Bernhard Peter
Wo die Woche 8 Tage hat

Beim Besuch großer Pagoden fällt auf, daß die Menschen gezielt einen der kleinen Verehrungsplätze aufsuchen, die rund um den zentralen Stupa eingerichtet sind. Eine Buddhastatue, die fast im Meer aus Blumen und Papierkunstwerken versinkt, davor ein Wasserbecken, mit einem Gartenschlauch zum Nachfüllen, daneben viele kleine Blechtassen. Unter dem Becken befindet sich ein markantes Tier aus Stein oder Gips. Man stellt auf der Bank davor Kerzen und Räucherstäbchen in Bündeln ab, man schmückt das Bildnis mit Girlanden aus weißen duftenden Blüten, man badet die Statue durch Übergießen mit Wasser mittels der Blechtassen. Das Besondere daran ist, daß jeder dieser Buddhastatuen einem Wochentag zugeordnet ist, und die Besucher empfinden den Buddha ihres Wochentages, des Wochentages ihrer Geburt, als ihren besonderen und persönlichen Beschützer. An welchem Wochentag man geboren ist, ist wichtig, und sollte man es als Besucher vergessen haben, finden sich Leute, die es flink ausrechnen oder nachschlagen. An welchem Wochentag man geboren ist, schlägt sich auch in der traditionellen Namensgebung nieder: Jemand, der am Sonntag geboren ist, hat in seinem Vornamen oft den Bestandteil „Aung“, z. B. U Aung etc.

Das Übergießen von Buddhastatuen mit Wasser in der Shwedagon in Jangon

Eine Pagode mit ihren Achsen und 4 Aufgängen ist ein Bauwerk höchster Symmetrie – wie bringt man da die krumme Anzahl von 7 Stationen für 7 Wochentage unter? Gar nicht, denn die Woche hat in Birma 8 Tage, denn es gibt zwei Mittwoche, einen Mittwoch-Vormittag und einen Mittwoch, der von mittags bis Mitternacht reicht. Und 8 Stationen für 8 Wochentage kann man optimal in die Pagodengeometrie integrieren! Natürlich ist das nicht der Hauptgrund, die acht Tage leiten sich aus der birmanischen Astrologie ab. Auch Opferstöcke wie jene auf dem Mandalay Hill folgen diesem Schema: Viele durchsichtige Kästchen mit Plexiglasscheiben und Schlitz stehen nebeneinander, und auf den Deckel ist das Tiersymbol gemalt, und jeder spendet in „seinen“ Wochentag. Jedem Wochentag ist damit ein Tier und eine Himmelsrichtung in der Tempelanlage zugeordnet:

Wochentag Tier Position im Tempel Eigenschaften
Montag Tiger Osten Eifersucht
Dienstag Löwe Südosten Ehrlichkeit
Mittwochvormittag - Bodahu Elefant mit Stoßzähnen Süden Jähzorn
Mittwochnachmittag - Rahu Elefant ohne Stoßzähne Nordwesten Jähzorn
Donnerstag Ratte Westen Güte
Freitag Meerschweinchen Nord Redseligkeit
Samstag Naga-Schlange Südwesten Friede, Wohlstand, Streitsucht
Sonntag Garuda = Vogel Galon Nordosten Kraft, Geiz

Dabei ist der Mittwoch der absolute Elefantentag. Beide Mittwochs haben den Elefanten als Tier, einmal mit, einmal ohne Stoßzähne. Und Arbeitselefanten haben am Mittwoch frei (vormittags und nachmittags).

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© Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2004 und 2005
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