücher darüber, und schon kann man seine Waren, Gewürze, Tees, Plastikgeschirr etc. dort ausbreiten. Und die Ware wird mit einer Miene feilgeboten, als sei rundherum nicht knietiefer Schlamm, sondern eine blühende Wiese. Dieser Markt wird von vielen Pa-O aufgesucht in ihrer charakteristischen Tracht: Schwarze Kleidung, mit blauem Band an den Rändern, Säumen und Taschen abgesetzt. Zu dieser eher dunkel-elegant wirkenden Tracht kommen Umhängetaschen und Kopftücher in schreiend leuchtenden Farben, sehr beliebt sind Rot- und Orangetöne, z. B. ein leuchtend orangefarbenes Frottee-Tuch um den Kopf, dazu eine schrill grün-rot gestreifte flache Umhängetasche. Der Markt ist sehr untouristisch. Ein Tourist ist hier eher ein Exot. Die Waren sind typische Alltagsbedarfsgegenstände, Gewürze, Kleidung, Haushaltswaren, Tee.

Wir besuchen noch ein Haus mit einer Töpferei im Ort. Auf einer ganz schlichten handbetriebenen Drehscheibe wird gearbeitet, abwechselnd diese antreibend und den Tonklumpen ausformend, ohne zweite Helferin. Typisch ist hier ein bestimmtes Randornament: Der Rand wird zu einer scharfen seitlichen Kante ausgeformt, selbige wird durch gleichmäßig gesetzte Fingerdrücke auf den Grat zu einem hübschen Muster geformt.

Nach der Schlammorgie versuchen wir noch im braunen „Hafenwasser“, die Füße halbwegs sauber zu bekommen – eine fest unmögliche Anstrengung. Erst im Laufe des Tages bröckelte es hier und da, und ich habe mich noch nie so auf eine Dusche gefreut wie am Abend dieses Tages...

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© Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2004 und 2005
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